1. There's something strange in your neighborhood

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Genervt ließ Jonna ihren Wohnungsschlüssel in die kleine Schale an ihrer Garderobe fallen. Es war Mittwoch, scheiß langer Mittwoch, der Tag in der Woche, an dem sie bis zum Abend auf der Arbeit hockte. Meist der Tag der Woche, an dem sie verfluchte jemals auf die Idee gekommen zu sein Erzieherin zu werden. Was hatte sie sich dabei nur gedacht?

Kaum dass sie ihre Schuhe ausgezogen hatte klingelte ihr Handy, das konnte nur Basti sein.

„Hi", murmelte sie in den Hörer.

„Hi mein Schatz, na, wie war dein Tag? Heute wieder lang gewesen?"

„Bin grad erst zur Tür rein, heute war..."

„Ja, Mittwoch eben. Wir hatten heute auch Stress bei der Arbeit, Feueralarm, das ganze Gebäude musste evakuiert werden."

So war das immer, sie begann zu erzählen, er unterbrach sie und dann redete er und redete und redete. Manchmal ließ sie das Handy irgendwo liegen und widmete sich währenddessen dem Abwasch oder der Wäsche, ein ab und an gemurmelte „Aha" oder „Echt?", reichten ihm vollkommen aus.

In den letzten Wochen passierte es definitiv öfter, dass sie abschaltete, sie arbeitet seit Anfang des Monats Vollzeit und musste sich erst daran gewöhnen nun 10 Stunden mehr in der Woche mit der Arbeit beschäftigt zu sein.

„Jonna? Hallo?"

Erschrocken zuckte sie zusammen, sie hatte anscheinend zu lange nichts mehr gesagt.

„Äh... Sorry, ich war grade in Gedanken, was war denn?"

„Ich wollte wissen, ob du nun am Wochenende kommst. Ich habe eine Einladung zu einem Essen bei meinem obersten Boss und ich soll Bescheid sagen, ob ich jemanden mitbringe."

Sie seufzte und schloss kurz die Augen. „Du weißt doch, dass ich am Wochenende mit meinen Erstkommunionkindern unterwegs bist, wir haben das Kennenlernwochenende und..."

„Kannst du da nicht absagen, ich meine, du bist doch nicht die einzige erwachsene Person die mitfährt."

„Basti, ich hab das organisiert und geplant, es war meine Idee wegzufahren, ich kann da jetzt nicht absagen."

„Ich sehe dich in letzter Zeit kaum noch, nie hast du Zeit und das bisschen Zeit das dir bleibt verbringst du in dieser dusseligen Kir..."

„Basti!", ihre Stimme klang scharf. „Wir haben eine Abmachung! Keine blöden Kommentare über mein Ehrenamt oder die Kirchengemeinde."

„Aber man könnte meinen, dass du mit denen zusammen bist und nicht mit mir.", schmollte er nun.

„Ich mache nicht mehr als sonst.", rechtfertige Jonna sich, sie drückte die Nasenflügel zusammen, Kopfschmerzen machten sich breit, wie so oft in letzter Zeit, wenn sie mit Basti telefonierte.

„Also kommst du nicht?", wollte er noch einmal wissen.

„Ein anderes Mal okay!"

„Weißt du eigentlich wie blöd ich dastehe? Mein Chef muss denken, dass ich mir diese ominöse Freundin nur ausgedacht habe."

„Und wenn schon, das kann denen doch egal sein, was geht die das überhaupt an?"

Sie hatte keine Kraft und keine Lust heute mit ihm zu diskutieren, sie wollte heiß duschen, etwas essen und dann auf die Couch.

„Basti... Lass uns morgen weiterreden, ja? Ich bin müde und..."

„Ja... Ist vielleicht besser. Dann schlaf mal gut."

„Danke, du auch! Wir hören morgen voneinander, ja?"

Er hatte aufgelegt und Jonna warf das Handy mit lautem Seufzen auf ihr Bett. Vor drei Monaten war Basti nach Hamburg gegangen, er hatte ein Jobangebot von einer großen Bank bekommen, das er unmöglich ausschlagen konnte oder wollte. Er hätte Jonna gerne mitgenommen, aber sie hatte sich gescheut. Hamburg war ihr zu groß, zu laut, zu schrill, sie liebte ihre kleine Heimatstadt am Ende der Welt. Hier lebte ihre Familie, es gab ihre Freunde, ihre Arbeit mit tollen Kollegen, sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen woanders zu leben. Also führten sie seitdem eine Fernbeziehung, mal mehr, mal weniger erfolgreich.

