Tessa ließ langsam ihre Hände sinken und steckte den Geldschein rasch in ihren BH. Den Geldbeutel ließ sie zeitgleich auf die Bank plumpsen. "Du hast nichts gesehen!"
"Du hast gerade aus dem Geldbeutel meiner besten Freundin 50 Dollars geklaut. Natürlich habe ich das gesehen!" Fordernd streckte ich die Hand aus. "Gib es zurück!"
Tessa starrte auf meine leere Handfläche und blickte dann zu mir auf. Sie schüttelte den Kopf, ihre Ohrringe klirrten dabei aneinander. Stück für Stück wich sie von mir zurück. "Ich, ich kann nicht."
"Warum nicht? Gib es her oder ich hol es mir!" Drohend kniff ich die Augen zusammen und streckte die Brust heraus. Möglichst selbstsicher stand ich vor ihr und erwartete die entsprechende Gegenleistung.
Selbstverständlich habe ich im Hinterkopf behalten, was Brian über Tessa erzählt hatte. Sie lebte völlig allein in einem Jugendheim, weil das Leben bei ihrer eigenen Familie für sie nicht möglich war. Außerdem hatte sie nicht genügend Geld, weshalb er ihr ab und zu welches geben würde. Trotzdem rechtfertigte das überhaupt nicht, warum sie sich gerade daran machen wollte, etwas aus Jamies Geldbeutel zu stehlen.
"Ich brauch das Geld!"
"Brian hat mir von deinem Leben erzählt, Tessa. Ich weiß, dass du es nicht leicht hast", redete ich ruhig auf sie ein und näherte mich ihr vorsichtig. "Du darfst so etwas trotzdem nicht tun. Gibt der Staat dir denn keine Hilfe?"
Tessas Unterlippe begann auf einmal zu zittern. "Was denkt du, was ich schon alles versucht habe? Die meinen, das Jugendheim wäre Hilfe genug. Ich könnte ja bei meiner Familie leben, dort habe ich sogar noch ein Zimmer ... aber ich kann das nicht! Ich will nicht zurück zu diesen widerlichen Menschen."
Tessas Lebensgeschichte kannte ich nicht. Wenn sie ihre Familie jedoch so sehr hasste, dass sie nicht einmal mehr bei ihnen wohnen möchte, musste eine Menge dahinterstecken. Mitfühlend blieb ich vor ihr stehen und nahm ihre Hände in meine. Ich spürte das kalte Metall all ihrer Ringe auf meiner Haut, als ich sanft zudrückte. "Und was ist mit Brian? Sein Vater lebt doch in einer riesigen Villa. Da ist doch bestimmt noch ein Gästezimmer für dich übrig."
"Sein Vater ... dieser Mann ist so ein Arsch. Er hat mir nicht einmal erlaubt, das Haus zu betreten. Ich darf Brian nicht einmal besuchen kommen, weil er so viel Wert auf seinen guten Ruf als Bürgermeister legt. Ich komme ja aus keiner guten Familie", erzählte sie mir vollkommen aufgelöst und kam den Tränen immer näher. "Brian gibt mir Geld. Weil sein Vater aber immer seine Ausgaben im Visier hat, sind es nur winzige Beträge. Normalerweise kauft Brian alles mit Karte und wenn er ein paar hundert Dollars einfach abhebt, ist das verdammt auffällig ... und diese kleinen Beträge reichen einfach nicht."
Ich schwieg weiterhin und hörte ihr einfach nur zu. Tessas Augen waren mit Tränen gefüllt. "Einmal hat Veronicas Geldbeutel offen herumgelegen. Ich hab die Chance genutzt und ein paar Münzen herausgenommen. Danach habe ich versucht, zu schnorren wo ich nur kann. Immer bitte ich Claire, etwas für mich zu zahlen und ich verspreche ihr jedes Mal, es ihr zurückzugeben ... habe ich bis heute nicht getan. Ich will gar nicht wissen, wie viele Schulden ich bei ihr habe. Nicht nur bei ihr, auch bei anderen. Ich habe so oft während des Trainings von den Mitgliedern Geld genommen. Irgendwann war es nicht mehr nur noch Geld, sondern alles mögliche, was ich eben gebraucht habe. Von Siennas Sportschuhen habe ich die Schnürsenkel genommen, weil meine kaputt waren. Aus deinem Schließfach habe ich Tampons und Schmerztabletten genommen, weil ich mir keine leisten konnte ... bitte glaub mir, ich will das alles doch auch nicht!"
"Ich weiß ... hey Tessa, alles gut." Ich hielt das schluchzende Mädchen fest in den Armen und strich ihr das schwarze Haar aus dem mit Tränen überströmten Gesicht. "Wir können gemeinsam eine Lösung finden. Vielleicht gibt es auch von der Schule aus Fördergelder, wir könnten Kuchen backen und verkaufen oder wie suchen dir einen Job ... wir finden etwas. Dann musst du all das nicht mehr tun, okay?"
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ASHES ✓
Mystery / Thriller"Tja, wer weiß, was an jenem Abend alles so passiert ist?", fragte er mich und lächelte mich unschuldig an. "Du siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, Anni." Ich legte die Stirn in Falten. "Was -" Ganz vielleicht schenkte ich dem Sprichwort v...