Freispruch

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Am nächsten Tag saß Kyle mit Mariah auf der Couch und beschäftigte sie, während ich uns etwas zu Essen kochte und nebenbei lernte. Als es dann plötzlich an der Tür klingelte, wurde ich stutzig. Wer würde denn bitte Sonntags an meiner Tür klingeln, wenn ich niemanden erwartete?

Als ich die Tür öffnete, wollte ich sie am liebsten gleich wieder schließen, denn niemand geringeres als Officer Simpson stand davor. 

"Was möchten sie?", tief durch atmend, stellte ich mich ihm entgegen und lächelte höflich.

"Wir müssen dringend etwas klären Mrs. Queens. Es geht um ihr Urteil.", stirnrunzelnd ließ ich ihn rein. Als Kyle jedoch sah, wer er war, stand er ebenfalls auf und begrüßte ihn. Zusammen setzten wir uns an den Esstisch und schwiegen erstmal, bis Simpson das Wort erhob.

"Es gab noch mehr Brandstiftungen, welche alle nach dem Muster gelegt wurden wie es damals bei ihnen war. Erst dachten wir sie seien es gewesen, nachdem wir das aber ausgeschlossen haben, haben wir über einen Nachahmungstäter nachgedacht, welchen wir dann tatsächlich fanden. Als wir ihn dann verhörten, gestand er irgendwann. Nicht nur die neuen Brände. Er erzählte uns auch bis aufs kleinste Detail, was damals geschah. Der Richter hat jetzt alle Unterlagen. Sie werden vermutlich eine hohe Summe an Schadensersatz und Schmerzensgeld bekommen Miss Queens.", das einzige was ich hiernach tat war an die Wand mir gegenüber zu starren. Ich konnte es nicht fassen.

Meine Unschuld war nach beinahe vier Jahren endlich bewiesen worden. Mir stand also nichts mehr im Weg. Ich könnte Mariah adoptieren, ich könnte sogar Polizistin werden. Mir stand alles offen. Das waren zumindest meine Gedanken im ersten Moment. Im nächsten Moment überrollte mich eine Welle von Wut, weshalb Simpson innerhalb von ein paar Sekunden vor der Tür stand. Danach setzte ich mich wieder sprachlos auf die Couch. Schweigend gab ich Mariah ihre Milch und legte sie daraufhin ins Bett, damit Kyle und ich daraufhin etwas Essen konnten.

Noch immer hatte ich kein Wort rausgebracht. Kyle verstand mich. Das tat er immer. Und das wiederum war der Grund, weshalb ich ihn liebte. Mehr liebte als sonst irgendwas anderes. Na schön vielleicht nicht mehr als alles andere. Da gab es ja immerhin auch noch meine Brüder, Michael und ja, auch Mariah. Mittlerweile war sie mir unglaublich ans Herz gewachsen. Ich liebte sie beinahe schon. 

Tage lang ging es so weiter. Morgen würden wir zu meinem Vater fahren. Die Jungs hatten mich überredet. Sie wollten ein Weihnachten als Familie verbringen. Unsere Großtante mütterlicherseits würde auch kommen. Zusammen mit ihren 5 Töchtern. Die jüngste von ihnen war gerade 8 geworden und die älteste, Sophia, war vor einigen Wochen 27 geworden. Vater hatte Kyle und seine Familie tatsächlich auch eingeladen, weshalb seine Eltern, zusammen mit seinen 2 jüngeren Brüdern kommen würden. 

Ich hatte bis jetzt noch nicht viel über sie erfahren können. Kyle hatte mir ab und zu Bilder von seinen Brüdern gezeigt, weshalb ich auch wusste, dass sie Zwillinge waren. Die beiden waren 6 und rotzfrech, wie Kyle immer zu sagen pflegte. Mein Problem an der ganzen Geschichte war aber größtenteils, dass es einen Weihnachtsball geben würde. Sozusagen eine Wohltätigkeitsveranstaltung, ohne guten Zweck. 

Da wir also morgen fahren bzw. fliegen würden, fuhr ich also heute noch in die Stadt, wo ich schon in einem Geschäft angerufen hatte, damit sie uns gut Beraten konnten. Ich hatte mir ein wunderschönes schwarzes Kleid raus gesucht und Mariah kaufte ich einen super süßen Weihnachtsstrampler. 

Als ich dies erledigt hatte und wir grade wieder im Auto saßen, rief mich Officer Simpson an und bat mich auf die Wache zu kommen. Genervt schlug ich also den Weg zur Wache ein, wo mir Mariah auch sofort von sehnsüchtigen Feuerwehrleuten aus dem Arm genommen wurde. 

Simpson und ich begaben uns in den Besprechungsraum, wo auch schon Michael, Louis und der Chief warteten. Verwirrt setzte ich mich zu ihnen und wartete schweigend ab, dass einer von ihnen anfing zu reden.

"Madison sie werden nach Weihnachten wieder aufs Internat gehen.", ließ der Chief die Bombe platzen. Verdutzt sah ich zu Michael, welcher mich nur ausdruckslos ansah. 

"Ihrer Ausbildung als Feuerwehrfrau steht nach den Verhandlungen nichts mehr im Weg, weshalb wir uns dazu entschlossen haben, dass es das beste ist, wenn sie sich wieder voll und ganz ihrem Abschluss widmen.", immer noch nicht ganz bei der Sache nickte ich. Irgendwo verstand ich es ja und sie hatten recht. Der eigentliche Grund für meinen Job beim CFD war mein Urteil. Wenn dieses nun zurück gezogen wurde, stände zwischen all dem hier auch auf normalem Weg nichts mehr im Weg. 

"Das ist noch nicht alles.", meldete sich nun auch Louis. 

"Wir geben dir die Möglichkeit Mariah ins Heim zu geben, solange du wieder zur Schule gehst.", angespannt riss ich mich zusammen. Das klang nicht wie eine lieb gemeinte Möglichkeit sondern eher wie eine Aufforderung. 

"Ich werde Mariah behalten.", antwortete ich darum ganz ruhig und biss meine Zähne zusammen.

"Ich denke es wäre so besser Madison", der Chief sah mich eindringlich an.

"Ich behalte sie, Michael wieso sagst du denn nichts dazu?", empört sah ich nun meinen Onkel an.

"Es ist nicht meine Entscheidung was du mit dem Kind anstellst Mad.", immer noch versuchte er seine Gefühle zu verstecken.

"Madison ich möchte, dass sie das Kind in die Obhut von jemandem geben, der weiß, wie er damit umzugehen hat.", mit Hochgezogenen Augenbrauen starrte ich dem Mann ins Gesicht, der das gerade gesagt hatte. 

"Darum gehts hier also huh? Sie denken ich kümmer mich nicht gut um sie.", ausser mir vor Wut stand ich auf und blickte den Chief drohend an.

"Nehmen sie mir Mariah weg und ich schwöre ihnen sie kommen ihr Leben lang nicht mehr aus dem Haufen von Klagen raus, der über sie kommen wird. Es ist verdammt nochmal nicht ihre Entscheidung, was ich mit meinem Leben mache und sogar die Frau vom Jugendamt hat gesagt, dass sie nicht gedacht hätte, dass ich das so gut hinbekommen würde. Ich bitte sie also, machen sie sich erst selbst ein Bild und holen sie sich eine Professionelle Meinung ein, bevor sie es noch einmal auch nur wagen so über mich zu Urteilen. Ich dachte sie wären ein besserer Mann und ich dachte sie haben an mich geglaubt aber da das alles ja scheinbar nur ein kleines Spielchen von ihnen war, werde ich jetzt freiwillig meine Sachen packen gehen, mein Kind nehmen und dann endgültig hier verschwinden.", vor Wut brodelnd, schlug ich die Glastür hinter mir zu und ging zu meinem Spind, wo ich alles nur achtlos in meine Tasche schmiss.

Alles was am Ende noch dort hing, waren zwei Uniformen und ein Bild von mir und dem Chief. Mittlerweile war ich an dem Punkt angekommen, wo sich meine Wut in Selbstzweifel änderte. Ich bekam Angst. Angst davor, dass ich zu viel gesagt hatte und vielleicht gar nicht im Recht war mich so gegenüber dem Chief, meinem Vorgesetzten zu äußern. 

Aber das war jetzt auch egal. Ich würde einen Teufel tun und mich entschuldigen, weshalb ich mich mal wieder zusammen riss, zu den anderen ging, wortlos mein Mädchen aus den Arm nahm und fassungslos die Wache verließ. Den Ort der für mich wie ein zweites Zuhause war.


The GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt