Es wird Zeit

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Tim fiel es unheimlich schwer diesen Satz über die Lippen zu bringen. Doch er wusste, dass es die Wahrheit war. Selbst wenn das hieß, dass Stegi nun doch sterben würde. Ohne zu kämpfen würde er Stegi nicht sterben lassen, da konnten sie sich alle sicher sein. Betretenes schweigen legte sich über die Gruppe. Keiner traute sich mehr auch nur einen Satz zu sagen. Ihnen wer klar, dass sie nicht beide retten konnten. Einer würde sterben müssen, um den anderen zu retten. Die Entscheidung war definitiv nicht einfach, aber im Ernstfall würden sie Tobi retten. Auch wenn es Tim das Herz brach. Die Zeit schien zu rennen und gleichzeitig zu kriechen. Keiner wollte, dass die Zeit um war und gleichzeitig wollten sie, dass Stegi in dieser Zeit aufwachte. Doch er tat es nicht. Und die Stunde der Entscheidung war erschreckend nah gerückt. Wortlos standen Veni und Basti auf und verließen das Zimmer. Tim wusste, das es Zeit war und er Stegi hier liegen lassen müsste, um zu versuchen Tobi zu retten. Doch er konnte und wollte sich nicht lösen. Er wollte bis zur letzten Sekunde bei Stegi bleiben. Und es erwies sich als sinnvoll. In einem Moment, wo er die Augen geschlossen hatte und stumm betete, fing Stegi an sich leicht zu bewegen. Sofort öffnete er die Augen und sah auf Stegi hinab. Er hatte nur den Kopf bewegt. Trotzdem war das ein großer Fortschritt. Wenn Stegi jetzt doch noch aufwachte, wäre das großartig. Behutsam rüttelte er an Stegis Schulter. Stegi ächzte und versuchte sich aus seinem Griff zu winden. Er wurde wach. „ Kleiner. Hey werd wach. Es ist wichtig." Stegi drehte sich erneut weg und murmelte etwas vollkommen unverständliches. Er konnte sein Glück kaum fassen. Stegi wurde gerade rechtzeitig wach. Noch konnte alles gut werden. Noch mal sanft rüttelte er an Stegi und endlich schlug dieser blinzelnd seine Augen auf. „ Guten Morgen mein kleiner.", hauchte Tim lächelnd. Stegi war wach und er war am Leben. „ Bin ich tot?", fragte Stegi schwach und ein wenig bedauernd. „ Nein, aber du warst knapp davor kleiner. Hör zu, wir haben ein Problem. Ich weiß dir geht es macht gut und du bist gerade mal eine Minute wach, aber wir haben keine Zeit mehr." Im Moment überforderte er Stegi wahrscheinlich restlos, aber sie hatten keine Zeit mehr. Maximal noch ein paar Minuten. Auch wenn Stegi gerade vollkommen plan- und orientierungslos war, konnte er darauf keine Rücksicht nehmen. Er würde Stegi langsam die Situation erklären, ihn dabei ein bisschen wach werden lassen. Danach müsste er Stegi wahrscheinlich tragen, damit er sich nicht zu sehr verausgabte und sie noch rechtzeitig ankamen. Hoffentlich war Stegi aufnahmefähig. „ Hör zu. Die haben Tobi geschnappt und wollen ihn hinrichten. Du hast dir das Herz nicht verbrannt, sondern eingefroren. Sie glauben, Tobi wollte dich töten. Du musst ihnen die Wahrheit sagen. Ich werd dich da jetzt hinbringen." Stegi schien mit jedem seiner Worte wacher zu werden. Dementsprechend veränderte sich auch sein Gesichtsausdruck. Von schmerzvoll, zu besorgt, verängstigt, fassungslos bis hin zu entschlossen. Der müde und erschöpfte Ausdruck in seinen Zügen blieb jedoch bestehen. Beruhigend drückte Tim seine Hand. Er musste Stegi gerade sehr geschockt haben. Als Stegi jedoch probierte sich aufzurichten, drückte er ihn bestimmt zurück. „ Vergiss es Stegi. Du bleibst liegen. Du bist viel zu schwach, um etwas auf eigene Faust zu machen. Wir retten ihn. Versprochen." Stegi war jedoch stur wie immer und richtete sich trotz der Hand an seiner Brust auf. Stegi spürte die Erschöpfung und den Schmerz bis in den letzten Knochen. Aufgeben war aber keine Option. Tobi war wegen ihm in Gefahr. Niemals würde er sich verzeihen, wenn Tobi wegen ihm was passierte. Das hatte er nicht gewollt. Allein das aufsetzen hatte ihm die ganze Kraft geraubt. Doch er würde über seine Grenze hinaus gehen, um Tobi zu retten. Selbst wenn er sich dabei zerstörte. „ Gibt es einen Plan?", fragte Stegi schwach und sah Tim an. Er konnte nicht recht einschätzen, ob Tim aus Mitleid hier war, oder ob es ihm wirklich was bedeutete. Nach allem was er abgezogen hatte, würde er nicht mal mehr zweitens glauben. „ Nicht wirklich. Wir hatten gehofft, wenn du die Wahrheit sagst, dass sie Tobi in Ruhe lassen werden. Allerdings würdest du dann gleichzeitig preisgeben müssen, was du bist." Richtig. Um Tobi zu retten würde er es aber ohne zu zögern tun. Es musste jedoch eine andere Möglichkeit geben. „ Folter, gehängt oder erschießen?", wollte Stegi schwach wissen. In seinem Kopf baute sich langsam ein Plan zusammen, der allerdings nur bei einer Möglichkeit funktionierte. „ Bogen.", antwortete Tim mitleidig. Das war gut. In dem Fall konnte er noch etwas ausrichten. Wenn es auch sehr riskant war. Vorausgesetzt, er kam auf die Beine. Ein besserer Plan existierte ja scheinbar nicht. „ Hilfst du mir hoch und bringst mich nach unten? Ich hab einen Plan, der vielleicht funktionieren könnte.", offenbarte Stegi und streckte seine Arne aus. Allein das tat schon unheimlich weh. Das musste er jetzt eben aushalten. Dagegen half selbst das beste Schmerzmittel nicht. Mit Absicht sagte er Tim nicht, was genau er vorhatte. Der würde ihn erst recht abhalten wollen. Tat er ja schon, als er sich aufsetzen hatte wollen. Unbedingt musste er aber eigenständig laufen und sich bewegen können. Sonst wurde das nichts. Entgegen seiner Erwartung erhob Tim sich, griff ihm unter die Arme und hob ihn auf seine eigenen zwei Füße. Stegi taumelte leicht aufgrund des Gleichgewichtsverlusts, wurde aber sicher gestützt. Er war viel zu schnell aufgestanden. Das sollte er vermeiden. „ Stegi das ist keine gute Idee. Lass dich bitte runter tragen kleiner. Du hast gerade eine Op am Herzen gehabt, an der ich nicht ganz unbeteiligt war. Du sollst dich schonen. Amalia hat die ein Haufen Schmerzmittel verabreicht und was, damit du schneller wach wirst." Amalia wusste also Bescheid. Gut zu wissen. Die konnte ihm noch sehr nützlich sein bei seinem Plan. Zwar lag ihm die Op noch in den Knochen, aber darauf konnte er einfach keine Rücksicht nehmen. Er musste sich zusammenraffen und die Zähne zusammenbeißen. Für Tobi. Tim griff ihm unter die Arme und half ihm vorwärts zu laufen. Allein die paar Schritte waren unheimlich anstrengend. Aufgeben war aber keine Option. Tobi musste überleben. Das war er ihm schuldig.

Von Geheimnissen, Komplexen und verbotener Liebe Stexpert/ Venation FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt