57 || Freunde sind füreinander da

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Hätte mich die Polizei mit dem Tempo in den Straßen von Martinsville erwischt, hätten sie mich mit Sicherheit angehalten und mir den Führerschein entzogen. Zum Glück kam ich da gerade noch herum. Der Wagen flog gefährlich um die Kurven, doch ich hatte keine Zeit, um mir darüber Sorgen zu machen.

Endlich in der richtigen Straße angekommen, visierte ich die Einfahrt des großen Gebäudes an. Die Bremse trat ich durch und hielt scharf davor an. Owens Auto stand quer vor der Garage, als hätte er es letzte Nacht auch ziemlich eilig gehabt, hierherzukommen.

Ich löste den Anschnallgurt mit flinken Fingern. Bevor ich die Tür aufwarf, blickte ich über die Schulter zu Ashton. "Bist du dir immer noch sicher? Willst du da rein?"

"Denke schon", sagte er ziemlich unentschlossen und hob die Schultern an. Auch ich wurde von der Unsicherheit der aktuellen Lage geplagt. Tief durchatmend stieg ich aus Phils Auto aus.

Ohne noch länger Zeit zu verschwenden, lief ich schnellen Schrittes auf die offen stehende Haustür zu. Schon vor der Türschwelle aus konnte ich das Gebrüll von drinnen wahrnehmen. Tristan und Owen mussten sich wohl gegenseitig anschreien. Eingeschüchtert rannte ich in das Haus und sah mich hektisch um.

Im Wohnzimmer herrschte das totale Chaos. Überall lagen zerbrochene Gläser und verstreute Magazine und Zeitungen herum und irgendetwas ist in tausend Stücke zerschmettert worden – es war nicht mehr wiederzuerkennen. Außerdem hat sich eine Flüssigkeit auf dem Boden ausgebreitet. Dem Geruch nach zu urteilen, musste es sich um Wein handeln. Das bestätigte auch das leergeräumte Weinregal.

Es wirkte so, als hätte hier der heftigste Tornado aller Zeiten gewütet. Und dieser Tornado war niemand geringeres als Owen.

"Oh Gott", war alles, was ich zu diesem Anblick herausbringen konnte. Um mir nicht länger Gedanken darüberzumachen, wandte ich mich von dem Chaos ab.

Ashton stand am Fuß der Treppe und sah wie gebannt nach oben. Ohne Weiteres eilte er die Stufen hinauf in den ersten Stock. Ich brauchte einen Moment, bis ich ihm hinterher sprintete. Von dort oben kam auch das Geschrei her, das sich mit anderem polternden Lärm abwechselte.

"Fuck, hör doch auf damit!" Tristans wütende Stimme war aus einem der Räume zu hören. Ashton wollte die Tür aufreißen, aber sie war zu allem Übel abgeschlossen. Mit beiden Händen umklammerte er die Klinke und rüttelte hoffnungsvoll daran. Doch sie blieb verschlossen.

Ich schlug mit beiden Fäusten dagegen. "Tristan! Bist du da drin?"

"Anisa!", wurde mir geantwortet. Tristan klopfte von innen auch gegen die Tür. "Wir sind hier drin!"

Demnach war Owen mit ihm darin eingesperrt. Ich rüttelte nun auch angestrengt an der Klinke. "Mach auf!"

"Er hat den Schlüssel aus dem Fenster geworfen!"

Ratlos sah ich Ashton von der Seite an. Er versuchte sie, allein mit seinen Blicken aufzureißen, woran er jedoch – überraschenderweise – kläglich scheiterte. Ich schob ihn zur Seite und biss die Zähne zusammen, um mich schwungvoll dagegen zu werfen. Mehr als lautes Rumpeln und ziehende Schmerzen an meiner Schulter verursachte ich dadurch nicht.

Ächzend rieb ich über meinen Arm, der morgen sicher von blauen Flecken bestückt sein würde, und wagte einen weiteren Versuch. Nichts tat sich. Die Tür blieb fest in den Angeln.

"Owen, leg das gefälligst weg!"

Resigniert ließ ich den Kopf hängen und wollte bei Ashton nach Rat suchen. "Was sollen wir tun? Den Schlüssel finden wir im Garten doch nie!"

"Ich höre erst auf, wenn all das hier niedergebrannt ist!", hörte ich Owen mit einem beängstigenden Selbstbewusstsein sagen. "Und das bedeutet, dass du und ich gemeinsam hier drin sterben werden, Tristan."

ASHES ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt