Kapitel 39

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Samu's Sicht

Die kommenden Wochen machten mir ziemlich zu schaffen.
Nach einer Tour wie dieser war ich normalerweise froh, wieder zu Hause zu sein und mich vom ganzen Stress und von den Strapazen, die das Leben im Tourbus so mit sich brachte, erholen zu können.
Diesmal war das allerdings anders. Meine Krise mit Vivi spitzte sich immer mehr zu und die Situation zwischen uns wurde von Tag zu Tag angespannter.
Sobald sie am Nachmittag nach Hause kam, fingen wir an über belangloses Zeug zu streiten.
Das endete meistens damit, dass sie aus unserer gemeinsamen Wohnung flüchtete und ich meinen Frust daraufhin im Alkohol ertränkte.
Es war unerträglich.

Wenn sie dann am späten Abend nach Hause kam, endete es trotzdem nicht selten damit, dass wir miteinander im Bett landeten.
Ich hatte zwar keine Gefühle mehr für sie, zumindest keine, die für eine Beziehung ausreichten, doch ihren weiblichen Reizen konnte ich trotz allem nicht widerstehen.
Erst recht nicht, wenn ich ein paar Gläser Whiskey getrunken hatte.
Vivi wusste was sie tun muss, um mich um den Finger zu wickeln.
Spätestens wenn sie sich spärlich bekleidet auf meinen Schoß setzte und mir ins Ohr flüsterte, was ich mit ihr anstellen sollte, waren alle meine Prinzipien und mein Vorhaben, mich von ihr zu trennen, zumindest für den Moment vergessen.
Dann konzentrierte ich mich nur noch auf meine wachsende Erregung und den Drang nach Befriedigung.
Ich nahm sie so wie ich es brauchte, doch das schien sie nicht im geringsten zu stören.
Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie alles tat, um ihre Fehltritte wiedergutzumachen.
Doch das war nicht möglich und auch gar nicht mehr nötig.
Wir hatten beide unsere Fehler gemacht und waren nicht immer fair zueinander gewesen, doch mein Entschluss stand längst fest.
Ich wollte mich von Vivi trennen.
Ich wollte lediglich noch den richtigen Zeitpunkt abwarten.

• 2 Wochen später •

Als ich aufwachte, fühlte ich mich auf merkwürdige Art und Weise frei.
Ich hatte das Gefühl, endlich wieder durchatmen zu können.
Gestern Abend hatte ich mit Vivi das Gespräch geführt, das schon lange überfällig war.
Ich hatte ihr erklärt, was seit Wochen oder sogar Monaten in mir vorging und wie sich meine Gefühle entwickelt hatten.
Überraschenderweise hatte sie sehr gefasst reagiert.
Natürlich hatte auch sie gespürt, dass wir uns voneinander entfernt hatten und, dass nichts mehr so war wie früher.
Das war keinesfalls allein ihre Schuld. Wir beide hatten dafür gesorgt, dass unsere Beziehung den Bach runter ging.
Am Ende war unsere Liebe vermutlich einfach nicht stark genug gewesen, um Kompromisse einzugehen und auch die schwierigen Zeiten zu überstehen.
Wir hatten viele Jahre miteinander verbracht, doch wir hatten uns in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelt.
Das hatte ich schon vor längerer Zeit eingesehen und auch Vivi schien das nun zu begreifen.
Es war vorbei.

Noch am selben Abend hatte sie einen Großteil ihrer Sachen gepackt und war zu ihrer Freundin Minttu gefahren, die ebenfalls in Helsinki wohnte.

• Ein paar Tage später •

Zum ersten Mal seit fast drei Wochen war ich wieder mit den Jungs verabredet. Zumindest mit Riku und Osmo.
Wir wollten uns im Studio treffen, um an ein paar Ideen für neue Songs zu arbeiten.
Die schwierige Zeit mit Vivi und meine neu gewonnene Freiheit hatten mich nachhaltig geprägt und mir bisher schon einige interessante Ansätze geliefert.

Ich hatte die beiden, die zu meinen engsten Freunden gehörten, schon lange nicht mehr gesehen, weil ich viel zu sehr mit mir selbst und meiner scheiternden Beziehung beschäftigt war.
Doch dieses Kapitel war endgültig abgeschlossen und ich war bereit, wieder nach vorne zu schauen.

Ich erschrak kurz, als mein Handy auf dem Tisch zu vibrieren begann.
Osmo rief mich an.
"Guten Morgen.", begrüßte ich ihn kurz und trank den letzten Schluck von meinem Kaffee.
Kaffee war inzwischen fast schon sowas wie mein Grundnahrungsmittel. Egal wie früh es auch war, ich ging nicht aus dem Haus, ohne einen Kaffee getrunken zu haben.
Okay, das stimmt vielleicht nicht ganz. Manchmal holte ich mir auch erst unterwegs einen. Aber drauf verzichten konnte ich am Morgen definitiv nicht.
"Wo bleibst du? Ich stehe vor deiner Tür und warte auf dich.", sagte Osmo vorwurfsvoll.
"Fuck. Bin gleich da.", gab ich zurück und legte auf.
Ich schnappte mir meine Jacke, verstaute mein Handy in der Tasche, zog meine Schuhe an und verließ dann meine Wohnung.
Alleine zu wohnen hatte definitiv seine Vorteile.
Ich musste mich nicht rechtfertigen und niemandem erklären, wohin ich ging und wann ich zurück sein würde. Freiheit.

Osmos schwarzer BMW parkte direkt vor der Haustür. Er grinste breit, als ich die Tür öffnete und mich auf den Beifahrersitz sinken ließ.
"Bereit?", fragte er und warf mir einen prüfenden Blick zu, während ich den Gurt anlegte.
"Mehr als bereit. Ich bin motiviert.", gab ich zurück und nickt ihm zu.
Das war tatsächlich nicht gelogen.
Seit Vivi und ich offiziell kein Paar mehr waren, fühlte ich mich, als hätte jemand einen Schalter bei mir umgelegt.
Ich war gut gelaunt und so entspannt, wie schon lange nicht mehr.
Das fiel auch Osmo auf.
"Was ist los mit dir? Du bist heute so gut drauf. So kenne ich dich gar nicht mehr. Naja, wenn man es so nimmt, kenne ich dich überhaupt kaum noch. Wir haben uns fast einen Monat lang nicht gesehen.", sagte Osmo.
Er klang nicht vorwurfsvoll, eher besorgt.
"Ich hatte ein paar Dinge zu klären.", antwortete ich und lehnte mich im schwarzen Ledersitz seines schicken Wagens zurück.
"Mit Vivi?", fragte er zögernd und verzog das Gesicht.
"Hmm.", stimmte ich zu.
"Man, das tut mir echt leid.", sagte er betroffen.
"Nein. Es ist gut so wie es ist. Dieser Schritt war längst überfällig.", antwortete ich und lächelte zufrieden. Diese toxische Beziehung hatte mir zuletzt nicht mehr gut getan und ich war froh, dass ich niemandem noch länger etwas vormachen musste.
Vor allem Vivi nicht.

Nach knapp 20 Minuten hatten wir das Studio erreicht.
Riku stieg gerade aus seinem Auto, als wir die Tiefgarage des großen Gebäudekomplexes befuhren.
"Gutes Timing.", sagte er, als Osmo und ich ausstiegen.
Wir klopften uns zur Begrüßung gegenseitig freundschaftlich auf die Schulter und gingen dann zum Aufzug, um in die 5. Etage des Gebäudes zu fahren, in der sich unser Studio befand. "Wo hast du dich eigentlich in den letzten Wochen versteckt? Ich hab dich seit der Grillparty bei mir nicht mehr gesehen.", sagte Riku und beäugte mich kritisch.
Osmo warf ihm einen warnenden Blick zu und schüttelte den Kopf, so als wollte er ihn davon abhalten, weiter nachzufragen.
Vermutlich dachte er, dass ich nicht darüber reden wollte oder, dass es mich noch immer sehr mitnahm.
Doch das war definitiv nicht der Fall. "Schon okay.", sagte ich an Osmo gewandt und nickte ihm zu.
"Ich musste einiges klären. Mit Vivi. Wir haben uns getrennt.".
"Das tut mir leid, Mann.", sagte Riku und blickte betreten zu Boden.
"Es ist okay. Wirklich. Es ist besser so. Ihr wisst doch, wie es in den letzten Monaten gelaufen ist.", sagte ich entschlossen und lächelte.
Riku und Osmo nickten stumm und ich deutete das als Zustimmung.
Natürlich hatten sie mitbekommen, dass es zwischen uns oft gekracht hatte.

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt