30 || In den interessanten Teil des Abends übergehen

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Ohne es absichtlich zu wollen, habe ich Brian gerade eben vor Augen geführt, dass seine leiblichen Eltern ihn abgestoßen hatten und ihn nicht lieben konnten. Er ist bei einer anderen Familie groß geworden. Das schien er bis heute nicht verarbeiten können. Selbst wenn ich gewusst hätte, dass er adoptiert ist – und selbst wenn er nicht adoptiert worden wäre, hätte ich das nicht sagen dürfen. Meine Beleidigung ist ja so dumm und verdammt rücksichtslos gewesen.

"Es tut mir ja so leid", flüsterte ich schockiert und schüttelte mit dem Kopf, als ich schuldbewusst zu Brian blickte. "Ich, ich ... ich wollte das nicht. Wirklich nicht!"

Brian fasste mit dem Handrücken unter seine Nase, aus der das Blut drang. Dann senkte er den Kopf und stieß seinen Stuhl beim Aufstehen quietschend zurück. Alle schauten ihn erschrocken an. Er wandte sich ohne Weiteres von uns ab. Ich konnte hören, wie er beim Umdrehen leise aufschluchzte und sah, dass seine Schultern immer stärker bebten.

Jeder einzelne Schüler im Klassenraum und auch Mrs Cansel, die gerade in den Raum hineintrat, starrten ihm sprachlos hinterher. Brian hat noch nie vor den Augen anderer geweint. Die Jungs der Top-Fünf vergossen für gewöhnlich keine Tränen, als wären ihre Gefühle aus Stahl.

"Sag ihm bitte, dass es mir leidtut!", stotterte ich und schaute Owen flehend an, der mir weiterhin seine finstersten Blicke schenkte. "Ich bitte dich nie um etwas, aber das ist doch nicht meine Absicht gewesen! Ich wollte nicht so gemein zu ihm sein! Ich wollte nicht so etwas Fieses sagen, dass es ihn verletzt!"

"Das. Kannst. Du. Knicken", antwortete Owen betont und sah mich ein letztes Mal mit einem tötenden Blick an, bevor er seinem Freund dann hinterherging. Brian erreichte den Ausgang des Zimmers und stieß die Tür energisch auf, die von Owen lautstark wieder zugeknallt wurde.

Bedrückt starrte ich auf die verschlossene Tür und spürte, wie das Herz in meiner Brust zerschmetterte. Auch wenn ich Brian nicht leiden konnte und ihm für seine Anmerkungen gegen Ashton liebend gerne jede Beleidigung, die auf diesem Planeten existierte, ins Gesicht pfeffern wollte, ist es niemals meine Absicht gewesen, seine Gefühle so zu verletzen.

Das bewies, dass manchmal nur ein paar unachtsame Worte ausreichten, um das Leben eines Menschen zu zerstören.

"Was ist mit dem los?", fragte Kyle leise und schaute mich nachdenklich an. "Was hast du angestellt?"

Ich hob die Schultern an und kam erst gar nicht dazu, ihm darauf zu antworten. Denn nun funkelte mich auch Tessa von der Seite an. "Du bist einfach nur dämlich."

Sie folgte den beiden Jungs aus dem Klassenraum. Mrs Cansel konnte sie nicht aufhalten, da war sie auch schon verschwunden. Mit hängenden Schultern versank ich unter dem Tisch. Ich schlang beide Arme um meinen Körper und wünschte mir eine warme Umarmung herbei. Leider waren meine Freundinnen nicht an meiner Seite, damit ich mich bei ihnen ausheulen konnte.

Mir war echt auch nach Heulen zumute, aber ich konnte mich gerade noch beherrschen nicht in Tränen auszubrechen. Konnte ich eigentlich überhaupt irgendetwas richtig machen?

Der Tag hatte ganz gut angefangen und schon wieder wuchs der Selbsthass in mir ins Unermessliche. Ich hätte ja mit allem gerechnet, das mir den Tag versauen konnte, aber nicht damit, dass es meine eigene Schuld war.

Ich müsste mich irgendwie bei Brian entschuldigen, auch wenn sich das als äußerst schwierig herausstellen würde. Nur meinetwegen hat er vor allen Schülern angefangen zu weinen und nur meinetwegen wurde er an seine Kindheit erinnert, an die er sich wohl nicht auf positiver Art zurückerinnern wollte.

Ich bin ein furchtbarer Mensch.

Mrs Cansel begann trotz allem mit dem Unterricht. Ich konnte es mir nicht nehmen lassen, über die Schulter zu schauen. Tristan erwiderte den Blick starr und senkte ihn sofort wieder. Keiner hatte damit gerechnet, dass Brian dieses Geheimnis vor der ganzen Schule verbergen wollte. Auch er nicht.

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