Die Haltestelle, an der sie aussteigen mussten, lag nur wenige Minuten vom herrschaftlichen Haus der Familie Almond entfernt. Nah genug, um den Weg bequem zu Fuß zurücklegen zu können, weit genug, um nicht von den Geräuschen der vorbeifahrenden Züge gestört zu werden.
Das Grundstück, das für einen Großteil der Bevölkerung Ashvilles nicht erschwinglich gewesen wäre, war ein Statussymbol ihrer Eltern, auf das sie nicht verzichten wollten. Es lag in einem der besten Viertel der Stadt und fügte sich in eine Reihe ebenso teurer Häuser ein, in denen betuchte Bürger der Stadt lebten.
Die weiße Fassade des Hauses wurde von großen, rechteckigen Fenstern durchbrochen, in denen sich das Licht der Sonne spiegelte. Schmale Kieswege führten auf beiden Seiten in den kleinen Garten, der sich um das Haus zog. Die meisten Grundstücke in Ashville besaßen keinen Garten. Zu viel Platz würde davon eingenommen werden und die Bewässerung hätte ein Problem dargestellt, denn in Ashville regnete es nur selten, und so musste das ganze Wasser dem Kanal entnommen werden, der nur an einer einzigen Stelle seinen Weg in die Stadt fand. Doch im Garten der Almonds leuchtete das Gras sattgrün neben pastellfarbenen Glockenblumen.
Eine hohe Mauer aus hellem Sandstein zog sich um das Grundstück, nur durchbrochen von einem großen, schmiedeeisernen Tor, an dessen höchster Stelle das Wappen der Stadt thronte. In regelmäßigen Abständen kam ein Maler, um die Farben, die im Laufe des Jahres zu bröckeln begannen, auszubessern.
„Ein Haus ist das Abbild der Familie, die darin wohnt.", predigte ihre Mutter immer. Und was waren sie für eine Familie!
Seit über zehn Jahren hatte Amber Almond nun eine der sieben Positionen im Hohen Rat inne und galt damit als einer der wichtigsten Menschen der Stadt. Alle Vertreter des Hohen Rates beschäftigten sich mit unterschiedlichen Angelegenheiten der Stadt, arbeiteten jedoch bei ihrer Erfüllung eng zusammen. Oscar Willis, Magnus Cort, Imogene Burton – sie alle waren schon zum Abendessen im Hause Almond gewesen.
Isabella war stolz, die Tochter einer so einflussreichen Politikerin zu sein und ließ es sich nicht nehmen, im ein oder anderen Gespräch mit ihren Freundinnen, einfließen zu lassen, wie viel sie von den Tätigkeiten des Hohen Rates mitbekam.
Umso mehr ärgerte sie sich, wenn sie zugeben musste, wie wenig ihre Mutter ihr tatsächlich erzählte, wie es bei Louise an diesem Morgen der Fall gewesen war.
In den Anfängen Ambers Karriere – sie hatte gerade ihr Studium beendet und war in die Politik eingestiegen – hatte sie Victor Almond kennengelernt, der bereits mit 25 Jahren zu einem der bekanntesten Ärzte der BetterCover-Klinik aufgestiegen war.
Amber war schön, klug und ambitioniert, Victor erfolgreich und unter den Bewohnern Ashvilles hoch angesehen. Kein Wunder also, dass sie sich verliebten und nur wenige Monate später eine der größten Hochzeiten stattfand, die man in der Stadt je gefeiert hatte.
Böse Zungen munkelten, sie hätten nur geheiratet, um ihre Karriere voranzutreiben. Schließlich war Victor kurz darauf zum Oberarzt befördert worden und Amber stand als Assistentin des damaligen Vertreters für Schulwesen im Hohen Rat bereits auf der vorletzten Stufe ihrer Karriereleiter. Doch Isabella wusste, dass es keine Zweckehe war. Ihre Eltern liebten sich, das erkannte sie an kleinen Berührungen, an Blicken, und daran, dass Victor Amber jeden Wunsch von den Augen abzulesen versuchte.
Wenige Wochen nach der Hochzeit wurde Amber das erste Mal schwanger, aber sie gönnte sich keine Pause und arbeitete unermüdlich bis zum letzten Tag vor Merediths Geburt. Nur neun Jahre und eine weitere Schwangerschaft später, wurde sie mit 34 Jahren zur jüngsten Vertreterin des Hohen Rates ernannt, die es bis dahin gegeben hatte. Seit diesem Tag leitete sie den Bereich der Inneren Strafverfolgung und beschäftigte sich mit allen Bedrohungen in- und außerhalb der Stadt.
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Runner - Die Jagd beginnt
Science FictionDie Erde, wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. Zu viel Schaden haben Kriege und Verwüstung angerichtet. Isabella lebt gut behütet in Ashville, einer Stadt, die aufgebaut wurde, um seine Bewohner zu schützen. Keine Bedrohung dringt über die Stadtm...
