Isabella spürte, dass ihr Körper sich verändert hatte, seit sie bei den Runnern war. Das Training belastete sie immer weniger. Sie spürte neue Kraft in ihren Armen und es dauerte länger, bis sie außer Atem kam. Auch den fehlenden Schlaf steckte sie leichter weg. Aber das wichtigste war, dass sich die Stimmung der Runner ihr gegenüber langsam veränderte. Seit sie mitbekommen hatten, dass Jeremiah sie in die Geschichte der Runner eingeweiht hatte und ihr offensichtlich vertraute, schwand auch das Misstrauen der anderen Runner mehr und mehr. Sie kam sich nicht mehr vor, wie eine Außenseiterin, sondern wurde von vielen als selbstverständlich angenommen und das war auch der Grund, warum es ihr nicht mehr so sehr vor den nächtlichen Treffen mit den Runnern graute. Die Angst war ein Stück weit verschwunden. Sie würden ihr nichts tun, solange sie sich nicht selbst verriet und sie war dem Ziel näher als je zuvor. Denn, wie Jeremiah angekündigt hatte, offenbarten sie ihr endlich ein paar Informationen.
Schon eine Nacht später, als sie im Übungsraum auf dem Boden saß und auf Blue wartete, betrat er mit einer großen Papierrolle unter dem Arm den Raum und nachdem er sie auseinandergerollt hatte, erkannte sie die Karte, die sie bereits am Vortag mit Jeremiah angesehen hatte.
„Heute werden wir keinen Sport machen.", erklärte er.
Isabella lachte in sich hinein. Es klang gerade so, als wäre er jede Nacht mit ihr um die Wette gelaufen, dabei war das einzige, was er getan hatte, sie herumzukommandieren.
„Genauso wichtig wie gute Ausdauer und Kraft ist es, alle Wege und Fallen zu kennen. Denn ein Runner, der sich nicht auskennt, ist-"
„-ein toter Runner?", beendete Isabella seinen Satz. Blue blickte verdutzt auf. „Richtig. Siehst du, dass die Stadtviertel in verschieden großen Quadraten aufgebaut sind?"
Sie nickte. Das hatten sie in der Schule gelernt. Ordnung und Sauberkeit zogen sich in Ashville bis ins kleinste Detail und so war auch die Stadt selbst geradlinig angelegt worden.
„Das spielt uns in die Karten.", sagte Blue und deutete auf die verschiedenfarbig eingezeichneten Quadrate. „Wir haben jedem wichtigen Gebäude in jedem Quadrat einen Namen gegeben. Hier, die Ratshalle ist zum Beispiel K13. Sie liegt im Quadrat K und trägt die Nummer 13. Die Gewächshäuser sind in der Nähe, aber liegen in einem anderen Quadrat. L2. Siehst du?" Er deutete auf eine Anlage größerer Häuser.
„Bevor du zu deinem ersten Run aufbrichst, solltest du bestenfalls alle Häuser mit ihrem Namen kennen – mindestens aber die wichtigsten Gebäude und sämtliche Quadrate. Wenn ich rufe, Rückzug über L2, dann musst du sofort wissen, dass du zu den Gewächshäusern rennen musst. Immer wieder kommt es zu Richtungswechseln oder Wegänderungen, wenn etwas zu gefährlich erscheint, oder der Wind sich dreht. Hast du das verstanden?"
Isabella nickte. Sie zitterte vor Aufregung. Was Blue ihr gerade erzählte, konnte für die Regierung tatsächlich von Nutzen sein. Wenn sie die Strecken der Runner kannte, die geheimen Tricks und Schleichwege, dann konnte man ihnen eine Falle stellen. Schnell konzentrierte sie sich wieder auf Blues Stimme. Sie durfte kein Detail verpassen.
„Wir können nicht alle Wege nehmen, das wirst du bald merken. Um zu den Gewächshäusern zu gelangen, können wir entweder von L3 oder K48 kommen. Über andere Häuser ist es unmöglich, weil die Abstände zu groß sind und wir vermeiden es, auf der Straße zu rennen, weil uns dort die Wachmänner überlegen sind. Versuch dir die Karte so gut wie möglich einzuprägen. Du musst die Abstände zwischen den Häusern kennen, um zu wissen, wie viel Kraft du beim Absprung einsetzen musst. Nichts ist gefährlicher, als wenn bei vollem Lauftempo plötzlich ein Gebäude vor dir auftaucht, dessen Höhe du nicht erwartet hast. Du wirst den Abstand kaum überwinden können."
„Aber es ist unmöglich, sich alle Abstände zu merken.", rief Isabella mit einem Blick auf die tausenden Häuser. „Ich werde Monate brauchen."
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Runner - Die Jagd beginnt
Science FictionDie Erde, wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. Zu viel Schaden haben Kriege und Verwüstung angerichtet. Isabella lebt gut behütet in Ashville, einer Stadt, die aufgebaut wurde, um seine Bewohner zu schützen. Keine Bedrohung dringt über die Stadtm...
