Die Kutsche stand noch genauso abfahr bereit, wie zu dem Moment, an dem Micha in den Turm gegangen war. Es sollte ihn nicht überraschen, und doch schien etwas in ihm gehofft zu haben, dass wenn er wieder auf die Wiese treten würde, die Kutsche abgefahren sei und er hier bei Maudado bleiben könnte. Es war reines Wunschdenken.
Zögernd und mit schwerem Herzen drehte er sich zu Maudado um. Dieser vollführte eine kleinen Knicks.
"Lebe Wohl, mein edler Prinz. Auf das du unser Königreich zu Ruhm und Reichtum führen kannst und den Frieden bewahren mögest." Micha stockte das Herz und nun merkte er, wie auch seine Tränen drohten sich bemerkbar zu machen. Sein Blick verschwamm.
Halbblind griff er nach Maudados Hand und führte sie zu seinen Lippen.
"Auch du lebe wohl, mein hodler Wissenshüter. Dass du jeder hilfesuchenden Seele Erlösung bieten kannst und auf jede Frage eine Antwort findest. Mit der Erinnerung an die Liebe, die du mir schenktest, werde ich diesem Königreich würdig dienen, so wie du es auch tun wirst." Zögernd ließ er Maudados Hand wieder sinken. Die aufkommende Tränen schnürten ihm die Kehle zu.
Auch Maudado fand keine Worte mehr. Stattdessen drückte er einen Kuss auf Michas Wange und trat einen Schritt zurück, bevor er sich nochmal verbeugte. Micha drehte sich zur Kutsche.
Mit jedem zögerlichen Schritt den er ging, wurde die Stimme in ihm lauter, die ihn anschrie alles aufzugeben und in Maudados Arme zurückzukehren. Er ignorierte sie und richtete stattdessen seinen Umhang. Micha erlaubte sich keinen Blick zurück. Er wüsste nicht, ob er dann noch einen weiteren Schritt machen könnte.
Chessie öffnete ihm von Innen die Tür zur Kutsche. Ein aufgesetztes, kleines Lächeln lag auf ihren Lippen, täuschte aber nicht über den Schmerz in ihren Augen hinweg. Sie litt genauso wie er und Maudado. In ihrer Hand hielt sie seine Krone für ihn bereit. Unentschlossen nahm er sie ihr ab.
Das Metall lag kalt in seiner Hand. Sie fühlte sich schwerer an.
Bevor er sie aufsetzte, wagte er einen letzten Blick auf die Lichtung und den Turm. Maudado war verschwunden. Es sollte das Einsteigen leichter machen, doch schien dieser eine letzte Schritt ein Ding der Unmöglichkeit.Tief atmete er durch. Sein Atem kam stockend, Micha verfluchte sich dafür, wie deutlich man hören konnte, dass er den Tränen nah war, beinahe in unsittliches Schluchzen ausgebrochen wäre.
Er setzte die Krone auf. Die altbekannte Last der Verantwortung legte sich wie ein alter Freund auf seine Schultern. Ein weiterer tiefer Atemzug, der schon deutlich sicherer klang. Micha hob den Kopf, schluckte die Tränen herunter, straffte die Schultern und betrat die Kutsche.
Sobald er saß, setzte sie sich in Bewegung. Chessie reichte ihm ihre Hand, die er dankbar annahm. Es war ein einfaches Zeichen, dass sie für ihn da war. Dass er das nicht alleine durchmachte.
Es lag keine einfache Zeit vor ihnen. Doch irgendwie würden sie das Königreich regieren können. Irgendwie mussten sie es schaffen.
Und wenn er irgendwann den Thron an einen Nachfolger übergeben hatte, dann... würde er zurückkehren. In der Hoffnung, dass sein Wissenshüter in dem Turm auf der kleinen Lichtung im Wald warten würde.
Sein Blick glitt zu den Bäumen, die an der Kutsche vorbeiglitten und nun endlich erlaubte er seinen Tränen freien Lauf.
Written by Federsturm
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Liebe ist (keine) Zauberei
Hayran KurguEin friedliches Königreich, ein gut regierender König, ein Prinz mit gutem Herz und eine traumhafte Hochzeit. Was könnte das Glück des Prinzen Micha da noch trüben? Das lernte er zu spüren als er die doch sehr freundliche Chessie zur Frau nahm und s...