17 || Südländer. Das Beuteschema.

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Irgendwelche undefinierbaren Geräusche von mir gebend, wich ich einen Schritt von Tristan zurück und schüttelte überfordert den Kopf. Hatte ich noch Zeit wegzurennen? Konnte ich meinem Tod noch entkommen? War es bereits zu spät?

Stöhnend ging er vor mir in die Hocke und sammelte meine Papiere, den Block und auch mein Handy auf. Nach einigen Sekunden erhob er sich wieder und streckte mir all das entgegen. Ehrfürchtig schluckte ich den Kloß an Panik herunter und hob meine zitternde Hand an.

Ich näherte mich dem Stapel meiner Habseligkeiten und hielt wenige Zentimeter davor nochmals inne. Angsterfüllt sah ich erneut in seine Augen, die mein Gesicht umkreisten und sich verengten, als er wohl feststellte, dass ich gegen einen weiteren Heulkrampf ankämpfte.

Seinen Kopf brachte er in eine leichte Schieflage, während er den Blick weiterhin über meine Haut wandern ließ. Scannte er jetzt etwa meinen Körper ab, um herauszufinden, an welcher Stelle er den perfekten Schlag für einen sofortigen Tod ansetzen könnte? Meine Hand zuckte zurück und ich schlang beide Arme um meinen Körper.

Scheiße, scheiße ... wo war Owen, wenn man ihn mal brauchte?

Sichtlich genervt hob sich seine Augenbraue an. "Nimmst du das jetzt oder nicht?"

Das war eine Falle. Definitiv. Wenn ich nach meinen Sachen greife, wird er mir dann mit einer geschickten Bewegung den Arm brechen können. Ich würde nur schon gerne mein Handy wieder haben, bevor ich die Flucht ergreifen sollte. Verzweifelt stand ich wie ein stocksteifes Brett vor ihm und wusste nicht so recht, was ich jetzt tun sollte.

"Meine Fresse ..." Der dunkle Tonfall fiel genauso dumpf wie der Stapel meiner Gegenstände, die alle perfekt vor meinen Füßen landeten. Ohne auch nur ein weiteres Wort zu verlieren, ging er an mir vorbei.

Obwohl ich eine riesige Angst vor ihm hatte, für die ich doch nichts konnte, brachte ich all das hier nicht übers Herz. Tristan wurde von allen Schülern ängstlich angestarrt und ich wollte eigentlich nicht auch zu diesen Schülern gehören. All das hier machte ich ja auch nicht mit purer Absicht. Daher riss ich mich irgendwie zusammen und erhob die schwache Stimme. "D-Danke!"

Neben einigen Schülern drehte auch er seinen Kopf über die Schulter. Ich erhielt ein Nicken als Antwort, während er weiter ging und ihm jeder den Weg freiräumte. Tief im Inneren hatte ich das Gefühl, dass alle Unrecht haben könnten. Tristan war vielleicht gar nicht so gefährlich, wie jeder ihn einschätzte. Vielleicht aber auch doch ... oh mann, ich hatte doch keine Ahnung!

"Ist nur mir so heiß oder euch auch?", fragte Jamie perplex, die nun neben mir stand und Tristan auch hinterherschaute. "Wenn er nur nicht so furchteinflößend wäre ... ich meine, er ist verdammt heiß, keine Frage!"

Sienna ging in die Hocke und hob all meine Sachen auf, um sie mir dann in die Hände zu drücken. "Ich glaube, dass er sich bessern und die Vergangenheit hinter sich lassen möchte. Bestimmt steht er noch unter polizeilicher Beobachtung oder sowas. Gutes Benehmen heißt gutes Wort beim Richter. Ich wünschte, ich würde sein Sternzeichen kennen, dann würden wir sicher noch mehr über ihn rauskriegen."

"Ja, sicher ..." Jamie schüttelte skeptisch den Kopf und biss energisch von ihrem Schokoriegel ab. Nachdem sie das Stück heruntergeschluckt hat, wandte sie sich wieder an mich. "Was ist denn los mit dir?"

Ich ließ mir die Haare vor das Gesicht fallen und fuhr mit der Hand mehrmals über meine Augen. Ich wusste es doch selbst nicht ...

* * *

Nachdem ich mich von Jamie und Sienna für ihr Tanztraining verabschiedet hatte, spazierte ich durch den angenehm frischen Wind. Dem grauen Himmel nach zu urteilen, würde heute sicher noch ein Sturm aufziehen. Das Auto habe ich heute ja leider an Evie abtreten müssen, weshalb ich jetzt zu Fuß nach Hause gehen durfte. Das einzig gute daran war, dass mein Lieblingscafé dadurch viel leichter zu erreichen war.

ASHES ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt