35. Danach...

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... Ich drückte mich mit aller Kraft an ihn. Nie wieder wollte ich ihn in diesem Moment los lassen oder gar verlassen...

Er sagte nichts. Doch es waren keine Worte nötig. Die Ruhe war das, was ich brauchte. Und das wusste er offenbar. Eng schmiegte ich mich an seine kalte Brust und weinte stark...

Es begann zu regnen, als die Sonne untergegangen war. Ich schaute leicht erschrocken in den Himmel und löste mich minimal von meinem Vater. Die kalten Regentropfen auf meinen heißen Wangen waren angenehm und kühlten mich. "Komm wir fahren ins Hotel. Sonst wirst du noch krank!" flüsterte er mir ins Ohr. "Ich kann nicht!" murmelte ich und blickte sehnsüchtig zu Mums Grab. "Doch Liv! Du kannst! Wir kommen morgen noch einmal hier her, wenn du möchtest. Bevor wir los fahren! Einverstanden?" fragte er. Ich nickte und wollte aufstehen, doch ich war sehr wackelig auf den Beinen. "Darf ich dich tragen, Liebling?" fragte er. Ich nickte und schon hob er mich hoch. Sofort klammerte ich mich wie eine 5-Jährige an ihn und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Ich schluchzte immer noch etwas. "Sch... Liv, Liebling alles ist gut! ... Sch", redete er auf mich ein. Er trug mich von Mum weg, aus dem Friedhof, in sein Auto. Dort setzte er mich auf die Hinterbank und schnallte mich an. Dann schloss er die Tür und stieg auf der Fahrerseite ein und schloss dort ebenfalls die Tür. Ich begann durch meine durchgeweichten Klamotten zu Zittern. "Kannst du dich beeilen?" fragte ich mit klappernden Zähnen. Er sah mich besorgt an und sagte nickend: "Ich mach die Sitzheizung an und beeil mich!" Ich nickte ihm dankend zu. Schon startete er den Motor und fuhr los...

Wir parkten vor einem edlen teuren Hotel und stiegen aus. Meine Beine hatten sich erholt und so lehnte ich der Frage, ob mein Vater mich tragen soll, ab. Er gab den Schlüssel einem der Angestellten, der den Wagen weg fuhr. Dann kam er zu mir und führte mich rein. Er checkte sehr schnell ein und so liefen wir zu den Fahrstühlen. Im 2. Stock hielten wir und er zeigte mir das Zimmer, welches er für uns gebucht hatte. Es war alles riesig! Man trat gleich in ein großes Wohnzimmer mit Küche ein. Am Ende waren 2 Türen. Hinter beiden ein Schlafzimmer je mit eigenem Bad. Alles das Gegenteil von klein. Ich ging in das linke Schlafzimmer und schloss die Tür hinter mir. Ich brauchte jetzt Zeit für mich beim Duschen. Doch ehe ich mich versah klopfte es. Ich reagierte nicht. "Liv ich möchte dir nur deinen Rucksack geben. Darf ich rein kommen?" rief Vaters Stimme. Mist! Den Rucksack hatte ich total vergessen. Ich ging zur Tür und öffnete sie. "Hier. Wenn was ist, dann kannst du jederzeit zu mir rüberkommen. Okay?" fragte er und hielt mir die Tasche hin. Ich nahm den Rucksack an und nickte. "Schlaf gut!" flüsterte er bevor ich die Tür zuschlug. Ich hörte ihn Seufzen und hatte so ein komisches Ziehen in meiner Brust. Nein ich kann jetzt nicht zu ihm gehen. Nein!

Ich zwang mich dazu mich auf das Bad zu konzentrieren. Ich putzte Zähne und ging heiß Duschen. Die wunderbar warmen Tropfen auf meinen runtergekühlten Körper ließen mich leicht erschaudern. Alles in mir lockerte sich und die Muskeln entspannten sich...

In schwarzer, bequemer Jogginghose und schwarzem, eng anliegendem T-Shirt kam ich mit trocken geföhnten Haaren aus meinem Bad. Das Bett sah bequem aus und so schmiss ich mich hinein. Und es war genauso, wie es aussah. Gemütlich! Ich kuschelte mich in die weiche Decke, löschte das Licht und schloss die Augen. Doch das war ein Fehler. Mit einem Mal spielten sich alle Bilder des heutigen Tages vor meinem inneren Auge ab. Ich begann zu Zittern und die Tränen kamen wieder. Es tat so weh! Mum war nicht mehr da! Sie hatte mich allein gelassen! Ich weinte und dachte an meine Mutter, in der Hoffnung mich irgendwann zu beruhigen...

Doch es klappte nicht. Ich wälzte mich unruhig im Bett und schluchzte heftig. Mein Kopfkissen war unter den Tränen schon komplett durchgeweicht und mein eigener Kopf tat unglaublich weh. Ein Blick auf meine Handy Uhr und ich schluckte. Ich hatte mehr als 2 Stunden hier gelegen und geweint. Das konnte nicht so weiter gehen.

"Wenn was ist, dann kannst du jederzeit zu mir rüberkommen!" Das hatte mein Vater gesagt. Ich war mir unschlüssig, ob ich wirklich zu ihm gehen sollte. Auf der einen Seite wollte ich ihn nicht aufwecken und auf der anderen Seite brauchte ich ihn im Moment. Ja, ich gab es zu. Ich brauchte meinen Vater! Er hatte es am Grab meiner Mutter schon bemerkt, dass ich es nicht alleine schaffte. Und er wollte mir helfen. Er wollte mir beistehen. Das hatten Felix und Marcus gesagt. Ich vertraute ihnen und habe ihnen versprochen ihm eine Möglichkeit zu geben. Ich schluchzte und setzte mich auf. Ich konnte so nicht einschlafen! Also erhob ich mich aus meinem Bett und tapste aus dem Zimmer. So leise wie möglich öffnete ich meine Tür. Das Licht im Wohnzimmer war bereits aus, doch das Zimmer meines Vaters war angenehm erhellt. Ich überlegte einfach wieder zurück in mein Bett zu gehen, aber ich brauchte ihn jetzt. Also ging ich barfuß über die Fliesen zu seiner Tür. Sie stand offen und als ich ihm Türrahmen stand, sah ich ihn. Mein Vater saß in schwarzer edler Schlafhose und schwarzem T-Shirt auf der Bettkante. Er schaute nachdenklich vor sich. Dort vor ihm stand ein Stuhl, worauf einige Unterlagen ihren Platz gefunden hatten. Es sah nach... Einem Plan aus... Einem Lehrplan?!

Egal, deswegen bin ich nicht hier. Sachte klopfte ich an den Türrahmen. Sein Kopf schnellte hoch und unsere Augen trafen sich. Meine Verweinten und Seine, die pure Besorgnis ausdrückten...

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