Nervös stand Jonna vor dem unscheinbaren Gebäude, gleich hatte sie einen Termin zur Beratung. Nach einiger Recherche hatte sie sich gegen eine Beratung beim Jugendamt entschieden und sich an eine kirchliche Beratungsstelle gewandt.
„Soll ich wirklich nicht mitkommen?", wollte Patrick zum wiederholten Mal wissen, doch Jonna schüttelte den Kopf, hier musste und wollte sie alleine durch. „Okay... Aber wenn was ist... Ruf mich an, ich komm sofort zu dir und rette dich!"
Jonna lachte. „Das ist eine Beratungsstelle und kein Tribunal. Niemand wird mich verurteilen, ich bin anonym dort, keiner wird mir etwas tun, keine Angst!", sie küsste ihn und lehnte seufzend ihre Stirn an seine.
Die letzten Tage hatten sie mit ihrer Oma verbracht, Patrick hatte sich wunderbar mit ihr verstanden und beide hatten viel über die Vergangenheit gesprochen, viele Stunden hatten sie nebeneinander im Wohnzimmer gesessen, Fotos angeschaut und Patrick hatte sich von ihrer bewegten Vergangenheit erzählen lassen. Ihrem Opa ging es mittlerweile wieder besser, er war zu Hause und froh wieder bei seiner Marie zu sein. Trotzdem war allen klar, dass sie über kurz oder lang schauen mussten, was mit den beiden geschehen sollte, lange konnten sie nicht mehr alleine wohnen.
Jonna atmete tief durch und betrat dann Büro.
„Moin, schön dass Sie den Weg zu uns gefunden haben! Ich bin Gudrun, ich arbeite hier als Beraterin, Sie hatten einen Termin ausgemacht?"
Schüchtern nickte Jonna, auf einmal war ihr doch etwas mulmig zumute. Schon oft hatte sie Eltern hierher in die Sprechstunde geschickt, um sich Rat und Hilfe zu suchen und nun saß sie selbst hier. Sie klemmte die Hände zwischen die Knie und sah unsicher zu der älteren Dame die sie freundlich anlächelte.
„Möchten Sie etwas trinken? Ein Glas Wasser? Einen Keks?", sie schob ihr den Teller zu. Zögernd griff Jonna nach einem Schokokeks und knabberte daran herum.
„Sie sind schwanger?"
Jonna atmete tief durch. „Ja und es gibt Probleme mit dem Vater, ich bräuchte Hilfe."
„Gut, da sind Sie hier genau richtig! Was möchten Sie wissen?"
„Der Vater des Kindes... Er... Er hat mich misshandelt und wird angeklagt, die Gerichtsverhandlung ist im Mai. Er weiß nicht, dass er Vater wird und ich möchte dass es so bleibt."
„Okay. Zunächst einmal, wovor haben Sie Angst?"
„Dass er das Umgangsrecht einklagt oder noch schlimmer, das Sorgerecht. Ich will nicht, dass mein Kind diesen Schläger sehen muss."
„Das ist verständlich und nachvollziehbar. Niemand kann Sie zwingen den Vater zu informieren, aber... Wollen Sie Ihrem Kind wirklich den Vater vorenthalten?"
„Diesen Vater ja! Ich habe lange überlegt das Kind zur Adoption frei zu geben."
„Und mittlerweile haben Sie sich dagegen entschieden? Warum?"
„Weil es mein Kind ist und weil ich es liebe!", murmelte Jonna und legte die Hände beschützend auf ihren Bauch. „Mein Freund... Er hat angeboten... Er würde... Also... Er möchte gerne, dass ich ihn als Vater angebe."
„Ihr neuer Freund?"
Jonna nickte.
„Er weiß was das bedeutet?"
„Ja, er hat sich das gut überlegt soweit ich das beurteilen kann."
Gudrun räusperte sich. „Nun, ich darf Sie natürlich nicht dazu ermutigen eine Falschaussage zu machen, aber wo kein Kläger, da kein Richter und selbst wenn sich später einmal herausstellt, dass sie wegen der Vaterschaft nicht die Wahrheit gesagt haben, wird es für Sie keine rechtlichen Konsequenzen haben. Schwierig wird es, falls der biologische Vater Zweifel bekommt und eventuell darauf besteht einen Vaterschaftstest zu machen, aber das sehe ich eigentlich als ziemlich unwahrscheinlich an. Die meisten Väter klagen um gegen eine Vaterschaft anzugehen und. Und selbst wenn er irgendwann einmal klagt werden die Richter immer zum Wohl des Kindes entscheiden und meist wird dann dieser Klage nicht stattgegeben. Aber Sie sollten sich gut überlegen, was Sie Ihrem Kind später erzählen, es hat ein Recht auf die Wahrheit und ein Recht darauf im Zweifelsfall kennenzulernen."
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Nachbarn die bellen beißen nicht
FanfictionDer neue Nachbarn scheint direkt aus der Hölle zu kommen. Laut, unfreundlich, nachtaktiv und irgendwie komisch, das findet zumindest Jonna, die nebanan wohnt und sichmit ihm die Schlafzimmerwand teilt.