07. Mai 2019 – Dienstag, 15:04 Uhr
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"Fische sollen diese Woche anscheinend die ideale Möglichkeit haben, ein sexuelles Abenteuer zu erleben. Das heißt, dass du deinen Mr Big innerhalb der nächsten Tage finden wirst."
"Mich verfolgt da ein Déjà vu. Hast du nicht letzte Woche schon genau dasselbe gesagt? Und all die ganzen Wochen davor auch?", fragte ich leise vor mich hinmurmelnd, während ich mit dem in violetter Farbe getauchten Pinsel über die dunkelblaue Leinwand strich. Mehr oder weniger gleichmäßig verteilte ich die dickflüssige Acrylfarbe darauf.
Sienna, die zu meiner rechten Seite an ihrer Staffelei stand, mischte auf der Plastikpalette einige Farben zusammen. Je länger sie den Spachtel zum Mischen nutzte, desto kräftiger trat ein schönes Bordeauxrot hervor. "Oh nein, nein, nein! Die letzten Wochen ging es ja darum, dass du die wahre Liebe finden wirst. Da du dich aber immer geweigert hast, Ausschau zu halten, ist das leider nie eingetroffen ... trotzdem wirst du diese Woche noch, laut Magdalena Maid, eine sexuelle Interaktion mit dem anderen Geschlecht durchführen müssen."
Dass sie gegen Ende des Satzes ihre Stimme absenkte, wunderte mich überhaupt nicht. Sie neigte sich dicht zu meinem Ohr, um die – ihrer Meinung nach – schmutzigen Wörter ausschließlich im Flüsterton über die Lippen zu bringen. Was mich allerdings sehr verwunderte, war, dass sie all das einfach so sagen konnte, ohne dabei ins Stottern zu geraten.
"Gott, Sienna, sag doch einfach Sex, aber bitte nicht sexuelle Interaktion mit dem anderen Geschlecht!", stöhnte ich entgeistert auf, wobei ich sie etwas energischer mit der Schulter wegdrängte. Dann trat ich einen Schritt von meiner Staffelei zurück und legte den Kopf schief, um die Galaxie zu beäugen, die ich mit den Farben versuchte darzustellen. Das heutige Thema der Kunststunde lautete schließlich Universum.
Aus diesem Grund – und auf einigen thematischen Umwegen – sind wir bei dem nun seit einer halben Stunde andauernden Gespräch über Horoskope angelangt. Hefte ihrer Lieblings-Astrophysikerin Magdalena Maid bunkerte Sienna in unzähligen Ausgaben in ihrem Schließfach. Mithilfe dieser gab sie wöchentliche Updates über mein Leben und meiner angeblich aktuellen Gefühlslage. Sie war so naiv und glaubte diesen frei erfundenen Texten blind. Solange sie das jedoch glücklich stimmte, würde ich sie daran auch nicht hindern wollen.
Ich wagte es, einen Blick zur Seite zu werfen, weil ich von Sienna innerhalb der letzten halben Minute kein Lebenszeichen mehr gehört hatte. Ihre Wangen waren vor Scham in ein zartes Rosa verfärbt, als sich auf ihrer Stirn immer mehr empörte Falten bildeten. "N-Nein ... so verdorben bin ich noch nicht."
Verdorben würde ich das zum einen nicht nennen und zum anderen würde dieses scheinbar unschuldige Mädchen irgendwann noch verdorben genug sein, solange unsere beste Freundin Jamie weiterhin mit uns abhing. Schmunzelnd schüttelte ich meine Haare über die Schultern zurück und blinzelte teils hochnäsig, teils einem Anfall ähnelnd in ihre Richtung. "Übrigens bezweifle ich, dass ich diese Woche noch mit jemandem schlafen werde. Weißt du auch warum? Du weißt doch selbst, dass ich fürs Erste die Nase voll von Jungs habe. Sie ziehen mich weder an, noch erregen sie mich auf irgendeiner Art und Weise!"
"Anisa!" Sprachlos schüttelte Sienna den Kopf und dabei auch ihre beiden blonden geflochtenen Zöpfe. Dass ihr diese Themen unfassbar unangenehm waren, wusste ich und genau deshalb redete ich unfassbar gern darüber – nur um sie damit in Verlegenheit zu bringen.
"Ist doch wahr." Ich zuckte mit den Schultern und verpasste nebenbei meiner Galaxie und aus Versehen auch Siennas Leinwand einige gelbe Sprenkel. "Die Frühlingsgefühle sind bei mir halt noch nicht eingetroffen. Nackte Haut und ein schönes Sixpack lösen in mir nichts aus, solange sie Typen angehören, die einen dermaßen widerlichen Charakter haben, dass ich nur kotzen muss, wenn sie sich ausziehen sollten!"
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ASHES ✓
Mystery / Thriller"Tja, wer weiß, was an jenem Abend alles so passiert ist?", fragte er mich und lächelte mich unschuldig an. "Du siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, Anni." Ich legte die Stirn in Falten. "Was -" Ganz vielleicht schenkte ich dem Sprichwort v...