Kapitel 49

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Samu's Sicht

Talea ließ zu, dass ich sie in den Arm nah, um sie zu trösten.
Nachdem sie mir auf Rikus Party klar und deutlich ins Gesicht gesagt hatte, was sie von mir hielt, war ich davon ausgegangen, dass sie mich nie wieder auch nur in ihre Nähe lassen würde. Vielleicht wehrte sie sich aber auch nur nicht dagegen, weil sie im Moment ganz andere Sorgen hatte, als einen Typen zu hassen, der sich ihr gegenüber wie ein Vollidiot verhalten hatte.
Sogar mehr als einmal.

Trotz allem fühlte ich mich ihr noch immer verbunden.
Ich fühlte mich zu ihr hingezogen, obwohl ich wusste, dass sie mich in jeder anderen Situation, in der sie weniger am Boden zerstört war, von sich stoßen würde.
Aber nicht jetzt.
Sie ließ zu, dass ich neben ihr in diesem unbequemen Bett lag und ihren Rücken streichelte.
Sie ließ zu, dass ich für sie da war.
Es war vielleicht naiv, doch ich deutete das als gutes Zeichen.
"Danke, dass du für mich da bist.", schniefte sie und wischte mit dem Ärmel ihres Pullovers die Tränen von ihrem Gesicht.
Ihre Augen waren vom vielen Weinen glasig und ihre Wangen gerötet, doch sie war trotzdem wunderschön.

"Das ist doch selbstverständlich. Ich bin für dich da, wann immer du mich brauchst. Vergiss das nicht, okay?", flüsterte ich und strich ihr eine lockige Strähne aus dem Gesicht.
Sie ließ mich gewähren und schloss die Augen.
Verdammt.
War das etwas zu viel Nähe, oder genoss sie meine Berührung?
Ich tippte eher auf die erste Option, doch für mich fühlte es sich richtig an, ihr so nah zu sein und ich war mir sicher, dass sie es mich schon spüren lassen würde, wenn ich zu weit ging.

Talea atmete ein paar Mal tief durch. Wie gebannt beobachtete ich, wie sich ihre vollen Lippen leicht öffneten und dann wieder schlossen.
Als sie ihre Augen öffnete und bemerkte, dass mein Blick auf ihr ruhte, umspielte ein zaghaftes Lächeln ihre Mundwinkel.
Das Kribbeln in meinem Bauch, dass ich schon bei unserem letzten Treffen in Köln gespürt hatte, war wieder da. Genau genommen war es in den vergangenen Monaten nie wirklich verschwunden.
Ich wusste nicht, was es zu bedeuten hatte, doch ich war fest entschlossen, es herauszufinden.

Talea's Sicht

Als ich aufwachte schien bereits die Sonne durchs Fenster hinein.
Mein erster Blick, nachdem ich die Augen geöffnet hatte, wanderte direkt zu Osmo.
Alles war unverändert.

Träge stieg ich aus dem Bett und ging ins Bad, um mich frisch zu machen. Gleich danach machte ich mich über das Frühstück her, das auf dem kleinen Tisch neben dem Bett stand und an dem ein kleiner gelber Zettel mit meinem Namen drauf klebte.
Obwohl ich unerlaubterweise hier war, versorgten mich die Krankenschwesern mit Essen, wie jeden anderen Patienten auch.
Natürlich war mir bewusst, dass Besucher hier auf der Intensivstation eher eine Ausnahme waren.
Dass ich zu allem Überfluss auch noch Tag und Nacht hier blieb und Samu, der immerhin auch Patient hier war, das Bett streitig machte, fanden die Krankenschwestern mit Sicherheit nicht lustig, doch sie nahmen es wortlos hin und behandelten mich genauso freundlich und zuvorkommend wie ihn.
Ich war mir sicher, dass die Bekanntheit der beiden hier in Finnland und das Gespräch, das Mikko, der Manager der Band, mit dem Krankenhauspersonal geführt hatte, das ermöglich hatten und ich war mehr als dankbar dafür.
Immerhin konnte ich so bei meinem Bruder sein.

Samu ließ sich den ganzen Vormittag über nicht blicken. Vermutlich war er bei irgendwelchen Untersuchungen oder so.
Wie schon am Tag zuvor saß ich die meiste Zeit an Osmos Bett und hielt seine Hand.
Hin und wieder kam eine Krankenschwester herein um nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Da die Ärztin gesagt hatte, dass Komapatienten durchaus wahrnahmen, was um sie herum passierte und wer bei ihnen war, redete ich leise mit ihm und erzählte ihm die belanglosesten Dinge.
Geschichten von unseren Freunden und Verwandten in Deutschland, von unseren aufregenden Plänen für die kommenden Monate, von dem was in der Welt so los war und manchmal auch einfach nur vom Wetter außerhalb dieses Krankenhauses, das binnen weniger Stunden mal wieder von warm und sonnig zu grau und regnerisch umgeschlagen hatte.

Wie schon am Vortag telefonierte ich auch wieder mit meiner Mutter.
Sie erkundigte sich, ob es schon Neuigkeiten gab und erzählte mir dann von der Arbeit und von der Geburtstagsfeier meiner Großeltern, die ich verpasst hatte, um mich so auf andere Gedanken zu bringen.
Sie hatte mir längst angemerkt, wie sehr mich die Sache mitnahm.

Am Nachmittag kam dann auch Samu zurück aufs Zimmer.
Er begrüßte mich mit einem einfachen "Hey", lächelte zögerlich und setzte sich aufs Bett.
Er wirkte müde und erschöpft und ich fühlte mich sofort schuldig, weil ich diejenige war, die sich in seinem Bett ausgebreitet hatte.
Doch beim Gedanken daran, wie nah wir uns gestern Abend gewesen waren, spürte ich wieder dieses Kribbeln im Bauch.
Ich wollte mich dagegen wehren.
Ich wollte ihn weiterhin doof finden und sauer auf ihn sein, aber angesichts der Tatsache, dass er für mich da gewesen war und sich so liebevoll um mich gekümmert hatte, konnte ich das einfach nicht.

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt