Kapitel 94

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Talea's Sicht

Als ich irgendwann aufstand, um mein Handy aus meinem Zimmer zu holen, bemerkte ich erst gar nicht, dass Samu mir folgte, bis ich dann seinen Schatten sah, der ins dunkle Zimmer fiel, weil im angrenzenden Flur das Licht eingeschaltet war.
"Samu", flüsterte ich erschrocken und hielt inne.
Unsere Blicke trafen sich und mir war sofort klar, dass er nicht dort stand, weil er auf dem Weg zur Toilette falsch abgebogen war.
Er betrat das Gästezimmer, schloss leise die Tür und kam langsam auf mich zu. Ohne ein weiteres Wort zu sagen umfasste er sanft mein Gesicht mit seinen Händen und legte seine Lippen entschlossen auf meine.
Ich schloss die Augen, erwiderte seinen fordernden Kuss und gab mich ihm hin. Ich ließ mich treiben obwohl ich genau wusste, dass wir nicht alleine waren, dass jederzeit jemand auftauchen könnte.
Doch meine Sehnsucht war größer als meine Vernunft.
"Ich habe dich so sehr vermisst.", flüsterte Samu zwischen zwei Küssen. "Ich dich auch."
Das entsprach der Wahrheit.
Obwohl wir uns vor weniger als 24 Stunden zuletzt gesehen hatten, hatte ich mich so sehr nach Samus Nähe und seinen Berührungen gesehnt, dass es fast schon wehtat.
Ein Gefühl, das vollkommen neu für mich war. Doch trotz allem durfte das hier nicht außer Kontrolle geraten.

"Nicht hier.", stieß ich atemlos hervor und schob ihn sanft ein Stück von mir weg.
Ich musste dem ein Ende setzen, denn er würde es bestimmt nicht tun.
Ihm war egal, ob die anderen von uns wussten. Er hielt unsere etwas andere Freundschaft nur mir zuliebe geheim.

Samu schnaufte und ein wehmütiges Lächeln, das ich im halbdunklen wahrnahm, umspielte seine Lippen. "Du weißt schon, wie schwer es mir fällt mich von dir fernzuhalten, oder?" "Ich weiß.", erwiderte ich und schluckte schwer.
"Ich verspreche dir, dass wir uns in den nächsten Tagen treffen können."
"Das ist schön.", erwiderte er leise und hauchte mir einen letzten flüchtigen Kuss auf die Lippen, bevor er die Tür öffnete und zu den anderen zurückkehrte.
Glücklicherweise hatte niemand mitbekommen, dass wir fast zeitgleich verschwunden waren und nun auch fast zeitgleich wieder auftauchten.

Als auch ich mich wieder zu den anderen gesellte war alles wie vorher und der restliche Abend verlief relativ ereignislos.
Die Jungs machten sich kurz nach 23 Uhr auf den Heimweg und ich fiel erschöpft ins Bett, nachdem ich gemeinsam mit Osmo aufgeräumt hatte. 

Die darauffolgenden Tagen waren eher ruhig. Ich begleitete Osmo zu seinen Kontrollterminen im Krankenhaus, ging mit ihm spazieren und schaute einen Film nach dem anderen, wenn es mal wieder in Strömen regnete und man eher vermuten könnte, dass es Herbst war und nicht Frühling.
Samu meldete sich nur sporadisch bei mir, da er viel Zeit mit Riku im Studio verbrachte.
Dass er sich nicht ständig meldete bedeutete allerdings nicht, dass ich nicht pausenlos an ihn denken musste. 

Am nächsten Tag entschied ich dann spontan mal bei ihm vorbeizuschauen. Osmo hatte Besuch von einem Freund bekommen, den ich bis dahin noch nicht kannte.
Diese Gelegenheit erschien mir perfekt, um mich für ein paar Stunden davonzustehlen.
Ich schlüpfte in eine Jeans und ein sauberes T-Shirt, packte mein Handy und meinen Geldbeutel in meine Handtasche und verabschiedete mich dann von meinem Halbbruder und seinem Freund.
Die beiden hatten es sich auf der Terasse gemütlich gemacht um dort die letzten Sonnenstrahlen des Tages zu genießen. Der Blick nach oben ließ nämlich keinen Zweifel daran, dass es bald wieder regnen würde.
Dunkle Wolken zogen auf, doch es war noch angenehm warm, also verzichtete ich darauf eine Jacke mitzunehmen.

Ich hatte Samu keine genaue Uhrzeit genannt, als ich am Vormittag meinen Besuch angekündigt hatte, aber da er mir versicherte, dass er zu Hause sein würde, verzichtete ich darauf, ihm nochmal zu schreiben.
Nervosität überkam mich, als ich den Zugangscode für die Hauseingangstür eintippte und wude mit jeder Treppenstufe die ich nahm noch größer.
Ich richtete meine Haare, atmete tief durch und klingelte dann.
Die Sekunden verstrichen und fühlten sich wie eine halbe Ewigkeit an. Schritte näherten sich der Tür, die kurz darauf von Samu geöffnet wurde, der mich mit regloser Miene ansah.
Ich spürte sofort, dass irgendwas anders war als sonst.
Irgendetwas stimmte nicht und als ich meinen Blick dann von seinem versteinerten Gesicht löste, erkannte ich auch den Grund dafür.
Da stand sie.
Blond, perfekt gestylt und mit dem Körper eines Models.
Sie war wunderschön, doch ihr Lächeln war hinterlistig und berechnend.
Allem Anschein nach wusste sie genau wer ich bin.

"Hey. Schön, dass du da bist.", stotterte Samu nervös.
Er wusste genau, wie diese Situation auf mich wirken musste. Das war ihm deutlich anzusehen.
So sprachlos und verunsichert hatte ich ihn noch nie erlebt.
Wir standen uns wortlos gegenüber und starrten uns entgeistert an, während es in mir zu brodeln begann.

Vivianne war die erste, die ihre Sprache wiederfand, doch alles, was über ihre perfekt geschminkten Lippen kam, war ein noch härterer Schlag ins Gesicht.
"Ich geh dann mal. Wir waren ja sowieso gerade fertig.", sagte sie mit einem verführerischen Lächeln an Samu gewandt.
Doch das war längst nicht alles.
Sie legte ihre manikürte Hand an seine Wange und hauchte ihm einen Kuss auf die andere.
Als sie sich langsam von ihm abwendete, verharrte ihre Hand für einen Moment ganz vertraut auf seiner Brust.
Verdammt.
Der Anblick riss mir den Boden unter den Füßen weg. Die beiden sahen einfach perfekt nebeneinander aus.
Er groß und muskulös. Sie mit unfassbar langen Beinen, schlank und perfekt zurechtgemacht.
Allein dafür hasste ich sie.

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt