Das Findelkind

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Nachdem wir wieder zur Wache zurückgekehrt waren, saßen wir alle zusammen am Tisch im Gemeinschaftsraum und unterhielten uns über Gott und die Welt. Als ich dann aber dringend auf die Toilette musste, entschuldigte ich mich bei Louis, mit dem ich gerade in ein Gespräch verwickelt war, und ging schnell auf die Toilette. Danach holte ich meine kleine Kosmetiktasche aus meinem Schrank und besserte mein Make-Up ein wenig auf. Als ich dann aber wieder zu meinem Schrank ging, hörte ich ein leises wimmern, welches von draußen hörte. Da ich ein schlechtes Gefühl bei der Sache hatte, zog ich mir meine dicke Jacke über und schritt in die Kälte.

Die Temperaturen schienen minütlich zu sinken und der Schnee wurde immer mehr. Nach kurzem umsehen sah ich einen roten Maxi-Cosi im Schnee liegen, in welchem ein neugeborenes lag, welches nicht älter als 3 Tage aussah. Es war eingewickelt in viele Decken und trotzdem würden diese Temperaturen den sicheren Tod für das Kind bedeuten. Ich nahm es aus der Schale und wickelte es in meine Jacke ein, welche tausend mal wärmer war als diese billigen dünnen Decken. Das Kind in meine Brust gedrückt und in der anderen Hand den Maxi-Cosi rannte ich wieder rein und lief zu den anderen. Mit einem leicht panischem Ruf machte ich sie auf mich aufmerksam und sofort verriet mein Blick, dass etwas nicht stimmen konnte.

"Ich hab es draußen gefunden.", leichenbleich hielt ich ihnen den Säugling entgegen. Mary nahm ihn mir sofort ab und sah ihn sich genauer an. Es war ein kleines Mädchen und glücklicherweise so wie es scheinte putz munter.

Wir wollten ins Krankenhaus fahren, allerdings waren die Straßen mittlerweile so zugeschneit, dass es sicherer für alle war hier zu bleiben. Das Jungendamt konnte auch erst in einigen Stunden hier sein, weshalb Michael und Mary entschieden zum Supermarkt an der Ecke zu gehen, um Babynahrung, Windeln und warme Säuglingskleidung zu kaufen. Währenddessen nahm ich mir nochmal den Maxi-Cosi vor. Und siehe da, ich fand tatsächlich einen Zettel.

Danke an den, wer auch immer dies gerade ließt.

Das Mädchen heißt Mariah, sie ist gestern am Morgen des 17. Dezembers, zwischen Mülltonnen und Dreck geboren. Ich kann ihr kein glückliches und sicheres Leben bieten. Ich bin noch sehr jung. Habe weder einen Schulabschluss, noch gehe ich arbeiten. Dazu kommt noch, dass der kleine Engel einen Vater hat, den sie nicht verdient. Er sagte ich solle sie einfach in eine der Mülltonnen schmeißen und mich nicht weiter drum kümmern, doch als ich vor ein paar Tagen diesen Maxi-Cosi zwischen den alten Möbeln auf der Müllkippe sah, stieg ich kurzerhand durch ein Loch in dem Zaun und holte ihn und diese alten Decken. Eine bekannte hatte noch diese Kleidung. Mehr hatte ich nicht. Ich habe es nicht übers Herz gebracht sie dem sicheren Tod zu überlassen und schon gar nicht ihrem Vater. Seit ca. 7 Monaten sehe ich immer dieses junge Mädchen, dass bei den Einsätzen mitfährt und sich mit allem was sie hat für die Leben der Menschen einsetzt. Ich habe sie schon öfters im Fernsehr gesehen und weiß auch, dass sie die Tochter eines reichen Mannes ist. Da ich weiß, dass ein Kind nicht günstig ist und auch sehe, dass sie ein unglaublich gutes Herz hat, möchte ich, dass sie sich mit um meine Prinzessin kümmert. Ich möchte, dass mein Kind normal aufwächst und das Leben leben kann, dass sie verdient. Sie soll wissen, dass sie eine sie liebende Mutter hat aber niemals erfahren, dass ich sie allein gelassen habe. Ich bin bereits vor 3 Jahren von zuhause weg. Meine Mutter war eine Prostituierte und mein Vater vergewaltigte uns täglich. Ich möchte nicht, dass ihr das selbe widerfährt. Ich weiß, dass sie bei ihnen in guten Händen ist und sich die junge Frau gut um das wohl meiner Tochter sorgen wird. Ob sie sie nun aufzieht oder ihre neuen Eltern auswählt, dass sei ihr überlassen.

In liebe,
G.

Louis, welcher mir die gesamte zeit über die Schulter gesehen hatte, schüttelte ungläubig den Kopf. Er verstand nicht, dass es so etwas schreckliches heutzutage noch gab. Mir fiel es auch schwer, vor allem, da sie offensichtlich mich meinte mit der jungen Frau.

"Ich bin vorbestraft, die vom Jugendamt lassen mich einen scheiß entscheiden.", verzweifelt raufte ich mir die Haare. Mariah war eingekuschelt in meinem Bett am schlafen. Louis und ich saßen daneben und dachten nach. Das war surrealer als alles was ich je erlebt hatte. Ich fühlte mich dem Kind irgendwie verbunden. Immer hin wollte ihre Mutter, dass ich über sie wachte.

Als wenig später Mary und Michael zur Wache zurückkehrten machten Mary und ich der kleinen erstmal eine frische Windel und zogen ihr frische und dickere Sachen an. Naja eher zog Mary sie um und ich starrte ganz genau auf ihre Finger. Danach mischte Mary die Säuglingsmilch an und zeigte mir, wie ich ihr die Flasche gab und sie danach abbauern ließ.

Als das alles geschafft war, übergab mir Mary wieder das mittlerweile eingeschlafene kleine Mädchen und ich setzte mich mit ihr auf die Couch im Gemeinschaftsraum.

Sie war so klein und unschuldig und doch hatte sie schon ein schreckliches Schicksal hinter sich. Armes kleines Ding. Ich war schon jetzt hin und weg von ihr. Das letzte mal, dass ich ein Kind im Arm hatte, passte ich mit ca 10-11 Jahren auf das Kind einer Bekannten auf. Es machte mir immer spaß und es machte mich sehr erwachsen. Ganz zu schweigen von meiner Liebe zu Kindern, welche dadurch nur noch mehr wuchs.

Als sich der Schnee am Abend dann ein wenig legte, fuhr ich mit Mariah zu mir nach Hause und legte sie in mein Bett zum schlafen, da die anderen alle der Meinung waren, dass wir dem Wunsch ihrer Mutter folge leisten sollten und Mary mir unter die Arme greifen würde. Gleich morgen würde los in den nächsten Babyfachmarkt fahren und alles was ich für sie benötigte kaufen. Danach würden Mary und ich uns mit dem Dienst abwechseln. Sollten wir beide frei haben, würde ich Mariahs 'Mutter' sein.

The GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt