Dieser eine Moment

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Als wir am 20.12.21 mal wieder in Miami anreisten, begrüßte ich zum ersten mal seit Jahren auch meinen Vater zu Weihnachten herzlich. Die warmen 25°C Außentemperatur schlagen sich um meinen noch durchgekühlten Körper und auch meine Brüder schlossen lächelnd ihre Arme um mich.

In letzter Zeit dachte ich viel nach. Vor knapp 2 oder 3 Wochen hatte mich mein Arzt bei einer Kontrolluntersuchung darüber informiert, dass ich vermutlich wieder zur Feuerwehr könnte, sollte ich ausreichend dafür trainieren, was ja definitiv der Fall sein würde, sollte ich mich dazu entscheiden, zur Akademie zu gehen. Von Grazia wusste ich jedenfalls, dass viele Feuerwehrleute vorher eine kriminelle Vergangenheit, beispielsweise mit Gangs hatten, was ja auch bei mir der Fall war. Auch hatten viele sich erst nach dem ersten oder zweiten Beruf dazu entschieden, auf die Akademie zu gehen.

Ich wusste, dass die Feuerwehr mein Leben war aber die Firma war es eben auch. Vor allem, da ich demnächst meine eigene Hotelkette eröffnen wollte, kam das alles ziemlich ungelegen. Ich war einfach extrem Verunsichert. Mein Leben schien im einen Moment so sicher und einspurig und auf einmal wurde ich wieder komplett aus der Bahn geworfen. Es musste doch einfach irgendeinen Weg geben, der mir beides ermöglichte. Vielleicht stellte ich einen Geschäftsführer ein. Sozusagen einen Hotelmanager, damit ich hier in Chicago bei der Feuerwehr arbeiten konnte.

"Madison? Wann wolltest du dich eigentlich fertig machen für den Ball?", fragte Kyle, welcher sich gemütlich aufs Bett gelegt hatte, während ich am Fenster stand und nachdachte.

„Keine Ahnung. Wie viel Uhr ist es denn?", fragte ich meinen Freund.

„Gleich 18 Uhr. Um acht beginnt der Ball.", abwartend sah er mich an. 

"Okay, dann geh ich jetzt duschen und mach mich dann fertig.", lächelnd drehte ich mich um und gab Kyle einen Kuss, bevor ich im Bad verschwand, um meinen Plan in die Tat umzusetzen. 

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Fertig gestylt und angezogen nahm ich die Hand meines Freundes und begab mich mit ihm in den großen Ballsaal unseres Anwesens. Auch Xiomara war mit Mariah und ihrem Mann hier, welche ich als erstes begrüßte. Grinsend nahm ich Mariah auf den Arm, welche sich als Prinzessin prächtig entwickelt hatte. Ihr vielen dunkle Löckchen über die Schulter und sie hatte ein hübsches Kleidchen an, in welchem sie umher stolperte. Wenn ich es nicht besser wissen würde, könnte ich glatt behaupten, sie wäre tatsächlich die Tochter von Xiomara und Edward. 

Als die kleine dann anfing zu tanzen, war es komplett um mich geschehen. Ich konnte weder klar denken, noch sonst irgendwas. Für einen Moment waren alle Gedanken, die mich in dem Moment beschäftigten vergessen und ich schmolz regelrecht dahin. Kyle beobachtete mich lächelnd, als er sich mit irgendwelchen Freunden unserer Familien unterhielt. Für diesen einen Moment schien alles Perfekt. 

Bis dieser Moment von einem lauten Knall unterbrochen wurde. In der nächsten Sekunde folgen weitere und ich erkannte, dass dies zweifellos Schüsse sein mussten. Alarmiert sah ich zu meinem Freund, welcher bereits seine Dienstwaffe gezückt und sein Handy am Ohr hatte. Seine Augen flogen durch den Raum, bis er an mir hängen blieb. Mit schnellen Schritten, kam er zu mir herüber und befahl Xiomara, Edward und mir uns schnellstmöglich mit der Kleinen zu verstecken.

Ich allerdings konnte mich nicht verstecken. Nicht wenn ich helfen konnte. Ich wusste, wo der Waffenkeller war. Ich wusste, wie ich mit einer Waffe umzugehen hatte. Ich konnte helfen und Kyle deshalb unmöglich allein lassen. Mit einer kurzen Bewegung griff ich nach seiner Hand und zog ihn mit mir. Ich zog ihn durch die versteckten Gänge des Anwesens, welches beinahe einem Schloss ähnelte. 

Als ich das biometrische Schloss an der Tür mit meinem Auge öffnete, staunte Kyle erstmal nicht schlecht. Ca. 30 Meter ging der Raum in die Länge und 20 in die Breite. Die Waffenschränke gingen bis unter die Decke und zogen sich überall an den Wänden und auch mitten im Raum entlang. An die 800 Waffen fanden hier ihren Platz. Wir waren besser ausgestattet als einige Polizeiwachen. Auch Schutzausrüstung wurde hier gelagert, nicht zu schweigen von den Überwachungskameras und Schließsystemen, welche man von hier aus im Griff hatte. Wir standen also gerade im Herzen dieses Anwesens. 

Sobald Kyle sich aus seiner Starre gelöst hatte, schenkte er mir noch einen kurzen skeptischen Blick, bevor er sich bediente. Er zog sich Schutzkleidung über und auch mir zog er eine Weste über den Kopf. Dank dem Schlitz, welcher an meinem Bein war, konnte ich mir eine Pistole am Bein befestigen. Außerdem steckten wir uns Messer, Munition und Waffen für meine Brüder ein. 

Es drangen immer öfter Schüsse durch die Mauern und so langsam konnte man auch Schreie hören. Sie waren also zum Ballsaal vorgedrungen. Mit einem letzten Kuss teilten Kyle und ich uns auf und ich war auf mich allein gestellt. Ich hatte sowas schonmal erlebt. Da stand ich allerdings nicht unbedingt auf der guten Seite, unsere Gegner aber auch nicht. Als ich damals in der Gang war, hatte eine verfeindete Gang Leute von uns als Geiseln genommen. Wir stürmten das Gebäude und befreiten unsere Leute, verloren aber auch einige. 

Ich hatte eigentlich kaum gute Erinnerungen an diese Zeit. Lediglich, dass ich eine Familie hatte, die sogar für mich in den Knast gehen würde, da ich sowas wie der Liebling vom Chef war. Im Endeffekt war ich aber sehr froh da raus gekommen zu sein. 

Als ich wieder einen Blick in den Ballsaal werfen konnte, zählte ich 4 Männer, alle schwer bewaffnet. Kyle entdeckte ich hinter einer Säule, wie er sich versteckte. Es lagen bereits Verletzte oder Leichen am Boden, was ich von hier aus nicht gut auseinander halten konnte. Xiomara, Edward und Mariah konnte ich Gott sei dank nicht entdecken. Dafür aber meine Brüder und meinen Vater gefesselt in einer Ecke. 

Plötzlich wurde die Lage wieder unruhig. Einer der Angreifer hatte scheinbar Kyle bemerkt. Während sie abgelenkt waren, begab ich mich zu meinen Brüdern, welche in meiner nähe waren, und befreite sie von den Fesseln. Ich drückte ihnen unauffällig jedem eine der Waffen in die Hand und schob die jeweilige Munition in die Taschen, bis ich wieder einen Schuss hörte. Diesmal unmittelbar in meiner Nähe. Mein Blick schoss zu Kyle, welcher sich stöhnend das Bein hielt. Ich gab meinen Brüdern ein Zeichen und gemeinsam überrumpelten wir die Angreifer, was zum Glück auch ohne den Einsatz der Waffen gut möglich war, bis sich noch ein Schuss löste. 

Geschockt hielt ich die Luft an. Ich wusste weder woher der Schuss kam, noch wohin die Kugel flog. Mit den Adern voller Adrenalin, sah ich mich um. Mein Blick blieb an meinem Freund hängen, welcher sich mit weit aufgerissenen Augen den Bauch hielt. Die Weste neben ihm, genauso wie einige Mengen Blut. Schreiend rammte ich dem Mann, welcher nun mich festhielt mein Messer erst ins Bein und dann in die Brust, bevor ich mich auf Kyle stürzte. 

"Warum hast du deine Weste nur abgenommen?", murmelte ich voller Tränen und presste meine  Hände auf seine stark blutende Wunde. 

Das war auch einer der Momente. Im Augenwickel nahm ich wahr, wie Ryan einem das Genick brach, woher er diese Kraft nahm wusste ich auch nicht. Jayden rammte dem anderen sein Messer in den Hals und Dylan schoss dem letzten in die Brust. Alle drei kamen auf uns zu gelaufen und halfen mir die Blutungen zu stillen, was allerdings nicht viel half. Mein vorher so goldenes Kleid war nun in ein dunkles Rot getunkt, genau wie Kyles weißes Hemd. Er war so verdammt schön gewesen. Nun stand ihm der Tod ins Gesicht geschrieben. 

Nur nebenbei bemerkte ich, wie ich von meinem Freund weggerissen wurde und im nächsten Augenblick eine lange Klinge durch meine Haut stach, woraufhin ich auch zu Boden ging. Das einzige, was ich noch spürte, war die Gewissheit, nach welcher ich mich so lange gesehnt hatte. Die Gewissheit, dass ich, falls ich das hier überstehen sollte, Feuerwehrfrau werden würde und alles was ich hatte dort hinein stecken würde. 

Doch was, wenn ich das ohne Kyle tun müsste? 

Könnte ich mein Leben ohne ihn Leben? 

The GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt