Ezra musste auf dem Dach gewartet haben. Isabella warf einen Blick hinauf. Es war nicht sehr hoch, doch nicht jeder würde nach einem Sprung so sicher am Boden landen.
Im gleichen Moment wurde die Luke aufgestoßen und Cube steckte das Gesicht heraus. Unter anderen Umständen hätte Isabella den Anblick des dunklen Kopfes, der aus dem Boden ragte, lustig gefunden. Doch Ezra trat auf sie zu und der Ausdruck in seinem Gesicht war alles andere als freundlich.
„Mach die Lampe aus, Is.", wies er sie wütend an. „Wegen dir musste ich einen Umweg nehmen und nachsehen, ob du alleine bist. Man erkennt nichts, wenn du uns direkt ins Gesicht leuchtest."
Schnell knipste Isabella die Taschenlampe aus. Lichtpunkte tanzten vor ihren Augen, doch sie hatte nicht viel Zeit, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, denn Ezra trat an sie heran und legte ihr wieder ein Tuch um die Augen. Er knotete die Augenbinde so fest an ihrem Hinterkopf zusammen, dass es unangenehm spannte. Sicher würde sie Kopfschmerzen davon bekommen, aber sie wagte es nicht, sich zu beschweren.
Auch gab sie sich nicht die Mühe, die beiden Runner zu überzeugen, ihr den Weg zu zeigen. Stattdessen versuchte sie, ihn sich einzuprägen. Zweimal bogen sie links ab, dann rechts, noch einmal links, kehrten auf dem Absatz um, gingen wieder links, dann zweimal rechts. Oder war das links gewesen? Sie war sich nicht sicher, ob sie ihren Sinnen noch trauen konnte. Der unebene Boden tat sein Übriges, denn sie musste sich so sehr darauf konzentrieren, nicht zu stolpern, dass sie ständig vergaß, auf den Weg zu achten.
Als sie dieses Mal das Versteck betraten, saßen die Runner gerade an den Tischen und aßen. Es waren mehr, als Isabella am Vortag gesehen hatte. Wie ein Rudel Wölfe saßen sie zusammen, nur Jeremiah, das Alphatier, fehlte. Die Luft wurde von einem köstlichen Duft erfüllt. Ihr Magen knurrte. Stunden waren vergangen, seit sie das letzte Mal etwas gegessen hatte und trotzdem war es verrückt, dass sie in einer solchen Situation auch nur annähernd etwas wie Appetit verspürte.
„Setz dich und iss mit uns.", sagte Cube und lächelte. Er musste ihr Magenknurren gehört haben. Auch schien er ihr verziehen zu haben, dass sie ihn geblendet hatte, denn er setzte sich auf die Bank und klopfte auf den leeren Platz neben sich. Sie folgte ihm, schwang die Beine über die Bank und ließ sich darauf sinken. Doch Cube schien der einzige zu sein, der ihr freundlich gestimmt war, denn der Runner, der auf ihrer anderen Seite saß, rutschte ein Stück zur Seite, um mehr Abstand zwischen sich und Isabella zu bringen. Die Gespräche waren leiser geworden, seit sie den Raum betreten hatte. Die meisten Runner starrten wortlos in ihre Teller.
Isabella versuchte, das Unwohlsein herunterzuschlucken. Wenigstens Cube ließ sich nicht beeinflussen, doch Ezra nahm in einiger Entfernung zwischen Blue und Kate Platz und begann im Flüsterton zu erzählen. Dabei warf er immer wieder einen Blick zu ihr hinüber. Sie wusste, dass Ezra sie nicht mochte, auch wenn sie nicht verstand, weshalb. Blue beachtete sie nicht, obwohl er ihr Kommen zweifelsfrei bemerkt haben musste.
Plötzlich stellte jemand einen gefüllten Teller vor ihr auf den Tisch. Sie wandte sich um und sah den Jungen, der immer in der Küche arbeitete.
„Danke.", sagte sie, doch er antwortete nicht, also wandte sie sich dem Essen zu. Was in ihrem Teller dampfte, sah aus wie ein Eintopf, allerdings konnte sie auf den ersten Blick keine der Zutaten entziffern. Sie hoffte, dass wenigstens nichts von dem Fleisch, das sie in der Küche gesehen hatte, darin verarbeitet war, allerdings war ihr Hunger zu groß, um sich von diesem Gedanken abhalten zu lassen.
Vorsichtig nahm sie einen kleinen Bissen und war überrascht, wie gut es schmeckte. Beim nächsten Löffel versuchte sie, einzelne Zutaten zu erkennen. Sie schmeckte Kartoffeln heraus und Tomaten. Es war ein einfaches Gericht, ohne viele Gewürze oder allerlei kleine Details, wie sie ihre Mutter so gerne mochte.
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Runner - Die Jagd beginnt
Science FictionDie Erde, wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. Zu viel Schaden haben Kriege und Verwüstung angerichtet. Isabella lebt gut behütet in Ashville, einer Stadt, die aufgebaut wurde, um seine Bewohner zu schützen. Keine Bedrohung dringt über die Stadtm...