Kapitel 33

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Talea's Sicht

Etwas orientierungslos folgte ich den anderen Passagieren, die aus dem gleichen Flugzeug gestiegen waren. Meine Kenntnisse der finnischen Sprache waren sehr beschränkt und auch wenn ich Osmo schon oft in seiner Heimat besucht hatte, hatte ich es nie für nötig erachtet, mich tiefgehender damit auseinanderzusetzen.
Aus bisherigen Erfahrungen wusste ich, dass man hier auch mit Englisch gut zurechtkam.
Zum Glück, denn das beherrschte ich, auch dank meines Berufs, ziemlich gut.

Mit jedem Meter erschienen mir die zwei großen Koffer, die ich angestrengt neben mir her rollte, immer schwerer. Vermutlich hatte ich viel zu viele Klamotten eingepackt.
Nach gefühlt drei Kilometern, die ich, dicht gefolgt von anderen Passagieren, durch den endlos scheinenden Gang gelaufen war, erreichte ich endlich den Ausgang.
Schon nach kurzer Zeit hatte ich den blonden Haarschopf meines Halbbruders zwischen den anderen wartenden Menschen erkannt.
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als auch er mich erblickte und sogleich mit großen Schritten auf mich zukam. Es fühlte sich gut an, endlich hier zu sein.
"Da bist du ja endlich. Wie war dein Flug?", fragte er und zog mich in eine feste Umarmung.
Auch ihm war die Freude über meine Ankunft deutlich anzumerken.
Obwohl Osmo 10 Jahre älter war als ich, hatten wir schon immer eine besondere Beziehung zueinander gehabt.
Er war mein bester Freund, einer meiner engsten Vertrauten, jemand der immer für mich da war.
Das war schon immer so gewesen.
Auch die Tatsache, dass wir nur Halbgeschwister waren und, dass er in einem anderen Land lebte, hatte nie etwas daran geändert.
"Der Flug war gut. Aber ich bin froh, endlich hier zu sein.", antwortete ich und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, während er mich prüfend von oben bis unten musterte.
"Los. Lass uns gehen.", sagte er, schnappte sich meine Koffer und ging neben mir her in Richtung Ausgang.

Nachdem er das Gepäck in seinem Auto verstaut hatte, das auf einem der Parkplätze vor dem riesigen Gebäude stand, stiegen wir ein und fuhren ins Zentrum Helsinkis.
Dort befand sich Osmos Wohnung.
Wie gebannt starrte ich aus dem Fenster, während große und kleine Gebäude an uns vorbeizogen.
Ich war zwar schon einige Male hier gewesen, doch aus irgendeinem Grund faszinierte mich diese Stadt jedes Mal aufs Neue.

Nach etwa 20 Minuten parkte Osmo seinen dunkelblauen BMW auf einem der freien Parkplätze vor seiner Wohnung. Sie befand sich in einem schicken Mehrfamilienhaus, das in einer ruhigen Seitenstraße stand.
Osmo manövrierte meine Koffer wieder aus seinem Auto, ließ jedoch nicht zu, dass ich zumindest einen davon selbst trug.
Laut seiner eigenen Aussage, war es für finnische Männer ganz selbstverständlich, höflich und zuvorkommend zu sein.
Definitiv eine Eigenschaft, die ich zu schätzen wusste.

"Willkommen Zuhause!", sagte Osmo freudestrahlend und ließ mir den Vortritt, nachdem er die Tür zu seiner Wohnung aufgeschlossen hatte.
Ich warf ihm ein dankbares Lächeln zu und betrat als erste den langen Flur.
Da ich mich hier bereits auskannte, verzichtete er darauf, mich in seiner Wohnung herumzuführen.
Er brachte meine Koffer ins Gästezimmer, dass er liebevoll hergerichtet hatte, und ließ mich dann alleine.
"Nimm dir ruhig einen Moment, um erstmal anzukommen.", sagte er und verschwand im angrenzenden Wohnzimmer.
Hier war ich nun.
In einem nahezu fremden Land.
Die einzige Person, die ich kannte, war Osmo.
Okay, das entsprach vielleicht nicht so ganz der Wahrheit. Seine Bandkollegen Sami, Raul, Riku und Samu hatte ich inzwischen auch kennengelernt. Insbesondere Samu.
Ihn kannte ich sogar ziemlich gut. Vielleicht auch ein bisschen zu gut.
Es fühlte sich merkwürdig an, wieder so nah bei ihm zu sein, doch gleichzeitig löste der Gedanke an ihn auch ein aufregendes Kribbeln in mir aus.
Nachdem ich ihm bei unserer letzten Begegnung, die ungefähr ein halbes Jahr her war, meine Nummer gegeben hatte, hatte er sich jedoch kein einziges Mal bei mir gemeldet.
Wenigstens wusste ich jetzt, woran ich bei ihm bin.
Zugegebenermaßen hatte ich nie wirklich damit gerechnet, dass er sich jemals bei mir melden würde. Es gab ja auch keinen Grund dafür.
Ich war trotzdem gespannt, wie er reagieren würde, wenn wir uns wieder gegenüberstanden.
Dass das viel schneller der Fall sein würde als gedacht, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. 

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt