Kapitel 1

389 7 0
                                    

Vorgeschichte

• März 2007 •

Talea's Sicht

"Ich hab echt keine Lust heute Abend wegzugehen. Können wir nicht einfach zu Hause bleiben, Pizza bestellen und einen Film ansehen?", seufzte ich und ließ mich rückwärts aufs Bett fallen.
"Auf gar keinen Fall!", entgegnete Anna, meine beste Freundin und Mitbewohnerin, am anderen Ende der Leitung.
"Ich freue mich schon seit Wochen auf dieses Konzert. Schlimm genug, dass wir noch nicht mal Karten dafür haben.", fügte sie hinzu.

Es schien, als hätte ich wirklich keine andere Wahl als nachzugeben und sie auf dieses Konzert zu begleiten, das heute Abend im E-Werk stattfinden sollte.

Ich war nicht die typische 18-jährige, die die neu gewonnene Freiheit nach dem Auszug aus dem Elternhaus nutzte, um ständig unterwegs zu sein und eine wilde Party nach der anderen zu feiern. Ich war anders, doch das störte mich nicht im geringsten.
Vor einem halben Jahr hatte ich mein Studium im Bereich der Rechtswissenschaften begonnen. Für andere klang das vielleicht langweilig und trocken, doch mir machte es Spaß. Ich hatte schon früh gewusst, dass ich später mal etwas machen wollte, das in diese Richtung geht. Meine Eltern hatten das stets befürwortet und mich unterstützt, denn die Aussicht auf einen sicheren Job war damit allemal gegeben. Das war für sie das wichtigste.

Wenn ich gerade nicht in der Uni oder zu Hause an meinem Schreibtisch saß, las ich Bücher.
Ich liebte Romane und dramatische Liebesgeschichten. Dabei tauchte ich in eine andere Welt ab. Ich versetzte mich in die Lage der Protagonisten und erlebte die Höhen und Tiefen, den Herzschmerz und das Glück, aus ihrer Perspektive.
Ich selbst hatte bisher allerdings kaum Erfahrung mit solchen Dingen. Keine Frage, ich glaubte an die wahre Liebe. Jedoch war mir bisher kein männliches Wesen begegnet, das mir auch nur ansatzweise das Gefühl gab, der Richtige zu sein.
Wie schon gesagt: ich war anders, doch das störte mich nicht.
Ich brauchte nicht zwangsläufig jemanden an meiner Seite, um glücklich zu sein, denn das war ich auch so.
Ich hatte eine tolle Familie, wundervolle Freunde, ein Studium, das mir Spaß machte und die tollste beste Freundin der Welt, mit der ich hier in dieser 3-Zimmer Wohnung in der coolsten Stadt Deutschlands lebte: in Köln.

An diesem Tag fand ich Anna jedoch etwas weniger toll als sonst, denn sie zwang mich, mit ihr auf das Konzert dieser finnischen Band zu gehen, auf das ich so gar keine Lust hatte.

Anna war das genaue Gegenteil von mir. Sie war extrovertiert, überaus kontaktfreudig und sie liebte alles, was auch nur ansatzweise mit Party zu tun hatte.
Man könnte vermuten, dass wir viel zu verschieden waren, um so eng befreundet zu sein, doch wir ergänzten uns perfekt.
Ich war ruhig und handelte überlegt und konnte sie somit oft in die Realität zurückholen, während sie nur so vor Energie sprühte und nicht lange über das was sie sagte oder tat nachdachte.

Als ich hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss unserer Wohnungstür umdrehte, wusste ich, dass es keinen Sinn hatte, nochmal mit ihr zu diskutieren. Dafür blieb ohnehin nicht mehr viel Zeit.
Es war fast 17 Uhr. Da das Konzert um 20 Uhr beginnen sollte und wir bis zum E-Werk noch ungefähr 20 Minuten brauchten, würde sie mit Sicherheit darauf drängen, dass wir uns bald auf den Weg machten.

"Bist du bereit?", quietschte sie aufgeregt, durchquerte hektisch das Zimmer und ließ sich neben mir aufs Bett fallen.
"Ich muss mir was anderes anziehen. Gib mir 10 Minuten.", entgegnete ich und stand auf, um meinen Kleiderschrank nach einem geeigneten Outfit zu durchsuchen.

Ich entschied mich für eine Skinny Jeans, ein schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt und weiße Sneaker, die einen Kontrast zu meinem eher dunklen Outfit bildeten und es etwas auflockerten.
Nachdem ich etwas Make-Up aufgelegt und meine Haare, die ich sonst meistens zu einem unordentlichen Dutt zusammengeknotet trug, lässig über meine Schultern gelegt und mit etwas Haarspray fixiert hatte, betrachtete ich mich prüfend im Spiegel meines Kleiderschrankes.
"Du siehst heiß aus.", rief Anna und klatschte aufgeregt in die Hände.
Sie trug ebenfalls eine dunkle Jeans und ein weißes T-Shirt, das ihre Vorzüge perfekt zur Geltung brachte.

Anna wusste genau, was sie tun musste, um einen Mann um den Finger zu wickeln. Ihre offene und selbstbewusste Art und ihr makelloses Aussehen waren dabei definitiv von Vorteil.
Die Männer lagen ihr zu Füßen und genau das gefiel ihr.

Doch seit Tom, mit dem sie fast 3 Jahre lang zusammen gewesen war, ihr das Herz gebrochen hatte, hatte sie sich auf nichts festes mehr eingelassen.
Sie lernte oft Männer kennen, doch keiner von ihnen blieb länger als eine Nacht.
Aber Anna war glücklich damit und das war das einzige, das zählte.
Sie war stark und selbstbewusst und ich war mir sicher, dass sie gut auf sich aufpasste.

Dieser Lebensstil war jedoch nichts für mich. Ich brauchte keine One Night Stands. Ich war bereit, auf den Richtigen zu warten.

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt