44. Harter Alltag

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Unruhig schaukelte Jonna ihren Körper hin und her während sie das Gemüse für das Abendessen schnitt, in der Hoffnung, dass Talia noch einige Momente ruhig sein würde. Heute war einer dieser Tage an denen sie alles in Frage stellte, wo Patrick war wusste wahrscheinlich nur er selbst, wenn überhaupt, in den letzten Wochen war er dauernd unterwegs. Er plante eine erneute Tour mit seinen Geschwistern, war für sein Art Peace Projekt unterwegs und trat immer wieder in kleinen Kirchen auf. Ein Workaholic wie er im Buche stand, Jonna freute sich, dass es bei ihm so gut lief, dass er machen konnte was ihm Spaß machte und trotzdem fühlte sie sich an manchen Tagen unheimlich einsam und alleingelassen. Wenn er da war versuchte er ihr unter die Arme zu greifen so gut es ging, er nahm ihr Talia ab, damit sie schlafen konnte, er kümmerte sich um den Haushalt und ging einkaufen, aber den Rest der Zeit hing alles an Jonna. Sie hatte das Gefühl in einem Hamsterrad gefangen zu sein. Aufstehen, Talia stillen und wickeln, die Wäsche, kochen, putzen, Taliaa stillen und wickeln, Wäsche aufhängen, Wäsche zusammenlegen, Talia stillen und wickeln, die nächste Maschine Wäsche anwerfen, kochen... Talia war ein Spuckkind, an schlechten Tagen musste Jonna sie fünf oder sechs Mal umziehen und sich meistens mit, weil sie Talia den größten Teil des Tages im Tragetuch bei sich hatte, nur so war die Kleine ruhig.

Sie sah schrecklich aus, durch die Hormonumstellung nach der Geburt fielen ihr die Haare aus, sie hatte Pickel wie ein 13 jähriger Teenager und auch jetzt, sechs Wochen nach der Geburt fühlte sie sich dick und unförmig. Alles in allem grade wenig attraktiv und liebenswert. Auch wenn Patrick ihr immer wieder beteuerte dass er sie wunderhübsch und anbetungswürdig fand und dass sie nicht so hart mit sich ins Gericht gehen sollte, sie hatte grade erst ein Kind geboren, natürlich brauchte ihr Körper Zeit. Jonna wusste das alles und trotzdem machte ihr Kopf ihr einen Strich durch die Rechnung, zu viele Nächte saß sie draußen im Garten und weinte stumm vor sich hin. Scheiß Hormone, sie fühlte sich überhaupt nicht mehr wie sie selbst, sollte sie nicht das strahlende Mutterglück sein? Stattdessen fühlte sie sich wie ein Häufchen Elend.

„Na, wie geht es meinen beiden Lieblingsfrauen?" Jonna schrie erschrocken auf, sie hatte nicht gehört wie Patrick nach Hause gekommen war. Sofort riss Talia ihre Augen auf und begann zu weinen. Seufzend ließ Jonna das Messer sinken und befreite ihre Tochter aus dem Tragetuch, Raubtierfütterung. Sie ließ sich auf das Sofa sinken und begann Talia zu stillen, dabei gähnte sie immer wieder und strich sich über die Augen.

„Hey Jonna, bist du müde?", Patrick saß neben ihr und musterte sie kritisch.

„Die letzte Nacht war kurz, sie war alle zwei Stunden wach und ab 4°° Uhr konnte ich nicht mehr schlafen."

„Hab ich gar nicht mitbekommen.", murmelte er und musterte sie kritisch.

„Nein, du hast geschlafen... Und geschnarcht, deswegen konnte ich ja irgendwann nicht mehr schlafen."

„Sorry!"

„Schon gut, die kleine Madam hier hätte mich eh nicht mehr zur Ruhe kommen lassen." Sie drückte ihm die nun zufrieden schmatzende Talia in den Arm und ging zurück in die Küche um den Kartoffelauflauf fertig zu machen, den es gleich geben sollte. Aus dem Wohnzimmer hörte sie leises Gemurmel von Patrick, der anscheinend wieder mit Talia sprach, sie liebte diese Vater Tochter Gespräche und auch Talia wurde ruhiger wenn er mit ihr sprach, sie schaute ihn aus ihren großen dunklen Augen an, als würde sie jedes Wort verstehen.

Als sie beim Abendessen saßen musterte er sie wieder kritisch, sie sah unheimlich müde aus, ihre Augenringe sahen aus wie eingebrannt, das Haar war ein einziges Vogelnest auf ihrem Kopf und ihr Lächeln erreichten ihre Augen kaum noch.

„Ich habe mir was überlegt!", er lehnte sich zurück und lächelte sie an. „Was hältst du von ein paar freien Tagen? Gemeinsam mit Katinka?"

„Und wie soll das gehen? Du vergisst anscheinend, dass wir einen Säugling im Haus haben, der gestillt wird und mich braucht.", unwirsch schüttelte sie den Kopf, auf was für Flausen er kam, unglaublich.

Nachbarn die bellen beißen nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt