Ein letztes Geschenk

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Seine Eltern saßen Arm in Arm auf einer Blumenwiese an einem schönen Sommertag. Und halb bei jedem auf dem Schoß saß er als dreijähriger. Klein gekringelt auf seinem Schoß lag Nelaphine. „ Sind das deine richtigen Eltern?", fragte Tim vorsichtig, der ihm über die Schulter sah. „ Ja. Damals war ich drei, als das Foto gemacht wurde. Es hing immer über dem Kamin. Sie haben es sicher angenommen, als ich von Nelaphine mitgenommen wurde." Als Stegi weiter blätterte, fand er unzählige Bilder aus seinen ersten Lebensjahren. Unterschiedlich angeordnet, aber stets mit einem Datum versehen. Zwischendrin tauchten auch mal Bilder auf, wo Tobi und er zu sehen waren. Ihm kamen mehr Tränen, als er die einzelnen Bilder betrachtete. Seine Eltern würde lebendig zumindest nicht mehr wieder sehen und das trieb ihm noch mal neue Tränen in die Augen. Er war nicht in der Verfassung sich das noch weiter anzusehen. Zumindest für den Moment. Stegi schlug das Buch wieder zu und sah was sich noch in dem Päckchen befand. Am liebsten hätte er direkt weiter geheult, als er seinen kleinen Stoffhund darin fand. Damals dachte er, er hätte ihn auf dem Bett vergessen und würde ihn wohl nie wieder sehen. Die ersten Nächte hatte er unter anderem deswegen nicht schlafen können. Mittlerweile war er zwar aus dem Alter raus, wo er Kuscheltiere brauchte, aber das würde er wieder mit ins Bett nehmen. Luna würde er nicht mehr hergeben. Stegi drückte den kleinen Stoffhund vorsichtig an sich. Den hatte ihm seine Mutter zu seiner Geburt genäht. Seitdem war sie immer in seinem Bett gelegen. Bis zu diesem einen Tag. Im Stillen dankte er seiner Mutter, dass sie ihm Luna wieder gebracht hatte. Mehr fand sich in dem Päckchen nicht. Für ihn bedeutete das hier die Welt. Luna und ein Andenken an seine Eltern, festgehalten in Bildern. „ Danke Nelaphine. Das hier bedeutet mir so unglaublich viel. Luna hättest du mir ruhig schon frühen geben können." Gerade am Anfang hätte er ihn gut gebrauchen können. Diese ganzen schlaflosen Nächte zu Beginn, die Trauer, die er selten zugelassen hat. „ Wer oder was ist Luna?", fragte Basti ruhig nach. Für ihn war er offensichtlich, dass er den Stoffhund meinte. Etwas anderes war in dem Päckchen nicht drin, was man benennen konnte. „ Luna ist mein Stoffhund. Für war sie immer bei mir im Bett gelegen. Als ich hier her kam, hatte ich sie auf dem Bett daheim liegen lassen. Meine Mutter hat sie wohl noch rechtzeitig gefunden und hier rein getan." Er hätte sie damals wirklich gerne bei sich gehabt. Dann wäre er nicht so alleine gewesen, oder hätte sich zumindest so gefühlten. Stegi legte alle Sachen beiseite und sah sich dann kurz zu beiden Seiten um. Die ganze Aktion hatte ihn nur noch müder gemacht. Er wollte jetzt dringend schlafen. Sicher würde es ihm keiner übel nehmen, wenn er sich jetzt gegen Tim lehnte, die Augen schloss und schlief. Alles weitere konnten sie auch noch morgen besprechen. Dann hatte er sich auch nen Plan überlegt, wie er Tobis Unschuld beweisen konnte und keinen von ihnen verletzte. Für ihn kam es nicht mehr in Frage, dass Tobi gehen würde. Stegi spürte eine weitere Welle an Müdigkeit seinen Körper durchfluten. Seine Augenlider wurden schwer und die Welt um ihn herum geriet außer Fokus. Stegi kämpfte nicht dagegen an, sondern ließ seine Augenlider zufallen und seinen Körper nach hinten fallen. „ Müde?", fragte Tobi ruhig. Irgendjemand der nicht Tim war strich ihm so eben über die Wange. Ein weiteres Zeichen dafür, dass er nicht alles verbockt hatte. Mit großer Wahrscheinlichkeit war es Tobi, denn Basti und Veni waren beide nicht diejenigen, die ihn so zärtlich berührten. Zumindest normal nicht. Träge brachte Stegi noch ein nicken zustande. Er könnte auf der Stelle einschlafen. Begünstigt wurde das ganze noch, als Tim sich zurück sinken ließ, bis er lag. In seine Arme wurde etwas weiches gedrückt. Stegi brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass es sein Stoffhund war, den er dann sofort an seine Brust zog. „ Schlaf schön kleiner. Und ruh dich wirklich mal richtig aus. Ich hab teilweise das Gefühl du vergisst, was heute alles passiert ist." Wie könnte er das vergessen? Der Tag würde ihm immer in Erinnerung bleiben. Und natürlich hatte er nicht vergessen, dass er heute morgen unter Amalias Messer lag, aber er verdrängte es gerne mal. Stegi wusste nicht, wie lange er brauchte, bis er einschlief, aber lange durfte es nicht gedauert haben. Geräusche von außen nahm er keine mehr wahr. Entweder wie waren still, oder es war die Gewohnheit Geräusche auszublenden, die ihm vorgaukelte, er würde nichts hören. So oder so war es ihm so ziemlich egal.

„ Schläft er schon?", flüsterte Nelaphine, keine fünf Minuten, nachdem Tim sich mit Stegi hingelegt hatte. Tim war sich ziemlich sicher, dass Stegi bereits weg war, aber er prüfte es kurz nach. Mit dem Zeigefinger strich er Stegi kurz über die Nasenspitze. Er hatte die Erfahrung gemacht, das wenn Stegi schlief und man ihn an der Nase kitzelte, dass er diese kraus zog. Das tat er aber nur, wenn er wirklich schlief. Sonst fing er an zu lachen. Zwar konnte er es nicht sehen, aber er spürte, das Stegi die Nase kräuselte. Damit war klar, dass er schlief. Und das teilte den anderen auch genauso mit. „ Schläft tief und fest.", meinte Tim mit einem leichten grinsen. Es war toll, dass Stegi endlich mal in seinen Armen einschlafen konnte. Früher war das undenkbar gewesen. Stegi war stets nach ihm eingeschlafen und vor ihm wach. Weil er ihn nicht hatte wecken wollen, hatten sie wenn nebeneinander geschlafen. „ Ich kann's fast nicht glauben. Ich hab Stegi fast nie schlafen sehen. Man könnte meinen, er kam ohne Schlaf aus." Wissentlich auf gar keinen Fall. Da wäre Stegi niemals eingeschlafen. Wenn musste man schon mitten in der Nacht auftauchen, um Stegi schlafen zu sehen. Daran merkte man eigentlich, wie Paranoid Stegi gewesen war. Andererseits war es nach den Ereignissen von heute für Tim verständlich gewesen. „ Er hatte nur Angst das alles hier im Schlaf auszusprechen." Tim hatte selbst erlebt, dass Stegi hiervon träumte und dann anfing zu reden. Nur hatte er den Worten damals nicht viel entnehmen können.

Von Geheimnissen, Komplexen und verbotener Liebe Stexpert/ Venation FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt