51 || Natürlich verstehe ich das nicht

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Für mich war es eine regelrechte Überwindung, mich am Montagmorgen aus dem Bett zu erheben – anders als an jedem anderen Montag. Es war eine Überwindung der Art, dass ich in die Schule gehen müsste und dort auf all die Menschen treffen würde, denen ich nicht unbedingt unter die Augen treten wollte. Bloß wollte mir Dad leider kein schweres Fieber abkaufen.

Missmutig starrte ich am Frühstückstisch das Müsli an. Ich hatte überhaupt keinen Appetit und würde davon keinen Bissen herunterkriegen. Mit hängenden Schultern visierte ich die spärlich gefüllte Schüssel an und musste gegen den Drang ankämpfen, mich jeden Augenblick übergeben zu müssen.

"In letzter Zeit hast du immer weniger Hunger", stellte Dad nachdenklich fest und setzte sich mit seiner morgendlichen Tasse Kaffee auch an den Esstisch. Während ich mich gegen mein Frühstück weigerte, schlang Evie ihres förmlich herunter. Kaum zu glauben, dass sie um diese Uhrzeit mal ausnahmsweise wacher war als ich.

"Sie will noch mehr abnehmen", warf sie ein – so ein Engel wie sie nun mal war. Dafür kassierte sie von mir einen düsteren Blick, den sie augenrollend entgegennahm und sich einen weiteren vollen Löffel in den Mund steckte.

Dad stellte seine Tasse seufzend ab und legte seinen Kopf schief. "Anisa, du triffst dich doch nicht wieder mit diesem Jungen? Gibt es den überhaupt noch? Wie war doch gleich sein Name ... Ashton?"

Da war sie. Die Ansprache, auf die ich die ganze Zeit schon gewartet habe. Ich habe irgendwann nicht mehr mitgezählt, wie oft meine Eltern mir damals zugeredet haben, Abstand zu Ashton zu halten, als er in die Klinik gebracht worden ist. Sie haben von schlechtem Einfluss gesprochen, dass er negative Auswirkungen auf meine Psyche haben könnte.

Die einzigen negativen Auswirkungen waren die Standpauken meiner Eltern. Sie haben mir versucht auszureden, ihm Besuche abzustatten. Wenn die wüssten, dass ich mich sogar daran gehalten habe und stattdessen Owen getroffen habe.

Nur weil sich mein Körper gerade ein wenig veränderte und ich zurzeit ziemlich beschissen aussah, da ich kaum Schlaf abbekam, bedeutete das doch nicht gleich, dass ich am Boden zerstört war – und es mit Ashton zusammenhängen musste. Natürlich ging es mir überhaupt nicht gut und das gab ich auch zu. Bloß war mein Leiden nicht auch nur ansatzweise mit seinem zu vergleichen.

"Anisa, ich rede mit dir." Dad umfasste die Tasse mit seiner Hand und sah mich erwartungsvoll an. "Tust du oder tust du nicht?"

"Ich liebe Ashton", flüsterte ich in den Raum hinein. Innerlich erhoffte ich mir, dass meine leise zerbrechliche Stimme mit dem Wind durch das offene Küchenfenster fortgetragen wurde. Bloß legte sich dann eine eisige Kälte über meine Haut. Dad hat deutlich verstanden, was ich gesagt habe.

"Was sagst du da?" Vorwurfsvoll und ungläubig beugte er sich über den Tisch. "Was hast du gesagt?"

"Ich liebe ihn", wiederholte ich etwas lauter und schaute ihn diesmal direkt an. "Ich liebe ihn!"

"Du triffst dich also mit ihm. Das erklärt so einiges ... das ist keine Liebe!", wehrte er erzürnt ab und schlug beide Hände auf den Tisch. Holly, die zuvor friedlich in ihrem Körbchen geruht hatte, schreckte jaulend in die Höhe. "Ich verbiete es dir, dich weiterhin mit ihm zu treffen. Wenn ich erfahre, dass er sich in deinem näheren Umfeld aufhält, wirst du mit Konsequenzen rechnen müssen!"

"Das kannst du nicht machen!" Ich sprang entrüstet von meinem Stuhl auf, der dabei mit einem lauten Krachen umkippte. "Er hat mir nichts getan und würde mir auch nie etwas antun!"

Doch er ignorierte meine Worte. "Außerdem erhältst du Hausarrest! Für die nächsten zwei Wochen!"

"Ist das dein scheiß Ernst? Ich bin verdammt nochmal 18 Jahre alt! Ich brauche keinen Hausarrest!", fauchte ich ihn mit Tränen in den Augen an. Die Wut und der Hass kochten in mir auf, erhitzten meine Haut und brachten das Feuer in meiner Brust zum Brodeln.

ASHES ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt