36. Bruchbude

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„Herr Kelly? Hallo, mein Name ist Beyer, wir hatten telefoniert!", die junge Dame reichte erst Jonna und dann Patrick die Hand und warf einen Blick in ihre Unterlagen. „Sie beide interessieren sich also für dieses... Äh... Schmuckstück?"

„Ja! Auf jeden Fall!"

Patrick hatte direkt am nächsten Tag einen Termin bei der Maklerin ausgemacht, damit ihnen ja niemand das Häuschen vor der Nase wegschnappte. Bei näherem Hinsehen bemerkten sie, dass das Haus schon seit einem guten Jahr zum Verkauf stand, sie konnten sich überhaupt nicht erklären warum. Die Lage war traumhaft, es gab ein großes Grundstück und mit dem Auto war man in weniger als zehn Minuten in der Stadt, trotzdem herrschte hier eine einmalige, ländliche Idylle.

„Gut, dann wollen wir mal, ich muss Sie bitten, im Inneren vorsichtig zu sein, es müsste einiges an dem Haus gemacht werden.

Als sie das Haus betraten dämmerte es Jonna und Patrick, warum niemand dieses anscheinend perfekte Haus kaufen wollte. Das Haus war eine einzige Baustelle, es gab keine Fußböden mehr, man ging Stellenweise auf nacktem Lehmboden, die meisten Wände waren unverputzt, die Fensterläden der hinteren Fenster hingen nur noch halb in den Angeln und man hatte das Gefühl, dass der Wind einem direkt in die Knochen fuhr.

Entsetzt sahen sich Jonna und Patrick an, dieses Haus war kein Schmuckstück, es war eine Bruchbude, deswegen also stand es schon so lange leer.

Frau Beyer schien ihr Zögern zu merken und war direkt weniger enthusiastisch. „Nun, es muss natürlich einiges an diesem Haus gemacht werden, sind sie handwerklich begabt? Dann sollte das kein Problem darstellen."

Patrick glotzte stumm auf seine Hände. Handwerklich begabt? Er? „Nein, leider nicht so richtig. Also... Es muss hier ja schon eine Menge gemacht werden und..."

„Der Verkäufer wäre bereit im Preis ein wenig nach unten zu gehen, angesichts der Renovierungsarbeiten die auf den Käufer zukommen würden."

„Renovierungsarbeiten? Abreißen und neu bauen wäre wahrscheinlich einfacher!", murmelte Jonna.

„Es tut mir leid, aber das wird nicht gehen. Das Haus steht unter Denkmalschutz und bei der Instandsetzung gibt es einige Regelungen zu beachten. Eine ausführliche Liste liegt ihrem Exposé bei."

„Das auch noch!", brummte Patrick und fuhr sich durch die wirren Haare. „Würden Sie uns einige Minuten geben? Wir müssen da in Ruhe drüber sprechen, das ist keine Entscheidung die wir jetzt treffen können."

Frau Beyer warf einen Blick auf die Uhr und seufzte, für sie stand fest, dass sie auch heute nicht erfolgreich sein würde. „Wissen Sie was, lassen Sie sich so viel Zeit wie Sie brauchen, ich lasse Ihnen den Schlüssel hier und Sie werfen ihn später einfach bei mir im Büro in den Briefkasten."

„Das wäre Wahnsinn Patrick oder?", murmelte Jonna traurig. Sie hatte sich in das Haus verliebt, ihr war aber klar, dass die Renovierung ein Heidengeld verschlingen würde.

„Nun... Ja, schon, aber ist das alles hier nicht Wahnsinn? Das mit uns? Mit dem Baby? Da passt das Haus doch perfekt rein! Wir müssten Fachleute beauftragen, die Richtlinien vom Denkmalschutz sind sehr streng, das haben wir damals bei Gymnich schnell gemerkt, als Privatperson kann man das alles gar nicht wissen. Außerdem haben wir beide zwei linke Hände wenn es ums Renovieren geht oder?"

„Meinst du wirklich? Es ist schon eine ziemliche Bruchbude."

„Ich würde vor dem Kauf einen Fachmann draufschauen lassen, der schätzen kann was da an Kosten auf uns zukommen würde."

Jonna strich durch das Haus, auch wenn es eine Bruchbude war hatte es definitiv Charme. Von dem, was einmal die Küche gewesen sein musste sah man direkt aufs Wasser und das Wohnzimmer hatte einen Zugang zum Garten. Jonna trat aus der Tür und sah sich um, der Garten war zwar etwas verwildert, aber nicht so sehr, wie sie befürchtet hatte, mit etwas Arbeit würde das ein kleines Paradies werden.

Nachbarn die bellen beißen nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt