5 || Liebst du ihn immer noch?

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Wie sich am folgenden Tag herausstellte, war Brians Nase tatsächlich nicht gebrochen. Zumindest war sie kein Stück angeschwollen und er wirkte auch überhaupt nicht so, als würde er Schmerzen erleiden müssen. Warum sie dann so ein Drama daraus gemacht haben, verstand ich auch wieder nicht.

Wie auch immer. Englisch stand auf dem Plan.

Eigentlich freute ich mich immer auf die Englischkurse, weil ich dann meine Ruhe vor Sienna und Jamie hatte. Zwischendurch konnte ich nämlich echt eine ruhigere Stunde vertragen, wenn Jamie mal wieder die übliche Quasselstrippe war – was eigentlich tagtäglich der Fall sein musste.

Doch heute verabschiedete ich mich von ihnen nur ungern und mit einem extremst flauen Gefühl im Magen, denn sie würden leider mit Spanisch beschäftigt sein. Ausgerechnet jetzt würden auch zwei der fünf Jungs aus der Clique in meinem Kurs sein – und auf die hatte ich gerade um diese Uhrzeit absolut keine Lust.

Beim Betreten des Klassenzimmers steuerte ich meinen üblichen Platz neben Tessa an. Sie hatte sich gelassen auf ihrem Stuhl zurückgelehnt und kaute gelangweilt auf ihrem Kaugummi herum. Ich warf ihr ein knappes Lächeln zu, worauf sie nur ihre Augenbrauen anhob.

"Und? Stimmen die Gerüchte?", erkundigte sie sich bei mir und musterte mich von der Seite. Sie beugte sich etwas vor und stützte den Kopf auf ihrer Hand ab, um mich genauer anschauen zu können.

"Gerüchte? Welche Gerüchte denn?", stellte ich eine verwunderte Gegenfrage, die einen Hauch von Sarkasmus beinhaltete. Was auch immer sie über mich gehört haben sollte, konnte definitiv nicht wahr sein.

"Na, dass du das Haus abgefackelt hast." Tessa kaute schmatzend auf dem Kaugummi herum und blies eine kleine Blase, die sofort wieder zerplatzte. Eigentlich mochte ich das Mädchen total, weil sie so tiefenentspannt wirkte und ihr so ziemlich alles vollkommen egal war.

Wie kam sie jetzt aber bitte darauf, dass ich der Täter für den Brand sein sollte?

Anscheinend musste auch sie mitgekriegt haben, dass Tristan womöglich bald für unschuldig erklärt werden könnte. Selbst wenn sie es nicht gerade beabsichtigte, regte mich diese Frage heute übertrieben auf. Damit sie nicht weiter nachhakte, wandte ich mich an sie und sah ihr todernst in die Augen. "Nein, habe ich nicht."

"Ok." Sie nickte nur und lehnte sich wieder zurück. Gott, ich danke dir, dass sich dieses Mädchen so einfach abwimmeln ließ!

"Das sehe ich ganz anders." Brian blieb vor unserem Tisch stehen und legte den Kopf schief, als er hämisch grinsend zu mir hinunterblickte. "Anisa, gibs doch einfach zu und das Problem ist geklärt!"

Er beschuldigte mich gerade offen und ehrlich vor der ganzen Klasse als die offizielle Täterin jenes Abends. Ich verschränkte stur die Arme vor der Brust und glaubte nicht, was ich da hörte. Was erlaubte sich dieser Junge eigentlich? Dass ich ihm gestern mein Kühlpack gegeben und mein Mitgefühl gezeigt habe, schien er total vergessen zu haben.

"Das ist ja mal sowas von unrealistisch!", zickte ich ihn an und streckte gelassen die Beine aus. "Ich bin die ganze Zeit bei Owen gewesen und deinem allerbesten Freund wirst du doch sicher glauben können oder ist dir das etwa nicht vertrauensvoll genug?"

"Sie ist wirklich bei mir gewesen", fügte Owen murmelnd hinzu, der sich an Brian vorbeiquetschte und sich auf dem Platz vor mir niederließ. "Den ganzen Abend lang."

Irgendwie hinterließ er in der Luft eine Spur, die mir beweisen konnte, dass bei ihm irgendetwas nicht in Ordnung war. Was ist, wenn Tristan wirklich schon längst draußen ist und Owen das vor allen verheimlicht? Da er mit Tristan in einem Haus überleben musste, hat er vielleicht eine Tracht Prügel von seinem Stiefbruder erhalten. Schließlich hat Owen ja wie alle anderen auch gegen ihn ausgesagt und dafür gesorgt, dass er eingesperrt wird.

ASHES ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt