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Ruhelos schaute Micha sich um, während die letzten Koffer auf die Kutsche gehoben wurden. Es gefiel ihm nicht, dass er Maudado nirgends entdecken konnte. Wenigstens verbaschieden wollte er sich doch.

Oder... war es besser das nicht zu tun? Würde es für Maudado leichter sein, wenn er einfach ging? Sodass seine letzte Erinnerung eine glückliche seine würde und kein herzzerreißend Abschied? Würde es das einfacher machen?

Micha war hin- und hergerissen. Aber bei den Gedanken, Maudado einfach ohne ein weiteres Wort stehen zu lassen, drehte sich ihm förmlich der Magen um.

"Du solltest dich von ihm verabschieden." Chessie schaute ihn gutmütig an, in ihrem Blick ruhte Mitgefühl.

"Ihr habt viel Zeit zusammen verbracht und würdet es bereuen, dieser keinen guten Abschluss zu geben. Ich warte so lange in der Kutsche auf dich. Lasst euch die Zeit, die ihr braucht." Sie drückte ihm ermutigend die Hand, bevor sie die wenigen Stufen hochstieg.
Unschlüssig schaute Micha ihr hinterher. Sein Herz klopfte unruhig.

Wie immer hatte Chessie Recht. Aber würde Maudado das auch so sehen? Würde er sich verabschieden wollen? Natürlich würde er das wollen. Aber, dass er sich in seinem Turm - vermutlich in der Bibliothek - verkrochen hatte, zeigte Micha, dass er sich zu tief in seinem Kopf verloren hatte; irgendwie versuchte, vor dem Schmerz in seinem Herzen davonzurennen. Micha konnte es nur zu gut verstehen.

Aber sie würden es beide bis an den Rest ihres Lebens bereuen, wenn sie jetzt ohne ein weiteres Wort auseinander gingen. Da war er sich sicher. Also steuerte der Prinz zaghaft den Turm an. Mit jedem Schritt wuchs seine Entschlossheit.

"Maudado?", rief er vorsichtig, als er die Bibliothek betrat. Die Luft war staubig und dick und roch nach so vielen verschiedenen Geschichten - Micha konnte nur zu gut verstehen, warum dies einer von Maudados liebsten Rückzugsorten war. Kein Geräusch von draußen drang nach drinnen - weder das Schnauben der Pferde, noch die leisen Worte, die zwischen den Kutschern gewechselt wurden.

Hier drin war noch alles in Ordnung.

"Maudado, bist du hier?" rief Micha erneut, doch wieder bekam er keine Antwort. Da fiel ihm der leichte Luftzug auf. Strinrunzelnd blieb Micha stehen. Seit wann...?

Dann sah er die dunkle Lücke hinter einem schräg stehenden Regal. Gab es hier einen Gehmeingang? Der Prinz war zwar während seiner Zeit nicht oft hier unten in der Bibliothek gewesen, doch so was wäre ihm sicherlich aufgefallen.

Mit der Hoffnung, Maudado am Ende der Leiter zu finden, stieg er in den Gang hinab. Von dem kühlen Gestein umgeben, wurde Micha schlagartig kälter und er zitterte unmerklich.

Weitere Regale begrüßten ihm am Ende der Leiter. Das Licht einer einsamen Fackel, die in der entsprechenden Halterung an der Wand gehängt wurde, erhellte den kleinen Raum etwas.

Unweigerlich musste Micha Schlucken, als er die steinere Dekce sah. Er war jetzt vollständig von Stein umgeben. Sie konnten jederzeit auf ihn drauffallen und ihn unter sich begraben, oder das Regal fiel irgendwie vor den Gang und sie waren hier gefangen, verdammt langsam die Luft hier zu verbrauchen und zu verhungern....

Mit beiden Händen schlug er sich fest auf die Wangen, um sich aus der Gedankenspirale zu reißen. Jetzt war nicht die Zeit dafür. Maudado war wichtiger.

Einen weiteren Moment gab er sich noch, um sich zu beruhigen, dann ging er vorsichtig in den Raum hinein.

"Maudado?" Seine Stimme klang klein und schwach, was Micha ärgerte.

"Mi-micha?" Maudado sah ihn aus großen, tränenerfüllten Augen an. Er hielt ein großen, sehr altes Buch, wie ein Schutzschild vor seiner Brust.

"Wa-was tust du hier unten?"

"Ich bin gekommen, um mich... zu verabschieden." Der Schmerz griff mit eisigen Fingern nach seinem Herzen und riss es ihm aus der Brust, als Micha beobachtete, wie Maudado langsam an der Wand herunterglitt und den Tränen freien Lauf ließ.

In diesem Moment, realisierte Micha zum ersten Mal, dass er Maudado wirklich liebte.

Written by Federsturm

Entschuldigt die momentane Unregelmäßigkeit, aber Klausurenphase und allgemeine Ausgebranntheit hittet hart.

Aber wir geben unser Bestes!

Liebe ist (keine) ZaubereiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt