Widerwillig machte ich Mrs Lamours Dehnübungen nach und streckte die Arme über den Kopf. Ich musste mich wirklich beherrschen, mich nicht einfach wie ein trotziges Kleinkind auf den Boden zu setzen und dagegen zu protestieren.
Wenigstens nahm sie in der heutigen Sportstunde Abstand zum Geräteturnen und wollte sich stattdessen wohl eher den Ballsportarten widmen. Hätte sie das an einem anderen Tag gemacht, hätte ich wahrscheinlich Luftsprünge gemacht, doch heute nahm ich nur missmutig den Basketball entgegen, den mir Jamie unter die Nase hielt.
Zunächst sollten wir alle ein bisschen prellen und herumlaufen. Zwischendurch könnten wir versuchen – sie hat wirklich versuchen gesagt – die Körbe zu treffen, sollten uns aber nicht die ganze Zeit wie auf der Mädchentoilette darunter ansammeln.
Ich schlug auf den Ball förmlich ein, sodass er mir immer wieder entwischte und durch die Halle rollte. Gelangweilt schlurfte ich meine Beine hinterher und blickte währenddessen in die andere Hallenhälfte, wo die Jungs heute Fußball spielten. Sie machten auch irgendwie sonst nichts anderes.
Owen dribbelte gerade mit dem Ball zwischen seinen Füßen an Mason vorbei und schoss ihn dann mit enormer Geschwindigkeit in Richtung Tor. Darin stand Jackson, der zur Seite sprang und den Ball scheinbar mit purer Leichtigkeit auffangen konnte.
Er rief Owen irgendetwas zu, das diesen dazu veranlasste, abzuwinken und das Feld zu verlassen. Anscheinend nahm er ihm immer noch das von vorhin übel. Versteht mal einer die Jungs.
Ich entdeckte Nate und Brian, die auch über das Spielfeld jagten und versuchten, dem Sportprofi Kyle den Ball wegzuschnappen. Dieser Junge war nicht nur ein begnadigter Skaterboy, sondern hatte ein Talent für alles, was Sport betraf. Mal ganz abgesehen davon hatte er auch – laut Jamie – ein atemberaubendes Talent mit dem Umgang seiner Zunge und den Lippen.
Im selben Moment holte ich meinen Ball ein und stolperte etwas unachtsam mit den Füßen darüber, sodass ich durch die Luft flog und mit einem lauten Schlag auf dem Hallenboden zum Liegen kam. Mein Aufmerksamkeitsdefizit meldete sich wohl gerade wieder einmal zu Wort.
Stöhnend richtete ich mich auf und fasste mir an die schmerzenden Knie. Dass ich angeschaut wurde, hatte ich bereits erwartet, denn von dem ganzen Krach, den ich bei meinem Sturz gemacht habe, musste bestimmt noch Dad in seinem Diner das Erdbeben gespürt haben.
"Anni, alles okay?", rief Sienna erschrocken aus, die sofort angerannt kam.
Ich nickte nur und stand vom Boden auf. "Ja, ja ... passt schon."
"Das sieht für mich ganz anders aus", merkte Mrs Lamour an und deutete auf meine leicht aufgeschürften Knie. "Sienna, wärst du so lieb und holst etwas zum Kühlen?"
Ähm. Mir wäre ja ein Pflaster lieber, aber Sportlehrer regelten scheinbar alles mit Kühlen.
"Okay!" Sienna legte ihren Ball auf dem Boden ab und rannte so elegant wie immer davon. Dabei hüpften ihre blonden geflochtenen Zöpfe auf und ab und ich stellte mir vor, wie sie erfolgreich bei Baywatch mitspielen könnte. Wenn ich doch nur wüsste, wie ich die Slowmotion starte.
Jamie tauchte auch an meiner Seite auf und verzog das Gesicht. "Ouh ... das war ein harter Sturz, Anni. Wie hast du das denn hingekriegt?"
Ich zuckte mit den Schultern. Ehrlich gesagt, wusste ich das ja auch nicht.
Nach wenigen Minuten kehrte Sienna mit einem Kühlpack und Papiertüchern zurück. Zuerst tupfte ich die zwei Tropfen Blut weg und ließ mir dann das kalte Kissen auf die Knie drücken. Wenn ich jetzt zugeben würde, dass mir eigentlich nichts weh tat – außer wenn man die Stellen an meinen Knien berührte – würde mir das ja sowieso niemand abkaufen.
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ASHES ✓
Mystery / Thriller"Tja, wer weiß, was an jenem Abend alles so passiert ist?", fragte er mich und lächelte mich unschuldig an. "Du siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, Anni." Ich legte die Stirn in Falten. "Was -" Ganz vielleicht schenkte ich dem Sprichwort v...