Jonna wollte sich auf den Weg in die Küche machen, als sie aus dem Hausflur ein lautes Fluchen und Poltern hörte. Vorsichtig öffnete sie die Wohnungstür und linste in das Zwielicht des Hausflurs. Ein Mann stand inmitten von Klamotten, Büchern und anderem Krimskrams und fluchte laut.

„Ich hab dir gesagt dass du die Kisten nicht vollknallen sollst, genau so etwas passiert dann nämlich."

„Ich hatte keine Kartons mehr, in die letzten habe ich halt reingestopft was noch da war."

Leise schloss Hanna die Wohnungstür wieder, damit war die Ruhe auf ihrem Stockwerk anscheinend vorbei. Vor zwei Monaten war ihr Nachbar ausgezogen und sie musste zugeben, dass sie es genoss sich keine Sorgen darum zu machen ob die Musik zu laut war oder die Waschmaschine um 23°°Uhr noch begann zu schleudern. Unter ihr war der Keller und über ihr saß ein Versicherungsbüro, das unter der Woche nur von 8°°-17°°Uhr besetzt war. Nun zog anscheinend nebenan wieder jemand ein. Jetzt erinnerte sie sich auch an den leichten Geruch nach Farbe der in den letzten Tagen durch das Treppenhaus gewabert war.

Heute Abend war sie auf keinen Fall mehr in der Verfassung sich einem neuen Nachbarn vorzustellen, das hatte noch Zeit. Sie stieg unter die heiße Dusche und schloss die Augen als das Wasser auf ihren Körper niederprasselte. Von dumpfen Wummern wurde sie aus den Gedanken gerissen, es klang, als ob jemand nebenan Wände einreißen würde.

„Das ist jetzt nicht wahr!", brummte Jonna und schlug mit dem Kopf gegen die Wand. Die würden doch jetzt nicht allen Ernstes beginnen drüben zu renovieren? Es war gleich halb acht, niemand, der es sich nicht direkt am Anfang mit seinen Nachbarn verscherzen wollte, tat so etwas.

Nebenan kehrte wieder Ruhe ein und Jonna seufzte dankbar auf. Sie machte sich ein paar Brote und ließ sich erschöpft vor den Fernseher fallen. Eigentlich wollte sie sich noch bei ihrer Kollegin gemeldet haben, die sich heute Morgen krank gemeldet hatte, aber sie war zu müde und der Kopf zu voll um jetzt noch über die Arbeit zu sprechen.

Sie zappte durch das Fernsehprogramm, blieb mal hier und mal da hängen, aber so richtig interessierte sie all das nicht. Irgendwann schaltete sie den Fernseher aus, Zeit zu Bett zu gehen. Es war mittlerweile kurz nach 22°°Uhr, bis zum Wecker klingeln blieb nicht mehr allzu viel Zeit. Müde starrte sie in den Spiegel während sie sich die Zähne putzte. Mit einem Mal erklang ein markerschütternder Lärm, der sie so erschreckte, dass sie ihre Zahnbürste fallen ließ. Es klang, als würde sich jemand direkt durch die Wand in ihr Badezimmer vorarbeiten.

„Jetzt reicht es!", knurrte sie, sie schnappte sich ihren Schlüssel und schlappte in Pyjama und Hausschuhen über den Flur. Sie drückte auf den Klingelknopf aber nichts geschah, sie drückte abermals, wieder kein Ton. Dann erinnerte sie sich, dass vor einigen Wochen der Blitz in die Klingelanlage eingeschlagen hatte und seitdem nichts mehr funktionierte, der Vermieter hatte sich noch nicht dazu erbarmt an diesem Zustand etwas zu verändern. Abermals fluchte sie und trommelte lautstark gegen die Tür.

Das laute Bohren hörte auf, sie hörte gemurmelte stimmen, sie trommelte erneut mit den Fäusten gegen die Tür.

Endlich öffnete sich die Wohnungstür einen Spalt und ein Kopf streckte sich durch die entstandene Öffnung.

„Ja?"

„Leute, es ist weit nach 22°°Uhr, hört endlich damit auf hier die Wände einzureißen, es gibt Menschen in diesem Haus, die morgen arbeiten müssen!"

„Ähm.."

„Wenn jetzt hier nicht augenblicklich Ruhe herrscht, dann rufe ich die Polizei!"

Wütend funkelte sie den Mann vor sich an, sie hatte sich in Rage geredet.

Abwehrend hob er die Hände.

„Okay, okay. Wir sind ruhig!"

„Das will ich auch hoffen!", sie drehte sich um und knallte die Wohnungstür hinter sich zu.

Nachbarn die bellen beißen nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt