Chapter 16

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„Hast du schon angefangen zu essen ?", will ich wissen, als ich das kleine Büro von Natasha und mir betrete. Sie sitzt mit den Ellenbogen auf die Tischplatte gestützt, an ihrem Platz, in der Hand hält sie das Sandwich, dass James ihr gemacht hat. Er muss wirklich ein Engel sein. Kurz treffen mich ihre grünen Augen, ehe sie ohne ein Wort zu verlieren wieder auf die Zeitung neben sich starrt und gedankenverloren die Zeilen liest.

Kurz ziehe ich beide Augenbrauen hoch, ehe ich mich zu ihr an den Tisch setze. Innerlich bin ich komplett aufgeregt. ich weis immer noch nicht, ob Natasha die Flecken gesehen habe, aber immerhin spricht sie es nicht an.

Fast kaum hörbar, seufze ich und beginne ebenfalls mein Mittagessen auszupacken. Der Regen prasselt noch immer gegen die großen Scheiben des Büros hinter Natasha und kein Sonnenschein dringt zu uns hinein. Die grauen Wolken hängen so tief, dass es aussieht, als würden sie gleich an den Wolkenkratzern New Yorks hängenbleiben. Gedankenverloren sehe ich über die Stadt.

Dadurch, dass Natasha mich weder eines Blickes, noch eines Wortes würdigt, habe ich etwas Zeit in ruhe nachzudenken. Die Zeit in Wellington war schön, keine Frage, genauso wie der Abend gestern. Zu sagen, dass es mir nicht gefallen hätte, wäre die wohl größte Lüge meines Lebens. Doch was ist das, was ich für sie fühle ? Wie kann ich das Kribbeln in meinem Bauch am besten definieren ? Was ist die Uhrsache für meinen beschleunigten Puls, den fehlenden Atem und die leicht schwitzigen Hände ?

Ist das Liebe ? Ist das Schwärmerei ? Ist das einfach nur das Gefühl eine starke Bindung zu einem Menschen aufbauen zu wollen ? Jedes mal, als ich in Wellington an Natashas Seite eingeschlafen bin, habe ich mich wohl gefühlt. Vor anderen Menschen einzuschlafen gehört für mich zu sehr persönlichen Dingen. Während man schläft sieht man nicht, was um einen herum passiert. Man kann nicht verhindern mit Sabber im Gesicht und verknitterter Haut aufzuwachen, man kann Dinge im Schlaf sagen, die viel über das preisgeben, was in einem vorgeht. Trotzdem hatte ich keinerlei bedenken.

Selbst morgens gab sie mir das Gefühl, dass es okay ist, dass ich im Schlaf die Nähe zu ihr gesucht habe. Es schien sie nicht zu stören. Dieses Gefühl des Vertrauens hatte ich bisher nur bei James, oder meiner Familie. Nichtmal bei meiner letzten Beziehung hatte ich mich so sicher gefühlt.

Lag es daran, dass Natasha eine Geheimagentin war und wusste, wie man sich verteidigte ? Oder wusste, wie man Gefühle vortäuschte und ignorierte ? So viele Fragen schwirrten mir im Kopf umher. Meine Augen richteten sich auf die Rothaarige mir gegenüber. Ihre grünen Augen huschten über den Text auf der leicht zerknitterten Zeitung. In der linken Hand hielt sie das Sandwich, man konnte ihre Wangenknochen erkennen, während sie das Essen mit ihren Zähnen zermalmte. Der kleine Schönheitsfleck auf ihrer rechten Wange war sichtbar, obwohl sie ihn leicht unter MakeUp zu verstecken versuchte. Selbst sie hatte Makel. Doch jedes dieser kleinen Makel machte sie zu einer unglaublichen Persönlichkeit.

„Ist was ?", ihre Augen richteten sich auf meine, es kam mir fast so vor, als würde sich ihr Blick in meine Seele bohren, ehe ich die Situation realisierte und bereits merkte, wie das Blut in meine Wangen schoss. Schnell schüttelte ich den Kopf. „Nein, alles gut.", meinte ich leise, leiser als beabsichtig. Sie nickte leicht und richtete ihre Augen wieder auf den Text, doch diesmal bewegten sie sich nicht. Sie schien eher nachzudenken.

Ich seufzte leicht. Ich musste mich ablenken. Also packte ich mein Essen weg, holte ein paar Dokumente hervor und begann sie in die entsprechenden Ordner abzuheften. Als Natasha mit Essen fertig war, unterstütze sie mich bei meiner Arbeit. Irgendwann klopfte Tony an, um uns mitzuteilen, dass sie wieder da waren. Auch den Rest unseres Arbeitstages wechselten wir kaum ein einziges Wort miteinander.

Als es bereits dunkel war, liefen wir leicht versetzt die Treppen vor dem Tower hinab. Ich hatte die Hände in meiner Jacke vergraben, noch immer trug sie meine Klamotten. „Tschüss.", murmelte ich leise und wandte mich schnell von ihr ab um mich aus der komischen Situation zu retten. Ich hatte nichts dagegen in einträchtiger Stille neben jemanden zu sitzen, oder zu arbeiten, aber die Stille heute war merkwürdig. Keine angenehme Stille, keine die man genießen konnte. Ohne mich umzudrehen lief ich schnell weiter und floh förmlich vor der Rothaarigen. Meinen Heimweg legte ich nur in der Hälfte der üblichen Zeit zurück.

„Hey, da bist du ja !", freute James sich, als ich unsere Wohnung betrat. „Hey.", murmele ich noch immer in Gedanken. „Alles gut ?", wollte er sogleich wissen und stellte den Teller, den er gerade am abtrocknen war auf der Kommode ab, das Geschirrhandtuch warf er sich über die Schulter und musterte mich besorgt. „Es ist komisch.", meine ich leise und stelle meine Tasche zur Seite. Ohne, dass ich mich dagegen hätte wehren können, stand der Schwarzhaarige nach nichtmal einer Sekunde bei mir und schloss mich in die Arme. Ich vergrub mein Gesicht in seinem Pullover und schlang meine Arme um seinen Oberkörper.

„Das wird schon wieder.", versprach er mir, ehe er mich wieder von sich schob und mich sanft anlächelte. „Wir haben noch Reste von gestern. Die essen wir jetzt, dann schauen wir einen Film, den du selbstverständlich aussuchen darfst, solange er keine Lovestory ist und heute Nacht schläfst du bei mir. Keine Wiederrede.", kurz funkelte er mich an, ehe ich leicht zu lachen begann. „Okay okay. Das klingt nach einem guten Plan.", ich schmunzele leicht, ehe ich mich von meinem besten Freund in die Küche ziehen lasse.

————

Wie James versprochen hatte, war der gestrige Abend wunderschön und als ich heute Morgen den Stark Tower betrat, hatte ich das Gefühl, dass die Welt wieder in Ordnung war. Selbst meine tausenden Fragen blockierten mich nicht mehr.

In unserem Büro angekommen, musste ich feststellen, dass Natasha noch nicht da war, weshalb ich mich entschloss zu Pepper zu gehen, immerhin mussten wir gleich zu einer Pressekonferenz, wo wir sie unterstützen sollten. Also klopfte ich an, die Tür wurde auch schon sofort von Happy geöffnet. „Guten Morgen, Scarlett !", rief Tony mir freudig entgegen. „Tony wird dich heute unterstützen.", erklärte Pepper die Anwesenheit des Milliardärs. „Unterstützen ?", verwirrt sah ich in die Runde. „Natasha hat sich krank gemeldet. Deswegen springt Tony ein." „Ich finde, dass ich Natasha bestimmt gut spielen kann. Aber Pepper hat mir verboten ein Kleid zu tragen.", brummte Tony und klang fast schon beleidigt. Um mir das Erstaunen über Natashas Abwesenheit nicht anmerken zu lassen, überspielte ich es mit einem Lachen über Tonys Witz.

„Was hat sie denn ?", wollte ich wissen. Innerlich war ich tatsächlich etwas besorgt, ob sie vielleicht einen Auftrag für ihren eigentlichen Job ausführen sollte. Es war natürlich ihre Entscheidung welchen Beruf sie ausführte, dennoch fand ich es nicht wirklich gut, dass es in ihrem Job darum ging ihr Leben aufs Spiel zu setzen.

„Nichts besonderes. Hat vermutlich einfach nur Schnupfen.", grinste Tony und deutete auf die Tür. „Wir sollten so langsam gehen, wir schaukeln das Ding schon, nicht wahr, Scarlett ?", ich bemerkte den zweifelnden Blick von Pepper. „Ich glaube nicht, dass du ihr eine große Hilfe seien wirst.", schmunzelte meine Chefin, ehe sie sich von ihrem Schreibtisch erhob und ihre Tasche nahm. „Hast du alles, Scarlett ?", fragte Happy. Ich nickte leicht. „Gut, dann geh ich mal den Wagen holen.", damit verschwand der Sicherheitschef aus dem Raum, nachdem auch wir alles zusammen hatten, fuhren wir mit dem Aufzug nach unten, dort stand bereits der schwarze Wagen und mit Pepper setze ich mich auf die Rückbank.

Die Pressekonferenz lief gut, auch wenn ich stark überfordert war diese allein zu machen. Tony war nämlich tatsächlich keine große Hilfe, sondern ließ sich eher selbst nochmal Interviewen anstatt mir die nötigen Dokumente bereit zu halten. Auch beim Mittagessen merkte man, dass etwas anders war. Es fehlten Natashas stichelnde Kommentare gegen Tony, wie sie mich beriet, was ich am besten essen sollte, oder wie sie sich mit Happy über irgendwelche Kampftechniken unterhielt. Das alles fehlte und nicht nur mir fiel es auf. Auch die nächsten Termine waren anstrengender als sonst.

Heute merkte ich richtig, dass ich vermutlich aufgeschmissen wäre, sollte Natasha mal für eine ganze Woche, oder länger, eine Mission annehmen. Es war viel zu viel Arbeit. Vollkommen erschöpft fiel ich daheim in mein Bett.

Auch am nächsten Tag fehlte die Rothaarige und so langsam keimte die Sorge in mir auf. Kam sie wegen mir nicht ? War sie wirklich krank ? Hatte sie die Flecken gesehen und bereute es ?

Tony versuchte wieder sein Möglichstes mich zu unterstützen, ohne seine Hilfe wären die Termine vermutlich allesamt nicht wirklich gut abgelaufen, doch mit Natasha wäre es einfacher gewesen. 

Say You Like Me [Black Widow x OC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt