Tarnung

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Den leeren Becher stellte er auf den Boden vor sich und sah sich dann das erste mal genauer in dem Raum um.
Schlicht aber geschmackvoll eingerichtet und genau aufeinander abgestimmt. Die Möbel waren heller als die Hütte, hatten dadurch einen schönen Kontrast und der Kamin war gerade im Winter sicher herrlich. Von der Inneneinrichtung wanderte sein Blick zu den vier Personen, die mit im Raum waren.
Alle vier hatten ähnliche Kleidung an, hatten braune Haare, auch wenn die von Stegi ein wenig herausstachen, da sie deutlich heller waren. Sie alle hatte rote, gelbe und orange Strähnen in den Haaren, die sie als Feuerelfen kennzeichneten. In der Länge unterschieden sie sich aber deutlich. Zwei von ihnen kurze Haare, die Stegis waren etwas länger und der letzte trug eine Kombination aus den Seiten kurz und oben lang. Schlecht sah es nicht aus.
Unterschiede kamen erst so wirklich beim Körperbau auf. Während Tim der größte war und auch dementsprechend gebaut war, war Stegi das komplette Gegenteil. Klein und zierlich. Die anderen zwei bewegten sich zwischen den beiden.
Tobi stach in der Gruppe sofort hervor. Schlank und klein, kurze braune Haare mit blau weißen Strähnen und die hellblauen Augen, die für Eiselfen typisch waren. Auch in der Kleidung waren große Unterschiede, die schon bei der Farbe und Schnittart begannen. Kurzum er stach aus der Menge heraus, wie ein bunter Papagei.
Tim war immer noch über den kleinsten gebeugt, fuhr ihm sanft durch die Haare. Lief da was zwischen den beiden? Es sah beinahe so aus. Er war viel besorgter um Stegi und ging unheimlich zärtlich mit ihm um. Nachfragen traute Tobi sich aber nicht. Von Stegi ging jetzt auch so langsam wieder leben aus, zumindest schien er wach zu werden. Mal wieder.
Als er vollständig seine Augen offen hatte, griff Tim nach dem Becher, half Stegi sich aufzusetzen und hielt ihm den Becher an die Lippen. Schon nach einem Schluck nahm er nichts mehr.
„ Komm du musst was trinken.", forderte Tim sanft und probierte es nochmal, aber Stegi drehte den Kopf weg.
„ Das schmeckt wie warmes Abwaschwasser.", erklärte er. Zaghaft streckte Tobi die Hand nach dem Becher aus, was Tim jedoch gar nicht zu gefallen schien. Was dachte er den bitte? Tobi wollte den Becher doch nicht für sich.
„ Darf ich kurz?" Misstrauisch reichte Tim den Becher nun an ihn weiter. Tobi legte beide Hände um den Becher und kühlte ihn ab, wenn es auch anstrengend war. Die Temperatur des Wassers war deutlich gesunken, als er das Gefäß an Tim zurück reichte. Nochmals hob er es an die Lippen des kleineren, der nun langsam Schluck um Schluck trank, bis der Becher leer war.
„ Wir müssen ihm helfen. Bitte Jungs. Hier fällt er kaum auf, wenn wir ein bisschen was machen.", bettelte Stegi unglaublich schwach. Tobi ahnte schon, dass dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde. Die anderen drei waren unglaublich skeptisch ihm gegenüber. Nur er schien ihm irgendwie zu vertrauen.
„ Was ist mit Nelaphine? Wenn die das rausbekommt, hängen wir am nächsten Tag am Galgen. Und zwar wir alle hier."
Bei der Vorstellung gruselte es Tobi. Hier wurden Leute wirklich noch gehängt? Bei ihnen wurde seit Jahrzehnten ausschließlich mit dem Bogen hingerichtet. Schnell und schmerzlos. Man quälte Menschen nicht, egal was sie verbrochen hatten.
„ Nein höchstens er und ich. Ich werde jede Schuld auf mich nehmen, sollte irgendwas rauskommen. Ihr werdet nichts damit zu tun haben." Es gefiel Tobi immer noch nicht, dass er gehängt wurde, wenn rauskam, dass er nicht hier her gehörte. Er wollte doch niemandem schaden, er suchte einfach nur nach einem sicheren Platz, an dem man ihn nicht tötete, nur weil er da war. Zu viel verlangt war das ja wohl kaum.
„ Schön. Dann sollten wir uns mal Gedanken machen, wie wir ihn am besten verstecken. Sonst ist hier bald die Hölle los. Uns suchen die bestimmt eh schon. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wer hier her kommt.", stimmte einer der beiden zu, von denen Tobi immer noch keinen Namen hatte. Stegi rappelte sich auf, wank Tobi dann zu sich.
„ Komm mit, ich hab ne Idee.", erklärte Stegi und verschwand im Nachbarzimmer. Zitternd stand er auf, immer noch in die Decke eingewickelt, da ihm kalt war. Unter den letzten Tagen hatte sein Kreislauf doch stark gelitten, weshalb er gestern kaum noch geradeaus gehen konnte. Ihm wurde nicht schwindelig, daher lief er dem anderen nach. Im angrenzenden Zimmer hielt ihm Stegi Kleidung hin. Kurz hielt er sie an seinen Körper. Passen würde sie schon. Aber er wollte seine Klamotten nicht ablegen. Es war das letzte, was ihm von seiner Familie, seiner Fraktion blieb.
„ Sollte passen. Zieh das mal drüber, dann fällst du nicht all zu sehr auf.", schlug Stegi vor und suchte dann noch etwas.
„ Kann ich meine alten Klamotten nicht behalten? Sie sind das letzte, was ich noch von meiner Heimat habe." Bei Stegi zog sich alles zusammen. Ihm tat Tobi leid. Aber in den Klamotten würde er zu stark auffallen, selbst wenn man sie rot färben würde.
„ Niemand hat gesagt, dass ich sie verbrennen werde. Wir verstecken das Zeug irgendwo bei mir und du kannst es immer wenn du Heimweh hast zu dir holen. Deal?" Sofort nickte Tobi. Etwas besseres würde er nicht bekommen und das klang gar nicht so schlecht. Außerdem sollte er nicht zu viele Forderungen stellen, schließlich saß er am kürzeren Hebel. Triumphierend hielt Stegi den gesuchten Gegenstand in die Höhe.
„ Los raus aus den Klamotten. Ich schau schon weg." Demonstrativ drehte Stegi sich um und hockte sich auf sein Bett. Zögernd zog Tobi sich erst seine Tunika und seinen Pullover aus und ließ sie zu Boden fallen. Dann die Hose und alles was er noch darunter trug, bis er nackt im Raum stand. Nach den anderen Klamotten zu greifen, sie anzuziehen fühlte sich falsch und wie ein Verrat an, trotzdem blieb ihm keine andere Wahl.
Gerade als er sich das neue Oberteil anziehen wollte, wurde er aufgehalten. Eine Hand hatte sich an seine Schulter gelegt und ihn zusammen zucken lassen.
„ Warte mal kurz. Wegen dem Zeichen da auf deiner Schulter. Wir haben sowas nicht." Etwas dünnes Papierartiges legte sich auf die Stelle, wo mal drei blaue Vögel und Verschnörkelungen waren und wurde festgedrückt. Die Stelle darum erwärmte sich plötzlich stark, doch es ließ nach.
„ Das hält erstmal ne Weile und man sieht nichts von dem. Es ist aber immer noch da, keine Sorge." Betrübt aber dankbar lächelte Tobi und zog sich nun das Oberteil über. Stegi bat ihn sich vor seinem Bett auf den Boden zu setzten. Er selbst ließ sich auf dem Bett nieder, um besser an Tobis Haare ran zu kommen. Mit blau weißen Strähnen viel er immer noch zu arg auf.
Sorgfältig nahm Stegi sich jede einzelne Strähne vor und färbte sie rot oder orange. Nicht jede Feuerelfe hatte alle drei Farben, aber mindestes eine davon. Nur gelb alleine war ziemlich selten, weil man sie sonst leicht für Lichtelfen halten konnte. Nicht lange und Stegi war fertig. Anschließend reichte er Tobi noch farbige Kontaktlinsen in braun.
„ Hattest du jemals welche drin?", wollte Stegi wissen, woraufhin Tobi mit dem Kopf schüttelte. Während Stegi ihm erklärte, wie er sie rein machen musste, tat er das auch gleich mal. Prüfend betrachtete er Tobi noch mal abschließend, nachdem er einen Schritt zurück gegangen war und nickte dann.

Von Geheimnissen, Komplexen und verbotener Liebe Stexpert/ Venation FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt