11. Eskalation

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Das schlechte Gewissen überrollte Jonna direkt nach dem Aufwachen. Sie wusste, dass sie überreagiert hatte, der Alkohol hatte sie aggressiv gemacht. Er hatte trotzdem keine Ahnung von ihrem Leben, von ihrer Beziehung, was mischte er sich einfach dort ein? Es ging ihn nichts an, er war nur ihr Nachbar.

Katinka war Gott sei Dank so verkatert, dass sie von Jonnas schlechter Laune nicht viel mitbekam. Bei ihren Großeltern erreichte Jonnas miese Laune ihren Höhepunkt, ihre Oma war heute extrem verwirrt und warf ihr immer wieder vor, dass es „so etwas" früher nicht gegeben hätte. Eine Frau die nicht bei ihrem Mann lebte, das ginge ja gar nicht, Wer kümmerte sich nur um den armen Basti, wenn seine Frau sich weigerte bei ihm zu leben? Wer kochte für ihn und wusch seine Wäsche? Jonna sei eine schlechte Ehefrau und früher, ja da hätte es so etwas nicht gegeben. Jonna lagen einige bissige Kommentare auf der Zunge, doch sie verkniff sie sich, es brachte ja nichts, spätestens fünf Minuten später würde sie mit ihrer Litanei von vorne beginnen.

Irgendwann hatte sie es satt sich immer wieder anzuhören, wie arm doch der arme Basti dran sei, sie knallte die Kochtöpfe auf den Tisch, wünschte allen einen guten Appetit und ging nach draußen in den Garten.

„Hi Basti, würde heute Abend gerne vorbei kommen? Hast du Zeit?", schrieb sie. Kurz darauf summte ihr Handy, er hatte ihr geantwortet. „Sicher Schatz! Sag einfach Bescheid, wenn du weißt wann du da bist!"

Immer wieder griff Jonna im Laufe des Tages zu ihrem Handy, Patrick hatte ihr eine Nachricht geschickt und gefragt ob sie reden könnten und dass es ihm leid täte. Aber Jonna wollte nicht reden, sie wollte ihre Ruhe und sie wollte den Menschen, den sie liebte.

Sie fiel Basti seufzend um den Hals und ließ sich küssen.

„Hey Schatz, was ist los?", wollte er wissen.

„Ich hatte Sehnsucht, mehr nicht!", murmelte sie.

„Glück für mich würde ich sagen!", er grinste sie an und Jonna kuschelte sich in seinen Arm, heute war es ihr sogar egal, dass er irgendeinen Horrorfilm schaute, sie wollte einfach den gestrigen Abend und die Nacht aus ihren Gedanken löschen. Sie küsste Basti und ließ ihre Hände unter sein Shirt gleiten.

„Schlaf mit mir!", flüsterte sie und Basti gab ihrer Bitte mehr als gern nach.

Die Nacht war beschissen, immer wieder schreckte Jonna aus komischen Träumen hoch, sie lag unbequem, doch Basti hielt sie so fest umklammert, dass sie sich nicht drehen konnte. Irgendwann angelte sie nach ihrem Handy und schrieb Patrick eine SMS.

„Es tut mir leid! Ich hätte gestern nicht so ausrasten dürfen, ich hoffe, wir sind trotzdem noch Freunde?" Sie zögerte kur, bevor sie auf senden drückte.

Es dauerte nicht lange, bis das Display aufleuchtete. „Natürlich sind wir noch Freunde!Wanna come over and talk? Ich habe grade frischen Tee gekocht."

Jonna musste schmunzeln, natürlich war er noch mitten in der Nacht auf. „Würde ich total gerne, aber ich bin in Hamburg."

Die nächste SMS ließ etwas auf sich warten, es schien als müsste er gut überlegen, was er schreiben sollte. Schließlich poppte ein Einfaches „O.K." auf. „Montag nach der Arbeit? Ich komme bei dir vorbei?", schrieb Jonna, wieder kam nur ein „O.K." zurück.

Was hatte er gedacht? Dass sie Basti in den Wind schießen würde, nur weil es grade schwierig war? So ein Mensch war sie nicht. Sie war treu, sie glaubte an das Gute im Menschen und daran, dass Liebe alles heilen konnte. Es hatte eine Zeit gegeben in der es ihr richtig schlecht gegangen war, in der sie keinen Sinn mehr in ihrem Leben gesehen hatte. Basti war derjenige gewesen, der sie damals aufgefangen hatte, der für sie dagewesen war, als ihre Mutter die Familie Knall auf Fall sitzen gelassen hatte. Eines Morgens war sie einfach weg gewesen, alles was geblieben war, war ein kurzer Abschiedsbrief und das Gefühl versagt zu haben.

Nachbarn die bellen beißen nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt