Geweckt von einer nassen Schleimspur auf der Haut verzog ich darunter das Gesicht. Hollys glitschige Zunge gleitete mehrmals über meine Wange. Angewidert drückte ich die Schnauze der Samojedin von mir weg und richtete mich schläfrig auf. So wurde man doch gern geweckt.
Bestimmt hat Dad den Hund in mein Zimmer gelassen, damit er sich nicht meine schlechte Morgenmuffel-Laune antun musste. Wirklich sehr raffiniert von ihm. Widerwillig schwang ich die Beine aus dem Bett und schnappte mir ein paar Klamotten für den heutigen Tag. Da ich mich heute nicht nach einem farbenfrohen Outfit sehnte, würde ich es heute in einem Grauton halten.
Auf mich wartete eine kalte Dusche, die mich zumindest für kurze Zeit etwas wacher machte. Trotzdem schleifte ich meine Beine recht erschöpft ins Wohnzimmer. Dort hatte Dad mal wieder als einziger aller Beteiligten gute Laune und versuchte sie mit einem leckeren Frühstück zu verbreiten.
"Morgen", nuschelte ich und ließ mich auf meinen Stuhl fallen. Gegenüber von mir saß Evie, der das zerknautschte Gesicht jeden Moment einschlafen würde. Von ihr erhielt ich keine Antwort.
"Guten Morgen!" Dad überreichte mir die Milch für mein Müsli. "Ich hoffe, du hast gut geschlafen."
Ich schnaubte. Gut war definitiv etwas anderes. Ashtons Rückkehr an der Schule und die Bekanntgabe von Tristans Freiheit waren zwei der gefühlt unendlichen Faktoren, die mir den Schlaf wahnsinnig erschwerten.
Dad schien wohl einsehen zu wollen – oder zu müssen, dass er seine Töchter um diese Uhrzeit niemals aufheitern könnte. Das mussten wir sicher von Mum geerbt haben, die leider das große Glück hatte, ausschlafen zu dürfen. Ja, die Frauen in diesem Haushalt waren überhaupt keine Morgenmenschen.
Nach dem Leeren meines Müslis ließ ich den Löffel in die Schüssel fallen und lehnte mich gesättigt zurück. Dad nutzte die Initiative und nickte mir zu. "Evie wird dich heute zur Schule fahren. Sie muss sowieso in eine Vorlesung."
Kein Wunder, sie war schon wach. Normalerweise beneidete ich sie darum, dass sie so viel schlafen konnte, wie sie wollte. Einen Moment lang ignorierte ich diese Information, dann fiel der Nagel auf den Kopf. Ich weitete schockiert die Augen. "Nein, nicht Evie!"
"Was soll das denn jetzt heißen?" Meine Schwester funkelte mich vom anderen Ende des Tisches an. Sie war mit Abstand die schlechteste Autofahrerin der Welt – und zwar wirklich!
Verkehrsregeln? Welche Verkehrsregeln? Für sie existierten keine Verkehrsregeln! Zumindest nicht im Straßenverkehr. Zebrastreifen, Ampeln, Vorfahrtsschilder, selbst Einbahnstraßen waren für sie einfach nicht existent. Ich wusste nicht einmal, wie sie mit dieser Einstellung überhaupt ihren Führerschein ergattern konnte.
Aufgebracht ließ ich den Kopf auf die Tischplatte fallen und unterdrückte einen Schrei der Verzweiflung. Ich würde niemals heil an der Schule ankommen!
Trotz meines Widerspruchs saß ich wenige Minuten später in Mums alter Rostkarre auf dem Beifahrersitz und umklammerte den Anschnallgurt mit beiden Händen. Von Evie erntete ich einen weiteren düsteren Blick. "Stell dich nicht so an!"
"Ich wünschte, ich würde mich anstellen", gab ich pampig zurück und verzog das Gesicht, als wir uns in Bewegung setzten. Zuckend fuhren wir durch die Straßen, mein Hinterkopf knallte immer wieder an die Nackenstütze. Andauernd stöhnte ich auf, wenn sie scharf abbremste und ich nur dank meines Sicherheitsgurtes in den Sitz zurückgeworfen wurde.
Da sie Zebrastreifen so generell ignorierte, musste ich zwangsläufig den Passanten entschuldigend zuwinken. Einer brüllte uns irgendetwas hinterher und schwang bereits mit der Faust. Gott, war das unangenehm!
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ASHES ✓
Mystery / Thriller"Tja, wer weiß, was an jenem Abend alles so passiert ist?", fragte er mich und lächelte mich unschuldig an. "Du siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, Anni." Ich legte die Stirn in Falten. "Was -" Ganz vielleicht schenkte ich dem Sprichwort v...