27 || Die Neugier siegte über meinen Verstand

55 7 9
                                    

Auf der Rückkehr habe ich mich im Bus neben Sienna gesetzt, die mittlerweile richtige Panik auf Masons Anwesenheit schob. Ich habe versucht, sie mit lieben Worten zu beruhigen. Nur starrte sie viel lieber aus dem Fenster und versuchte dadurch ihre gemischte Gefühlslage zu kontrollieren.

Ich behielt im Hinterkopf die Tatsache, dass Owen mit hundertprozentiger Sicherheit von meinem Aufenthalt bei Tristan wusste. Mein Kleid musste er im Badezimmer gefunden haben, nachdem ich es dort aus Versehen liegen gelassen hatte. Theoretisch könnte es jedem Mädchen gehören. Zu allem Übel habe ich dieses verflixte Kleid letztes Jahr auf das Schulfest angezogen, wo ich mit Owen gemeinsam hingegangen bin.

Während der Heimfahrt drehte ich den Kopf über die Schulter. Niemand geringeres als Tristan fiel mir dabei ins Auge. Er hatte sich wieder nach ganz hintern gesetzt, sich breit gemacht und schlief. Ich konnte mir überhaupt nicht mehr vorstellen, ihn so beängstigend anzusehen. Mittlerweile hatte er den Eindruck auf mich, wie ein riesiger Teddybär.

Bloß machte ich mir immer noch schuldbewusste Gedanken über die vorherige Situation. Plötzlich hatte er so negativ auf mich reagiert, wollte nichts mehr mit mir zu tun haben und ist einfach abgehauen. Dass er kein perfektes Leben hatte, wusste ich ja. Wahrscheinlich war hinter dieser steinharten Fassade einfach noch mehr, als nur dieser Brand, all die Beschuldigungen und die Zeit im Knast. Es musste einfach noch mehr geben.

Zuhause erwartete mich ein köstliches Abendessen, das selbstverständlich von Dad höchstpersönlich zubereitet worden ist. Ich stocherte allerdings eher lustlos in dem Essen herum, das ich normalerweise herunterschlingen würde. Gerade hatte ich überhaupt keinen Appetit.

Die Geheimnistuerei von Owen und Brian, Ashtons Abneigung, Tristans unerwarteter Charakter und dann noch dieses Gespräch von den beiden Mitgliedern der Tanzcrew waren einfach zu viel für mich. Die Hälfte davon sollte mich eigentlich nichts angehen und keineswegs interessieren, doch leider tat sie es trotzdem.

Ich hatte das Bedürfnis, herausfinden zu wollen, warum Owen mit seinem Kumpel andauernd scheinbar geheime Gespräche führen musste. Ich wollte wissen, was Tristans wahre Geschichte war. Und ich wollte auch herausfinden, welches Mädchen und welcher Junge Angst vor der Polizei hatten.

"Alles in Ordnung? Du isst ja nichts", merkte Mum in einem besorgten Ton an, während sie mir sanft über den Arm strich. "Hast du denn keinen Hunger?"

Ich schob meinen Teller zurück, auf dem ich lediglich die Nudeln mit der Soße vermischt hatte. "Nein, ich ... ich bin noch ziemlich voll."

Meine Eltern tauschten untereinander irritierte Blicke aus, nickten mir aber dann voller Verständnis zu. Ich räusperte mich und erhob mich von meinem Stuhl, weil ich nicht länger auf der Lüge herumsitzen konnte. Stattdessen verließ ich das Wohnzimmer und verschwand in meinem Zimmer. Kaum war die Tür geschlossen, knurrte mein Magen.

Als hätte ich einen Plan schlüpfte ich in eine bequemere Hose als die Jeans und streifte mir eine Jacke über. Ich band die Haare zu einem Zopf zusammen und suchte dann nach meinen Sneakers, ehe ich ins Wohnzimmer zurückkehrte.

"Gehst du feiern oder was hast du vor?", fragte mich Evie mit vollem Mund. Sie kaute auf ihrer Portion herum und musterte mich von Kopf bis Fuß.

"Ich geh mit Holly raus." Zur Bestätigung hielt ich die Leine in die Höhe, wodurch ich den Hund zu mir locken konnte. Meine ganze Familie schien sich wirklich zu wundern, seit wann ich denn so willentlich war, mit Holly Gassi zu gehen. Ich wunderte mich ja auch, aber ich musste dringend hier raus.

Ohne noch weitere großartige Worte darüber zu verlieren, knipste ich die Leine an Hollys Halsband und floh mit ihr zusammen aus dem Haus. Ich hatte keinen genauen Plan wohin wir gehen würden. Um ehrlich zu sein, wollte ich einfach nur frische Luft schnappen.

ASHES ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt