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Stirnrunzelnd betrachtete Micha den Wissenshüter, wie er zusammengekauert über dem dicken Buch brütete. Schon seit Tagen hatte man ihn kaum außerhalb des kleinen Zimmers gesehen und langsam machte der Prinz sich Sorgen. War es normal, dass er sich so zurückzog?

Anna schien nichts ungewöhnliches aufzufallen, sonst hätte sie bei ihren fast täglichen Besuchen bestimmt schon etwas angemerkt. Aber Chessie war es aufgefallen. Sie schien sich in seiner Nähe richtig unwohl zu fühlen und das ließ Micha aufhorchen.

Chessie war kein einfach gestricktes Mädchen vom Hofe, die nur darauf aus war den Prinzen zu heiraten, um ein Leben in Prunk und Protz zu führen. Chessie war klug, gewitzt und hatte eine sehr gute Menschenkenntnis. Kaum einer konnte ihr etwas vormachen, was einer der Hauptgründe war, warum er sie zur Frau genommen hatte. Sie war gut und wusste worauf es ankam. Mit ihr an seiner Seite würde er das Königreich führen können.

Dass sie jetzt.... Angst vor Maudado verspürte, beunruhigte Micha. Aber was konnte er dagegen tun? Er sollte wahrscheinlich mit ihm reden. Aber was sollte er sagen? Konnte er überhaupt etwas sagen? Es musste dann schließlich das Richtige sein.

Für genau solche Aufgaben war Chessie geschaffen. Sie konnte so viel besser mit Worten umgehen, als er selbst. Egal wie schlimm die Situation, sie schaffte es immer alle zu beruhigen, ihnen Mut zu machen, die Angst zu entwaffnen. Schon als er das erste Mal mit ihr geredet hatte, wusste Micha, dass sie die perfekte Königin werden würde.

Aber sie allein würde das Königreich nicht regieren können. Er war an ihrer Seite als Machthaber, der den Weg vorgeben würde. Er konnte sich nicht immer auf sie verlassen. Und wozu hatte er sonst Unterricht in Dipolmatie gehabt, wenn nicht genau für solche Fälle? Er war Kronprinz. Der Thronfolger. Es würde ein leichtes sein, mit einem nichtigen Untertan zu reden.

Nur war es kein nichtiger Untertan. Es war Maudado. Der Wissenshüter. Der, der ihnen helfen sollte, die Liebe zu finden, die sie so verzweifelt suchten. Und Maudado war dabei diesen Trank zu brauen. Woher nahm er sich dann also das Recht ihn dabei zu unterbrechen?

Ein leises Fluchen riss ihn aus seinen Gedanken. Verwirrt schaute er auf. Maudado hatte den Kopf in den Händen gestützt, murmelte unhörbare Worte. Er wirkte ausgelaugt, fertig, am Ende. Der Prinz wusste nicht, was seine Schritte antrieb aber er betrat den Raum, den Chessie scherzhaft "Hexenhöhle" nannte.

Sein Herz schlug schneller mit jedem Schritt den er näher kam. Micha verwirrte die Reaktion seines Körpers. So intensiv hatte er noch nie gefühlt. Warum? Warum empfand er so?

Mit einem Seufzen hob Maudado wieder den Kopf, rieb sich mit beiden Händen den Nacken.

"So wird es nicht funktionieren." Seine Stimme klang dünner und rauer als erwartet, zeugte von den vielen schlaflosen Stunden, die Maudado bereits hinter sich hatte. Michas Herz zog sich zusammen. Irgendwas in ihm wollte mit aller Macht, dass es Maudado besser ging, dass er nicht so gestresst und abgekämpft klang. Aber wie sollte er das tun?

Wie erstarrt stand er hinter dem Wissenshüter, die Hände halb erhoben. Sollte er wirklich...? Aber im Grunde genommen tat er es doch nicht für sich. Er musste Maudado aus diesem Zustand holen, um zum einen zu verhindern, dass er einen Fehler machte und zum anderen würde Chessie es ihm danken. Es war also nichts schlimmes dabei. Jeder andere würde es auch tun. Wieso empfand er es dann also dann so, wie eine unlösbare Aufgabe?

Ehe er sich tiefer in seinen Gedanken verrennen konnte, setzte er sich in Bewegung, legte dem Blonden vorsichtig die Hände auf die Schultern.

"Du solltest wirklich mal eine Pause machen und dir etwas Ruhe zukommen lassen. Es bringt keinem was, wenn du dich hier zu Tode arbeitest." Maudado zuckte zusammen, entspannte sich aber im nächsten Moment sofort wieder, als er Michas sanfte, aber bestimmte Worte hörte.

"Warum kommst du nicht für eine Weile mit raus und genießt die Sonne? Der Trank wird schon nicht weglaufen. Ein Wissenhüter mit klarem Verstand wird viel eher etwas hinbekommen, als einer, der nicht mehr weiß was er tut." Stumm nickte Maudado und ließ sich von dem Prinzen nach draußen bringen. Eine kurze Pause würde tatsächlich nicht wehtun und gegen eine Bitte des Prinzen war er doch sowieso machtlos.

Written by Federsturm

Liebe ist (keine) ZaubereiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt