51

498 55 15
                                    

"Du hast noch mehr Geschwister als Anna?", fragte Micha erstaunt nach. Maudado musste lachen, das dies die erste Frage war, die der Prinz ihm stellte.

"Natürlich. Insgesamt habe ich sechs Geschwister. Vier Brüder und zwei Schwestern. Aber besucht werde ich von ihnen nur selten. Allein Anna kommt regelmäßig vorbei. Sie hält mich auf dem Laufenden. Beispielsweise hat sie mir vor ein paar Tagen berichtet, dass Mexi, unser Zweitältester,  geheiratet hat."

"Meinen... Glückwunsch. Aber ist es nicht... bedrückend zu wissen, dass da draußen Menschen sind, deine Familie ist, die du nicht sehen kannst? Ich habe keine Geschwister, deswegen kann ich das nicht wirklich nachempfinden aber... besonders großartig klingt die Situation nicht." Vorsichtig duckte Micha sich unter einem tiefhängenden Ast hinweg. Maudado Schritte stockten kurz, bei der Natürlichkeit, die derPrinz dabei an den Tag legte. Es wirkte fast, als wäre er hier zwischen den Bäumen groß geworden. Wie viel sich innerhalb ein paar weniger Tage ändern konnte...

"Als großartig kann man das sicherlich nicht bezeichnen. Aber... so soll es sein. Ich vermute, auch dein Leben ist von Verlusten gekennzeichnet." Micha schnaubte nur belustigt.

"Müsste man meine .... Verluste...  alle niederschreiben, würden sie vermutlich deine gesamte Bibliothek füllen. Aber ich sollte vermutlich dankbar sein" Michas Stimme bekam einen bitteren Unterton, "Nicht jeder kann behaupten, dass er so wunderbar behütet aufwachsen durfte."

Bei diesen sarkastischen  Worten war Maudado beinahe versucht, Micha die Hand auf die Schulter zu legen, um ihn zu zeigen, dass er da war und ihn wahrnahm, doch würde dieser die Nähe vermutlich nicht wollen.

"Du glaubst gar nicht, wie oft ich mir während der letzten Tage gewünscht habe, kein Prinz zu sein und aus einer einfachen Bauernfamilie zu stammen. Alle wünschen sich immer ein Prinz oder König zu sein, ohne zu wissen, dass die Freiheit, die sie in diesen Moment besaßen, aufgeben müssten, sobald sie auf dem Thron sitzen würden. Sie müssten sich selbst aufgeben, um den Königreich dienen zu können."

"So lange du noch hier im Turm lebst, wer sagt, dass du das nicht sein kannst? Keiner würde es merken, keinen würde es stören, wenn du die Krone ablegst und... einfach nur... du bist. Nicht Prinz Michael IV, sondern einfach nur Micha."

Unbemerkt war Micha während Maudados leisen, unbedachten Vorschlag stehen geblieben, sofort in dem  Gedanken versunken, sodass Maudado - für einen Moment unaufmerksam -  von hinten gegen ihn stieß und beide fast umriss.

Michas folgende Lachen, schien den gesamten Wald zu erhellen. Der Prinz wusste selbst nicht genau, wieso er gerade lachte, aber es fühlte sich einfach richtig an.

Der Gedanke war absurd, aber... verführerisch. Er weckte Hoffnungen in Micha.

Einfach er sein...

Für ein paar Tage die Krone, den Thron, sein Vermächtnis vergessen...

Schwungvoll drehte Micha sich zu dem Wissenshüter um, der schon zu einer Entschuldigung für seine Unvorsicht und unvernüftigte Aussage ansetzen wollte.

Doch das aufgeregte Funkeln in den grau-blauen Augen seines Gegenüber ließen ihn verstummen, bevor er auch nur eine Silber über die Lippen bekommen hatte.

"Jeder vom Hof, der diese Aussage gehört hätte, hätte dich sofort exekutieren lassen. Aber... ich bin nicht jeder vom Hof." Micha wirkte fast schelmisch, seine Augen bekamen einen spielerischen Ausdruck und er lächelte breit. Maudados Herz beschleunigte seinen Rhythmus und ihm schoss das Blut in die Wangen.

"Warum nicht? Ich bin... Micha. Einfach nur Micha. Es freut mich Ihre Bekannschaft zu machen, mein Herr Wissenshüter." Wie erstarrt  schaute Maudado dabei zu, wie Micha eine Verbeugung andeutet, bevor er seine Hand nahm und sanft seinen Handrücken küsste.

Amüsiert bebobachte Micha, die Sprachlosigkeit Maudados. Er schaute so niedlich überrumpelt, dass es Micha den Mut gab den Spaß weiterzutreiben. Denn.... er war Micha. Einzig und allein Micha. Was hielt ihn nun noch davon ab?

Langsam trat Micha einen Schritt näher, beobachtete wie Maudado ihn abschätzend beurteilten, während seine Pupillen sich ungwollt weiteten. Er gab Maudado sich die Zeit zurückzuziehen, ihn aufzuhalten, doch nichts passierte.

Mit unendlicher Zärtlichkeit legte er seine Hände an Maudado Wangen, strich sanft über den roten Schimmer, der immer kräftiger wurde.

"Und als... einfacher Mensch...  habe ich die Freiheit, das hier zu tun..." Sanft zog er Maudado zu sich herunter, versicherte sich ein letztes Mal, dass dieser das alles auch wollte, bevor er ihn sanft küsste.

Written by Federsturm

Fröhlichen vierten Advent!

Liebe ist (keine) ZaubereiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt