Kapitel 65

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Samu's Sicht

"Was ist los? Was habe ich dir getan? Verdammt, rede mit mir.", sagte ich fast schon flehend und raufte mir aufgeregt die Haare.
Taleas Blick, der auf mich gerichtet war, seit sie stehen geblieben war und sich umgedreht hatte, veränderte sich. Sie wirkte plötzlich verzweifelt.
"Ich kann das nicht, Samu. Ich kann nicht ständig in deiner Nähe sein und so tun, als wäre das alles nie passiert. Ich kann nicht so tun, als wären wir einfach nur gute Freunde, denn das sind wir nicht."
Ihre Worte ließen mich aufhorchen. Unsere früheren Begegnungen schienen sich nicht nur mir, sondern auch ihr ins Gedächtnis gebrannt zu haben.
"Niemand verlangt, dass du das tust. Du musst dich nicht verstellen.", entgegnete ich ruhig und machte einen Schritt auf sie zu. Sie schaute mit großen Augen zu mir auf und schluckte schwer.
"Doch, das muss ich. Du verstehst das nicht. Ich muss das tun.", sagte sie leise und schüttelte den Kopf, so als müsste sie gegen etwas ankämpfen.
"Dann erklär es mir. Ich will es verstehen.", beharrte ich und strich ihr eine Strähne hinters Ohr, die der Wind ihr ins Gesicht geweht hatte.
Sie blickte betreten zu Boden und schien darüber nachzudenken, ob sie mir sagen sollte, was sie bedrückte, oder nicht.
"Was musst du tun, Talea?", hakte ich weiter nach und verspannte mich im gleichen Moment.
"Mich von dir fernhalten.", sagte sie leise, fast flüsternd, und blinzelte mehrmals, um gegen die Tränen anzukämpfen, die sich in ihren Augenwinkeln gesammelt hatten. "Warum?", entgegnete ich und stieß ein bitteres Lachen aus.
Das konnte doch nicht ihr ernst sein.
Was für ein Schwachsinn.

Doch sie blickte nur zu Boden und schüttelte immer wieder den Kopf, so als würde sie um Fassung ringen.
Rede mit mir!
"Warum musst du dich von mir fernhalten, Talea? Erklär es mir.", sagte ich aufgebracht und legte meine Hände auf ihre Schultern.
Ich konnte mich nicht länger zurückhalten. Nicht, wenn es um sie ging.
"Weil ich Angst davor habe, dass du mir das Herz brichst.", erwiderte sie mit erstickter Stimme und wandte sich aus meiner Berührung.
Wie erstarrt blieb ich stehen und starrte auf den Fleck am Boden, an dem sie gerade eben noch gestanden hatte. Doch jetzt war sie weg.
Sie eilte mit schnellen Schritten davon und verschwand schon bald hinter der nächsten Ecke eines großen Backsteingebäudes.
Fuck.

Doch immerhin wusste ich jetzt, was sie bedrückte. Sie hatte Gefühle entwickelt, oder war zumindest auf dem besten Weg das zu tun.
Obwohl ich mich eigentlich freuen sollte, weil es mir ganz genauso ergangen war, rutschte meine Laune noch tiefer in den Keller.
Natürlich wusste ich nicht, was das zwischen uns war oder was das noch werden würde. Es war viel zu früh, um dieser kleinen aber bedeutenden Sache einen Namen zu geben.
Trotzdem hatten sich ihre Worte wie ein Schlag ins Gesicht angefühlt.
Sie sträubte sich mit aller Kraft dagegen. Gegen mich.
Mit dem niederschmetternden Gefühl, dass gerade alles kaputt gegangen war, machte ich mich schließlich auf den Weg nach Hause. Alleine.

Talea's Sicht

Noch immer brannten Tränen in meinen Augen, als ich die Tür zu Osmos Wohnung hinter mir schloss und mich erschöpft dagegen lehnte.
Hatte ich gerade einen Fehler gemacht? Spätestens jetzt wusste Samu, was wirklich in mir vorging. Er wusste, dass diese Sache für mich noch längst nicht vom Tisch war.
Auch wenn es eigentlich so sein sollte. Doch die vergangenen Tage, in denen er mir kaum von der Seite gewichen war, hatten alles wieder auf den Kopf gestellt. Die Gedanken und Gefühle, die ich mühevoll sortiert hatte, waren wieder durcheinander gewirbelt worden. Und zwar gehörig.
Nachdem ich Samu geradewegs ins Gesicht gesagt hatte, dass ich berfürchete, er würde mir das Herz brechen, hatte ich keinen anderen Ausweg gesehen, als einfach abzuhauen.
Im Nachhinein tat es mir schon irgendwie leid, dass ich ihn einfach so da stehengelassen hatte.
Ich hätte es ihm auch ganz normal und auf weniger dramatische Art sagen können, ohne gleich wieder gefühlsduselig zu werden.
Doch genau das passierte ständig, wenn er in meiner Nähe war.
Meine Gefühle fuhren Achterbahn und meine Gedanken spielten verrückt.
Ich war ihm noch immer genauso verfallen wie damals, aber die Tatsache, dass er diesmal nicht einfach verschwinden würde, weil er mit seiner Band weiter zog, machte mir Angst.
Ich hatte Angst davor, mein Herz diesmal endgültig an ihn zu verlieren.

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt