Trauer

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"Madison du musst mitkommen.", mahnend sah mich mein Onkel an.

Ich saß in der Feuerwache, hatte meine Academy Uniform an und diskutierte herzhaft mit Michael darüber, ob ich nun zu Kyles Beerdigung sollte oder nicht. Meiner Meinung nach ein klares nein, da ich einfach nicht akzeptieren konnte, dass er nun wirklich tot sein sollte. Ich meine ich hatte seine Leiche gesehen und musste ihn auch mehrmals identifizieren aber ich konnte besser mit seinem Tod umgehen, wenn ich ihn nicht akzeptierte. Zumindest noch war es besser. Mir war bewusst, dass ich es irgendwann akzeptieren musste aber ich konnte einfach nicht. Auch wenn er mittlerweile fast drei Monate tot war, da seine Leiche erst seit ein paar Tagen freigegeben war.

Kein Tag verging, an dem ich nicht an jenen Abend zurück dachte. Keine Nacht verging, in der ich nicht von Albträumen wach gehalten wurde. Keine Sekunde verging, in der ich nicht die Schreie hörte. Meine Schreie. Die Schreie seiner Familie.

"Ich kann nicht, Michael.", so fest ich konnte, erwiderte ich seinen Blick.

"Ich bin Schuld. Hätte ich ihn besser gedeckt oder zumindest irgendwie beschützt. Hätte diese Verdammte Kugel mich getroffen. Er wäre noch am Leben hörst du?", mir stiegen wie jedes mal die Tränen in die Augen, wenn ich es laut aussprach.

"Du wurdest doch selbst getroffen Madison. Nichts hätte etwas daran ändern können.", tröstend nahm er mich in den Arm.

Vielleicht war es war was er sagte. Vielleicht war ich nicht an seinem Tod schuld doch ich hatte angst. Eine Angst die so groß war, dass sie mich übermannte. In knapp zwei Wochen würde ich meine Abschlussprüfung in der Academy haben und dann hier auf die Wache kommen. In ein paar Tagen wäre die Beerdigung und das gesamte PD würde da sein. Außerdem natürlich meine und seine Familie und Freunde. Auch das FD hatte sich angekündigt, zumindest das letzte Salut zu Leisten. Ich konnte das einfach nicht. Zumindest nicht allein.

"Nur wenn du mir nicht von der Seite weichst.", stimmte ich ihm schlussendlich zu, woraufhin er einen zufriedenen Laut von sich gab, bevor er mich dann auch nachhause schickte, damit ich bevor ich morgen früh in die Academy musste noch ein wenig Schlaf bekam.

Als ich nach Hause kam, war es bereits ca 3 Uhr in der Nacht, so lange hatte ich mir auf der Wache meine Zeit vertrieben. Morgen früh um 7 Uhr müsste ich in der Academy sein, was soviel bedeutete, wie dass ich jetzt noch höchstens 3 Stunden Schlaf hatte. Müde steig ich als in mein Bett und begab mich ins reich der Träume.

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Heute war Samstag. Es war genau 9:23 Uhr und in sieben Minuten würde mein Wecker klingeln, damit ich mich für die Beerdigung fertig machen konnte. Wieso ich schon wach war wusste ich selbst auch nicht so recht. Vermutlich, weil ich die gesamte Nacht nicht richtig schlafen konnte. Michael war im Gästezimmer und schlief wahrscheinlich noch tief und fest.

Erschöpft schwang ich meine Füße aus dem Bett und begab mich mit mulmigem Gefühl im Bauch in mein Bad, wo ich erstmal duschte. Als ich wenige Minuten später die Dusche dann wieder verließ, meine Haare gemacht und mir ein dezentes Make-Up aufgetragen hatte, zog ich mir mein bereits zurecht gelegtes Kleid über und packte meine Tasche.

Das einzige was ich wohl wirklich brauchen würde, würden wohl die Taschentücher sein, welche ich reichlich in meiner Tasche verstaute. Michael trat mit einem mitleidigen Blick aus dem Gästezimmer und nahm mich erstmal fest in den Arm. Auch er hatte bereits seine Uniform an. Ich würde die einzige aus dem FD sein, welche nicht ihre Uniform trug, aus dem einfachen Grund, dass ich seine Lebensgefährtin war und noch gar keine Uniform für solche Anlässe besaß.

Beim Frühstück bekam ich keinen Bissen runter und als es dann auch noch Klingelte, was hieß, dass wir nun los fahren würden, wurde mir auf einen Schlag kotzübel.

Mit einem Lächeln, welches nur voll Trauer strotzte, drückten die Jungs mich an sich. Der Rolls Royce, mit welchem wir hergebracht wurden, fuhr weg und Michael drückte aufmunternd meine Hand, während ich immer noch kein einziges Wort von mir gegeben hatte. Alle Gäste wurden von mir nur mit einem Händedruck oder einem leichten Kopfnicken begrüßt und ich konnte nicht leugnen, dass ich am liebsten einfach jedem sein ekelhaft, falsches Mitleid aus dem Gesicht geschlagen hätte.

Immer dieses falsche Aufmuntern und Tätscheln. Egal ob auf dem Kopf, am Arm, der Schulter und am Rücken. Es machte mich einfach bekloppt. Die wenigsten von denen hatten je mit ihm wirklich Kontakt gehabt, ganz zu schweigen davon, dass manche seinen Namen aussprachen. Waren die auf der falschen Beerdigung gelandet oder was?

Die drei Jungs und ich setzten uns in die erste Reihe und betrachteten den verschlossenen Sarg, welcher mit einer amerikanischen Flagge geschmückt war. Neben Besagtem standen Blumenkränze und eine Staffelei auf welcher ein wunderschönes Bild von ihm prangte.

Nachdem viele eine kurze Rede gehalten hatten, darunter auch Officer Simpson, welchen ich hier als letzten erwartet hätte, wurde der Sarg zum Grad getragen. Auch hier sprach der Priester noch ein paar letzte Worte, bevor Kyle in die Erde gelassen wurde. Wir warfen einige Rosen und ein wenig Erde mit hinein und spätestens in diesem Moment war es um mich geschehen.

Liam führte mich weg von der restlichen Trauergemeinde und nahm mich an einem ruhigen Ort in den Arm, während ich mir den gesamten Schmerz vom Herzen schrie und weinte. Ein paar Augenblicke später umschlossen mich auch noch die Arme von Jackson und Killian. Auch meine Jungs mussten mit den Tränen kämpfen, bis auch bei Jackson der Damm gebrochen war. Ich fühlte, wie meine Beine immer schwächer wurden und später nach gaben. Wir knieten auf dem Boden des Friedhofs und realisierten den Tod einer der wichtigsten Personen unseres Lebens.

Wir realisierten, dass wir ihn nie wieder umarmen konnten, nie wieder mit ihm lachen, weinen oder reden konnten. Ich würde mich nie wieder mit ihm streiten können. Gott wie gerne ich ihn grade anbrüllen würde. Einfach nur um ihn nochmal zu sehen. Wie sollte ich nur ohne ihn leben können? Aber ich kam nicht drum herum es irgendwann zu akzeptieren. Alle Erinnerungen gut in meinem Herzen zu verschließen und sie nie zu vergessen. Ich musste akzeptieren, dass es vorbei war.

Asche zu Asche, Staub zu Staub.

The GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt