Is folgte Blue durch den Tunnel, Ezra und Phoebe hinter ihr, doch sie beschleunigte ihre Schritte, bis sie Blue eingeholt hatte. Sie musste mit ihm sprechen, bevor sie zu einem Run aufbrachen, von dem sie möglicherweise nicht mehr zurückkamen.
„Glaubst du mir jetzt?", fragte sie leise. „Dass ich auf eurer Seite stehe?"
„Ich habe dir alles erzählt.", antwortete er, ohne sie anzusehen. Er gab sich Mühe, kalt zu klingen, und konnte doch die Enttäuschung in seiner Stimme nicht verbergen. „Meine Vergangenheit. Meine Gefühle. Alles. Ich habe dir vertraut und du hast getan, als würdest du mich verstehen."
„Ich habe nicht so getan. Du musst mir glauben. Ich wollte Kate und die anderen befreien. Nur deshalb bin ich in die Ratshalle gegangen. Deshalb habe ich beobachtet, wie Fish getötet wurde."
Kurz warf er ihr einen Blick zu, dann sah er wieder nach vorne und beschleunigte das Tempo.
„Konzentriere dich, Is. Wir müssen das sicher hinter uns bringen."
Jeremiahs Worte hallten in ihrem Kopf nach, als sie sich durch ein Gitter nach draußen hievte, die Sprossen am Haus nach oben kletterte und von Blues Hand auf das Dach gezogen wurde. Kurz hatte sie Angst, seine Finger würden sich öffnen und sie fallen lassen, doch sein Griff war fest und sicher. Sie würde ihrer Mutter zeigen, dass sie nicht tot war. Sie würde es sich selbst zeigen. Kühler Wind pfiff um ihre Ohren und die ganze Stadt schien in eine Art Nebel gehüllt. Doch Is fühlte sich so lebendig, wie noch nie in ihrem Leben. Endlich waren alle Geheimnisse beseitigt. Sie wusste, auf welcher Seite sie stand und sie wusste, wer der Feind war. Auch wenn es ein anderer war, als vor Wochen vermutet. Aufgeregt wartete sie auf Blues Zeichen, aufzubrechen.
Als sie sich abstieß und durch die Luft flog, verstand sie vielleicht zum ersten Mal richtig, wie Meredith sich beim Rennen gefühlt haben musste. Nichts trennte sie vom Abgrund, vom sicheren Tod, nur ihre eigene Kraft bewahrte sie vor einem Absturz. Das Adrenalin, das bei jedem Sprung aufs Neue hochpeitschte, bewies ihr, dass alles möglich war. Es lag in ihrer eigenen Hand. Nichts hielt sie zurück. Und endlich lag kein Geheimnis mehr schwer in ihrem Magen und drohte, sie nach unten zu ziehen.
Sie gingen vorsichtiger vor, langsamer. Blue kontrollierte jeden Weg, bevor sie ihn einschlugen. Noch eine Falle konnten sie sich nicht erlauben.
Sie hatten sich noch nicht weit vom Versteck der Runner entfernt, als Blue den Arm ausstreckte, um sie zurückzuhalten. Er legte den Finger an den Mund und bedeutete seinen Begleitern still zu sein, während er lauschte.
Ein leises Rattern drang an ihr Ohr. Was war das? Is' Herz begann schneller zu schlagen. Das Geräusch wurde immer lauter.
Im nächsten Moment wurden sie in einen dunklen Schatten getaucht. Ein starker Windschub wehte ihnen ins Gesicht, brachte sie zum taumeln. Die ganze Luft war von einem Dröhnen erfüllt. Dann rauschte eine große, fliegende Maschine über sie hinweg.
Das musste ein Helikopter sein, eine der Flugmaschinen, die bei der Zerstörung der Erde vor vielen von Jahren eingesetzt worden waren. Is hatte von ihnen gehört, aber sie hatte noch nie einen gesehen. Gerüchte sagten, sie lagerten in einer Halle im Süden der Stadt. Als sie ihre Mutter einmal danach gefragt hatte, hatte die ihr erzählt, sie wären nur dazu da, um Ashville gegen einen neuen Krieg zu verteidigen. "Wir werden sie nicht benötigen.", hatte sie gesagt und Is über den Kopf gestreichelt. "Und jetzt geh zu Bett. Du wirst nie einen zu Gesicht bekommen."
Wie sie sich getäuscht hatte.
„Versteckt euch!", rief Blue und die Runner stoben auseinander. Is sah sich hektisch um. Die Panik machte es ihr unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Plötzlich war Blue an ihrer Seite, packte ihre Hand und riss sie mit sich. Zusammen rannten sie geduckt auf zwei Schornsteine zu, die sich am Rande des Daches befanden. Blue drängte sie in den Zwischenraum und quetschte sich selbst dazu. Wenn sie Glück hatten, verdammt großes Glück, hatte der Helikopter sie nicht entdeckt und sie waren sicher. Dicht aneinander gedrängt standen sie da. Is spürte Blues Herzschlag, der ebenso wild pochte, wie ihr eigener. Sein schneller Atem streifte ihr Gesicht. Sie schloss die Augen. Sie wusste nicht, wo Ezra und Phoebe waren und ob sie es geschafft hatten, sich zu verstecken. Sie bekam keine Luft mehr. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu.
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Runner - Die Jagd beginnt
Science FictionDie Erde, wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. Zu viel Schaden haben Kriege und Verwüstung angerichtet. Isabella lebt gut behütet in Ashville, einer Stadt, die aufgebaut wurde, um seine Bewohner zu schützen. Keine Bedrohung dringt über die Stadtm...
