Kapitel 32

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• April 2018 •

Talea's Sicht

Der Frühling war endlich da.
Das Wetter war fantastisch, die Sonne schien den ganzen Tag und man konnte in Cafe's und Restaurants endlich wieder draußen sitze, ohne dass man zu erfrieren drohte.
Für mich hatten die Vorzüge des Frühlings hier in Köln aber bald ein Ende, denn meine Abreise nach Helsinki stand unmittelbar bevor.
Aus Osmos Spinnereien am Abend des Konzerts, auf dem ich mit Anna und meiner Mutter gewesen war, war tatsächlich Ernst geworden.
Die nächsten sechs Monate meines Lebens würde ich bei ihm in Finnland verbringen.
Das Land, aus dem meine Mutter ursprünglich stammte und in dem mein Halbbruder seit fast 20 Jahren lebte.
Ich freute mich unheimlich auf die bevorstehende Zeit mit ihm und darauf, das Land noch besser kennenzulernen.

Bereits seit Tagen war ich damit beschäftigt, meine Koffer zu packen.
Sechs Monate in einem fremden Land waren eben etwas anderes, als ein oder zwei Wochen Strandurlaub in einem Land, in dem man sich über schlechtes Wetter keine Gedanken machen brauchte.
Ich hatte Osmo unzählige Male aufgezählt, was ich alles eingepackt hatte und mir während unserer Telefonate eifrig notiert, was ich noch einpacken musste.
Ich wollte auf alles vorbereitet sein und für jeden Anlass, jeden Ausflug und jede Wetterlage die passende Kleidung dabei haben.
Am Ende waren meine zwei Koffer allerdings so schwer, dass ich befürchtete, ich würde sie nicht mal alleine ins Auto manövriert bekommen. Diese Sorge wurde mir jedoch abgenommen, als meine Eltern verkündeten, dass sie mich zum Flughafen fahren wollten, um mich zu verabschieden.

Abschiede waren so gar nicht mein Ding. Ich wurde jedes mal total sentimental und fing an zu weinen, obwohl es gar keinen Grund dazu gab. Das würde sicher auch diesmal nicht anders laufen.
Immerhin waren 6 Monate eine ziemlich lange Zeit.
"Hast du alles?", fragte meine Mutter wahrscheinlich zum hundertsten Mal. Schuhe, Klamotten, Kosmetikartikel... "Ja, ich habe alles. Wenn nicht, dann kaufe ich es einfach dort.", sagte ich und nickte entschlossen.
Nachdem ich noch ein allerletztes Mal gecheckt hatte, ob ich mein Handy, meine Reisedokumente, meinen Ausweis und Co. in meiner Handtasche verstaut hatte, zog ich die Tür hinter mir ins Schloss.
"Kann losgehen.", verkündete ich und sah zwischen meiner Mutter und meinem Vater hin und her, die im Hausflur standen und bereits jetzt wehmütig lächelten.
Die Fahrt zum Düsseldorfer Flughafen dauerte ungefähr 40 Minuten.
Da es Samstag war, fiel der morgendliche Berufsverkehr weitestgehend aus und die Straßen waren nicht allzu voll.

Als wir den Abflug-Terminal erreichten, wuchs meine Vorfreude. Das war jedoch nicht das einzige.
Auch meine Nervosität wurde jetzt wieder deutlich spürbar.
Meine Eltern warteten, bis ich eingecheckt und mein Gepäck aufgegeben hatte, und begleiteten mich dann bis zum abgegrenzten Bereich der Sicherheitskontrollen.
Es war an der Zeit, sich zu verabschieden.
"Mach's gut, meine Kleine.", murmelte mein Vater und zog mich in eine feste Umarmung. Auch wenn ich inzwischen 28 Jahre alt war, sah er in mir immer noch das kleine Mädchen, das ich einst gewesen war.
Tränen stiegen in meine Augen und ich versuchte sie wegzublinzeln.
"Ich hasse Abschiede.", murmelte ich und lächelte gequält. Meiner Mutter ging es ganz ähnlich.
"Melde dich, wenn du angekommen bist. Und hab ganz viel Spaß mit Osmo.", sagte sie und umarmte mich so lange, dass ich befürchtete, ich würde mein Flugzeug verpassen, weil sie mich gar nicht mehr losließ.
"Das mache ich. Versprochen. Ich hab euch lieb.", murmelte ich und winkte den beiden noch ein letztes Mal zu, bevor ich mich auf den Weg machte.

Geduldig ließ ich die Sicherheitskontrolle über mich ergehen, schlenderte durch den Duty-Free Shop und setzte mich dann auf einen Fensterplatz im fast leeren Wartebereich.
Durch die großen Fenster konnte man die Flugzeuge beobachten, die zur Startbahn rollten, oder die gerade gelandet waren.
Als mein Flug aufgerufen wurde, zog ich mein Handy aus der Tasche und tippte noch eine kurze WhatsApp-Nachricht an Osmo, um ihm mitzuteilen wann ich, laut Flugplan, in Helsinki-Vantaa landen würde.
Er wollte mich dann von dort abholen.

Im Flugzeug angekommen verstaute ich mein Handgepäck im Fach über mir und ließ mich dann auf meinen Sitz am Fenster sinken.
Nachdem die Flugbegleiterinnen die Sicherheitsanweisungen demonstriert hatten, schnappte ich mir meine Kopfhörer und schaltete die Musik ein.
Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück und schloss die Augen, als das Flugzeug seine Triebwerke startete.
Wenig später beschleunigte es und raste so schnell über die Startbahn, dass ich in meinen Sitz gedrückt wurde.
In meiner Brust breitete sich ein mir bisher vollkommen unbekanntes Glücksgefühl aus, als es abhob und in Richtung Himmel steuerte.
Ich fühlte mich unbeschwert und irgendwie...frei.
Diese Reise war ein Ausbruch aus meinem sonst eher tristen und stressigen Alltag.
Ich hatte keine Ahnung, was mich in den kommenden Monaten erwartete, doch ich freute mich auf die Zeit in Finnland.
Dass diese ganz anders laufen würde als geplant ahnte ich zu diesem Zeitpunt genauso wenig, wie, dass sie mein Leben komplett auf den Kopf stellen würde.

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt