Schlechte Erinnerungen

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Seine Freunde hatten sich von ihm abgewandt, als er wieder zur Schule kam. Von dort an hatte er die Pausen alleine verbracht, meist in der Bibliothek, weil er dort seine Ruhe fand und auch in Ruhe gelassen wurde. In seinem gesamten Leben hatte er sich noch nie so allein gefühlt.
Zumindest war er damals der Auffassung. Wo er alles und jeden tot zurück lassen musste, da hatte er wirklich alles verloren und war einsam gewesen. Doch jetzt hatte er neue Freunde und ein neues Leben. Niemals könnte es aber das ersetzen, was er gehabt hatte.
Seine Freunde könnten niemals die Familie ersetzen, die er verloren hatte. Ihm nie die Liebe geben, die er von seiner Familie bekommen hatte. Als Tobi aus seinen Gedanken wieder raus kam, saß er schluchzend und mit Tränenüberströmten Gesicht ab Boden vor dem Fenster. Rafael schien auf ihn eingesprochen zu haben und tat es immer noch.
Und Stegi? Der kniete mittlerweile neben ihm und hatte einen Arm an seine Schulter gelegt.
„ Alles in Ordnung?", fragte Stegi leise und hielt den anderen Arm einladend auf, sodass er sich in Stegis Arme ziehen lassen konnte. Er ließ sich gegen den älteren sinken, vergrub das Gesicht in dessen Schulter. Die Arme des kleineren schlossen sich um ihn, drückten ihn beruhigend an Stegis Brust.
„ Morgen wird's besser sein, versprochen." Was beruhigend auf Tobi wirken sollte, brachte ihn nun noch mehr zum schluchzen. Genau das hatte Lukas immer zu ihm gesagt, wenn es ihm schlecht ging. Aber das konnte Stegi natürlich nicht wissen. Es war nur so dahin gesagt.
„ Bei unseren Geistern, ich hasse dieses gottverdammte magische Feld. Ich würde dich jetzt gerne in den Arm nehmen. Stegi pass bitte du auch auf. Ich möchte nicht, dass ihr gleich beide heulend am Boden sitzt und keiner euch trösten kann, ok?" Veni war sauer, verständlich. Probleme zu isolieren war doch keine Lösung.
Man sollte Tobi auf den Marktplatz stellen, damit jeder ihn kennenlernen und sich ein Bild von ihm machen konnte. Wenn es möglich wäre, würde er dieses Feld eintreten, um zu den beiden zu kommen. Doch gegen diese Art Magie konnte er rein gar nichts ausrichten.
„ Keine Angst, ich hab mich unter Kontrolle. Um ihn mach ich mir da mehr Gedanken. Zwar kenn ich seine Vergangenheit nicht, aber ohne scheint's nicht gewesen zu sein. Er braucht jemanden, der für ihn da ist und ich glaub nicht, dass ich ihm das als Freund vermitteln kann. Ich wünschte, es gäbe Wege, wie du hier rein kommen könntest.", gab Stegi leise von sich, um Tobi nicht weiter zu stören.
Er lag grade nur noch leise schluchzend in seinen Armen und krallte sich in den Stoff seines Pullovers. Natürlich konnte Stegi für Tobi da sein, aber er konnte ihm nicht das geben, was er im Moment brauchte. Diese Liebe konnte ihm nur Rafael geben. Das er das Gefühl hatte, geliebt zu werden und nicht allein zu sein.
Etwas was er selbst über Jahre schmerzlich hatte vermissen müssen. Daher konnte er gut nachvollziehen, wie es Tobi damit ging. So viele Menschen um einen herum und trotzdem fühlte man sich alleine.
„ Verdammt es reicht, ich geh Nelaphine suchen und frag sie, ob sie das Schild durchgängig für mich und Tim machen kann. So geht das nicht weiter. Gib mir ein paar Minuten." Veni verschwand, um Nelaphine zu suchen und ließ die beiden zurück.
Beruhigend strich er Tobi weiter durch die Haare, in der Hoffnung, dass es etwas brachte. Die Tränen wurden langsam immer weniger und auch sein Körper bebte lange nicht mehr vor schluchzen. Er hielt Tobi einfach nur weiter in den Armen, lehnte sich irgendwann an die Wand und zog Tobi zu sich auf den Schoß.
Leicht hob Tobi den Kopf an, um zu sehen, warum er plötzlich bewegt wurde. So aber konnte er nur Stegis lächelnden und zugleich liebevollen Blick sehen.
„ Ich weiß, es muss schwer sein. Aber du darfst nicht den Kopf in den Sand stecken. Beruhig dich und dann warten wir ab, was Veni bei Nelaphine erreichen kann. Sollte er es schaffen, wird Tim dir sicher helfen, Kontakt zu deinen Geistern und deiner Familie aufzubauen. Dann ist jemand vertrautes um dich."
Tatsächlich konnte er Tobi damit ein kleines schwaches Lächeln entlocken und allein das war es ihm wert. Fest umarmte er Tobi noch Mals, der diese jetzt erwiderte, wenn auch ein wenig schwach. So war das doch schon besser. Stegi schaffte es sich mit Tobi im Arm aufzurichten und ihn rüber auf das Sofa zu bringen. Gemeinsam ließen sie sich dort fallen, doch er behielt Tobi fest in eine Umarmung geschlossen.
Es dauerte nicht lange, da klopfte es wieder gegen das Fenster. Von hier aus konnte man dieses gerade so einsehen. Somit konnte Stegi auch sehen, dass es wieder Veni war.
„ Tut mir leid Jungs, Nelaphine kann und will nichts machen. Ich hab alles probiert. Kommt ihr auch alleine klar?" Tobi nickte in seine Brust. Mittlerweile hatte er aufgehört zu weinen und auch mental war alles wieder halbwegs in Ordnung. Keine Ahnung wie, aber Stegi hatte es geschafft, dass er sich weniger schlecht fühlte.
Mit absolutem nichts tun. Er war einfach nur da gewesen, aber genau das hatte er gebraucht. Es würde ihm hier schon nicht so schlecht ergehen. Ein paar Wochen war das aus halt bar.
„ Keine Sorge, er hat sich mittlerweile beruhigt. Nichts für ungut, aber euer Gespräch muss sich ein bisschen verschieben. Kommst du Morgen noch mal her? Dann bin ich auch gleich da und kann Tobi trösten, falls wieder was sein sollte."
„ Ok dann gute Nacht Jungs. Und passt bitte auf euch auf. Ach und ganz liebe Grüße von Tim. Er vermisst dich schrecklich." Letzteres witzelte er eindeutig. Zwar vermisste Tim ihn, aber das war dann doch ne Nummer zu dick aufgetragen. Damit ging Veni wieder.
Nur würden sie diesmal alleine bleiben. Schlimm war das für Stegi nicht. Er war gewöhnt ans allein sein.
„ Komm wir gehen rüber und machen uns bettfertig und dann kuscheln wir zusammen, wenn du willst." Von Tobi kam ein schwaches Nicken und er löste sich leicht von Stegi. Dann würden sie eben jetzt schon ins Bett gehen.

Von Geheimnissen, Komplexen und verbotener Liebe Stexpert/ Venation FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt