Noch als sie sich durch das nächste Gitter in den Tunnel zwängten und die Dunkelheit sie empfing, hämmerte Isabellas Herz gegen ihre Brust und ihre Lunge fühlte sich an, als würde sie jeden Moment zerreißen. Doch als Blue den Vorhang zum Versteck zur Seite zog, vergaß sie die Erschöpfung für einen Moment. Klatschend und mit freudestrahlenden Gesichtern kamen die Runner, die im Versteck gewartet hatten, auf sie zu. Unter ihnen war auch Jeremiah, über dessen Gesicht sich ein breites Grinsen zog. Isabella brauchte einen kurzen Moment, um zu verstehen, dass der Jubel ihr galt. Die Hitze schoss ihr ins Gesicht, als zahlreiche Hände ihr auf die Schultern klopften. Dann schloss zu ihrer Überraschung Blue die Arme um sie.
„Ich muss zugeben, dass ich Angst hatte, du würdest vom Dach stürzen.", sagte er.
„Wäre das so schlimm gewesen?", fragte sie und löste sich aus der Umarmung.
„Es hätte meinen Ruf als bester Ausbilder zerstört."
„Der du zweifelsohne bist?"
„Du hast überlebt. Ist das nicht genug?" Er lachte.
Sie zwang sich zu einem Lächeln, doch die Freude über ihren gelungenen Run war mit einem Schlag verschwunden.
„Denkst du, die Wachmänner sind tot?", fragte sie leise.
„Besser einer von ihnen, als einer von uns."
Isabella schluckte. Sie wünschte sich, so denken zu können, doch es gelang ihr nicht. Vielleicht würde sie irgendwie erfahren können, was mit den Männern geschehen war, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob sie es überhaupt wissen wollte. Sie verdrängte den Gedanken und wandte sich Jeremiah zu, der sich in der Mitte des Raumes auf eine Bank gestellt hatte und auf die Runner heruntersah.
„Die meisten, die zu uns kommen, können sich nicht vorstellen, was wir tun.", rief er. „Sie verstehen nicht, welche Gefahr es bedeutet, tagtäglich auf den Dächern unterwegs zu sein. Das, was die Menschen von uns mitbekommen, die Flugblätter, die Plakate, das ist nur ein kleiner Teil davon. Der leichte Teil. Jeder, der zu uns kommt, wurde eines Besseren belehrt. Denn ein Runner zu sein, heißt auch, sein altes Leben aufzugeben. Alle in diesem Raum haben Schmerzen erlebt, die man niemandem wünscht und damit meine ich nicht körperlichen Schmerz, den der ist leicht zu ertragen. Wir alle haben erlebt, was es heißt, ausgegrenzt zu werden, Außenseiter zu sein, um das eigene Überleben zu fürchten. Doch das, was uns verbindet, sind nicht unsere Schmerzen und es ist nicht unsere Angst. Es ist die Tatsache, dass wir wieder aufstehen, egal, wie oft wir zu Boden geworfen werden. Dass wir uns gegenseitig aufhelfen und stützen, wenn der Weg zu schwer wird. Die Regierung, der Hohe Rat, sie mögen viel Macht haben, doch eines fehlt ihnen: Der Zusammenhalt, der uns stark macht. Wir können uns blind vertrauen und ich weiß, dass jeder einzelne hier sich leichter für seinen Tod entscheiden würde, als für den Verrat an seiner Familie. Denn es ist nur leicht, jemanden zu verlieren, wenn derjenige ersetzt werden kann. Bei uns darf jeder so sein, wie er ist. Genau aus diesem Grund ist niemand hier austauschbar und genau deshalb sind wir so, wie wir sind."
Er wandte sich Isabella zu und winkte sie zu sich. Zögernd löste sie sich von ihrem Platz und stellte sich an seine Seite. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und sah sie mit unübersehbarem Stolz in den Augen an.
„Is, du hast diese erste Prüfung hervorragend gemeistert. Und so, wie du den Runnern hilfst, werden auch wir immer da sein und dir den Rücken stärken. Denn ab heute gehörst du zu unserer Familie. Ab heute bist du ein Runner."
Ein Dröhnen erfüllte den Raum, als die Runner mit den Füßen auf den Boden stampften und begeistert in die Hände klatschten. Sie hatte es geschafft. Sie vertrauten ihr und sie war ein offizielles Mitglied. Sie war ein Runner. Alles hatte sich gelohnt: Die schlaflosen Nächte, die anstrengenden Tage, die Schmerzen, das Lügen und die Angst. Erleichterung und sogar Glück durchströmten sie.
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Runner - Die Jagd beginnt
Science FictionDie Erde, wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. Zu viel Schaden haben Kriege und Verwüstung angerichtet. Isabella lebt gut behütet in Ashville, einer Stadt, die aufgebaut wurde, um seine Bewohner zu schützen. Keine Bedrohung dringt über die Stadtm...