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Die Uhr an der Wand tickte und tickte und es schien, als wanderten die Zeiger viel langsamer weiter, als sonst. Dann, nach etwa einer halben Stunde, wurde die Tür aufgerissen. Die Direktorin trat ein, gefolgt von zwei Wachmännern und –

„Mutter!", rief Isabella und wollte aufstehen, doch Amber Almond starrte sie mit so wütendem Blick an, dass sie wie versteinert auf ihrem Platz sitzen blieb.

„Isabella, willst du uns erklären, was hier vor sich geht?", fragte die Direktorin scharf.

„Sag, dass das nicht wahr ist!", rief ihre Mutter. „Zeige uns deine Schulter."

Niedergeschlagen zog Isabella sich den Stoff ihrer Bluse von der Schulter. Die Frauen schnappten nach Luft, als sie das Zeichen erblickten.

Ihre Mutter trat auf sie zu und rieb mit dem Finger darüber, als wollte sie testen, ob es tatsächlich echt war.

Dann verlor sie die Fassung.

„Was hat das zu bedeuten, Isabella? Erkläre es mir!", schrie ihre Mutter sie an. Ihre Unterlippe zitterte und ihr ganzes perfektes Gesicht war außer Kontrolle geraten. Amber schüttelte sie an den Schultern, so stark, dass Isabellas Zähne aufeinanderschlugen.

„Es ist nicht so, wie ihr denkt.", sagte Isabella, als ihre Mutter endlich von ihr abließ.

„Wie ist es dann?"

„Ihr denkt, ich bin ein Mitglied der Runner und... irgendwie stimmt das auch."

Ihre Mutter schnaubte und wandte sich kopfschüttelnd ab. „Wirklich, Isabella? Nach allem, was deiner Schwester zugestoßen ist? Was sie ihr angetan haben?"

„Merediths Tod ist der Grund, warum ich das alles mache!", verteidigte sie sich und dann begann sie zu erzählen, wie sie beschlossen hatte, sich an den Runnern zu rächen. Wie sie die Kleidung in Merediths Kissen gefunden und auf das Dach gestiegen war. Wie sie langsam das Vertrauen der Runner gewonnen hatte.

Ihre Mutter hörte ihr mit offenem Mund zu. Immer wieder schüttelte sie fassungslos den Kopf.

„Und warum", rief sie, als Isabella fertig war, „warum denkst du, eine Schülerin, dass du die Runner zur Strecke bringen kannst, wenn es nicht einmal erfahrene Wachmänner schaffen?"

„Vielleicht gerade deswegen!", rief Isabella. „Weil sie mir nicht zutrauen, dass ich sie verrate."

„Warum um alles in der Welt hast du niemandem von deinem Plan erzählt?"

„Weil ich wusste, dass ihr das niemals zulassen würdet. Ich wusste ja selbst nicht einmal, was ich tue. Bitte, du musst mir glauben."

„Ich weiß nicht.", sagte die Direktorin. „Wer sagt uns, dass du nicht lügst? Immerhin hast du schon eine Markierung. Warum zur Hölle hast du dich markieren lassen?"

„Ich war betrunken.", flüsterte Isabella beschämt und Tränen traten in ihre Augen. „Das war ein Versehen."

Amber und die Direktorin wechselten einen Blick. Isabella erkannte, wie sich im Kopf ihrer Mutter die Puzzleteile zusammenfügten.

„Du hast bei den Runnern getrunken? Du begibst dich in eine lebensgefährliche Situation und lässt es zu, auch noch die Kontrolle über dich selbst zu verlieren?", fassungslos warf Amber die Hände aufs Gesicht. „Habe ich dich nicht anders erzogen?"

Amber wandte sich der Direktorin zu. „Bitte sorgen Sie dafür, dass alle Schüler erfahren, dass es ein Missverständnis ist. Selbstverständlich ist Isabella kein Mitglied der Runner. Ich will nicht, dass falsche Gerüchte aufkommen."

Runner - Die Jagd beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt