34 || Nur ein Kuss

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Tristan legte sich nun die Flasche an seine Lippen. "Du meinst wohl Ashton."

Ich war mir nicht sicher, ob es jetzt in Ordnung wäre, wenn ich über ihn sprechen würde. Wenn ich schon meinen besten Freundinnen nicht von meinen Gefühlen für Ashton erzählen konnte, musste ich mich irgendjemand anderem anvertrauen.

"Ja", krächzte ich und schlang bei dem frischen Wind die Arme um meinen Körper. "Mir war klar, dass er nicht hierherkommen würde, aber irgendwie ... ich habe es irgendwie gehofft."

Tristan legte seinen Arm um mich und rieb mit der Hand über meine frierende Haut. Ich würde ihn gerne nach einer Jacke fragen, doch er trug auch bloß ein Hemd und ich wollte ihn jetzt nicht unbedingt entblößen. Zumindest nicht hier.

"Er hasst Menschen", erwiderte er schmunzelnd. "Ist ja auch verständlich. Sie sind alle so ätzend."

Seine Umarmung erwärmte mich tatsächlich und die Gänsehaut verschwand allmählich wieder. Ich lehnte den Kopf an seiner Schulter an. "Ich habe gehofft, dass er mir alles verzeihen kann, aber das wird er nie."

In diesem Moment fingen meine Augen an zu brennen. Mein Blickfeld verschwamm ein wenig und ich spürte, wie sich die ersten Tränen aus meinen Augenwinkeln befreiten. Sofort wischte ich sie mit dem Handrücken weg und drehte den Kopf zur Seite, damit Tristan nicht sah wie ich weinte.

Nur schien er es direkt gemerkt zu haben und stellte die Flasche auf der Mauer ab, um sich dann vor mich zu stellen. Seine Hände lagen an meinen Oberarmen und hielten mich fest, als würde er mich dazu zwingen, ihm in die Augen zu sehen.

"Das wird wieder. Ashton besucht einen Psychologen und der wird ihm weiterhelfen", erklärte er mir in einer ruhigeren Tonlage. Ich schüttelte nur den Kopf und schaute zu ihm auf. Als er die Tränen an meinen Wangen erblickte, seufzte er und tupfte sie vorsichtig mit dem Ärmel seines Hemds weg. Dass dabei etwas Make-up auf dem weißen Stoff zurückblieb, brachte mich irgendwie zum Grinsen.

Tristan stieß ein weiteres Seufzen aus und schnappte sich wieder die Flasche, um einen Schluck daraus zu nehmen. Dann gab er sie an mich weiter. "Ich habe ihm übrigens gesagt, dass er mitkommen soll, aber er wollte nicht."

"Du, du hast mit ihm geredet?" Ungläubig schaute ich ihn an und war davon so überrascht, dass mir beinahe der Flaschenhals aus den Fingern gerutscht wäre.

"Kann sein, dass ich dich angelogen habe." Tristan fuhr sich durch das dunkle Haar und wich meinen Blicken aus. "Ich mache mir ernsthafte Sorgen um Ashton. Ich versuche auf ihn zuzugehen, aber er lehnt jede Hilfe ab."

Darauf musste ich auch erstmal was trinken und wieder rümpfte ich die Nase und verzerrte das Gesicht. Ich konnte nicht glauben, was er da sagte. Eigentlich habe ich immer gedacht, dass sie sich weitestgehend aus dem Weg gingen. In Wahrheit merkte auch Tristan, wie schlecht es dem Jungen ging und dass er dringend Hilfe bräuchte.

"Redet Ashton auch mit dir?", hakte ich nach.

Er schüttelte den Kopf. "Meistens antwortet er mir gar nicht erst. Und wenn, dann nur, dass er allein sein will. Ihm tut das nicht gut ... diese Einsamkeit."

Und wieder stiegen mir Tränen in die Augen, bevor ich die Flasche ihm dann sicherheitshalber in die Hände drückte. "Ich vermisse ihn."

Tristan schlang seine Arme um meinen Körper und umarmte mich fest. "Ich weiß."

Wir standen eine halbe Ewigkeit einfach nur da und ich ließ diese warme Umarmung über mich ergehen. Nur meine Beine zitterten vor Kälte, aber ansonsten wärmte sich mein ganzer Körper von innen heraus auf.

Die Tränen waren getrocknet und ich konnte mich beruhigen. Trotzdem gab ich Tristan nicht Bescheid, dass ich mich besser fühlte. Ich wollte nämlich noch eine ganze Weile länger in seinen Armen stehen.

ASHES ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt