Kapitel 98

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Talea's Sicht

Als ich Samus BMW vor dem Haus stehen sah, ahnte ich sofort, dass die Situation unangenehm werden würde. Vor allem wenn Osmo inzwischen wieder Zuhause war.
Doch ich hatte keine andere Wahl.
Ich konnte nicht länger so tun als würde Samu nicht mehr existieren. Abgesehen davon hatte ich auch eigentlich gar keinen Grund mich verstecken zu müssen. Immerhin war er derjenige, der Schuld an dem ganzen Chaos war.
Ich atmete tief ein und aus, während ich langsam aber mit wild klopfendem Herzen die Treppe nach oben stieg. Meine Anspannung wurde immer größer und mein Kopf immer leerer. Was sollte ich zu ihm sagen?
Wie sollte ich mich verhalten wenn Osmo dabei war?
Ich hatte keine Ahnung.
Obwohl mein Körper enorm erhitzt war, da ich in der letzten Stunde vermutlich weiter gejoggt war als in den letzten drei Jahren zusammen, durchfuhr mich ein eiskalter Schauer als ich den Schlüssel im Schloss umdrehte.
"Das ist sie schon.", hörte ich Osmo sagen, während ich meine Laufschuhe abstreifte und einen prüfenden Blick in den Spiegel warf.
Ich sah grauenvoll aus, doch im Moment hatte ich andere Sorgen.

"Hey.", murmelte ich verunsichert, als Osmo um die Ecke schaute um zu sehen wo ich blieb.
"Du hast Besuch."
"Besuch? Von wem?", fragte ich mit gespielter Ahnungslosigkeit.
Meine Stimme klang brüchig und verunsichert und das lag definitiv nicht allein daran, dass ich mich gerade körperlich verausgabt hatte.
Natürlich wusste ich längst wer im Wohnzimmer auf mich wartete und was mir bevorstand.
"Samu. Er will mit dir reden."
Na super.
"Ich lasse euch dann mal kurz alleine.", sagte Osmo leise und bedachte mich mit einem besorgten Blick, als ich an ihm vorbei ins Wohnzimmer schlüpfte. Insgeheim war ich dankbar dafür, dass er sich so diskret zurückzog, doch das ließ mich auch vermuten, dass er inzwischen alles wusste.
Verdammt.
Als Samu mich erblickte, erhob er sich vom Sofa und machte ein paar Schritte auf mich zu.
Er wirkte müde und niedergeschlagen. Seine Augen hatten nicht diesen Glanz, den ich sonst so bewundert hatte.
Er murmelte leise meinen Namen und bescherte mir damit augenblicklich eine Gänsehaut.
Warum klang aus seinem Mund jedes Wort so besonders?
"Was willst du hier, Samu?", fragte ich leise und verschränkte die Arme vor der Brust.
Diese Haltung war vermutlich das einzige an mir, das Stärke und Entschlossenheit ausstrahlte.
Meine Wut hatte sich inzwischen eher in Müdigkeit gewandelt.
Ich hatte es satt, mich in etwas hineinzusteigern um dann am Ende doch wieder enttäuscht zu werden.
"Ich will mit dir reden. Bitte gib mir die Chance, dir alles zu erklären."
"Ich glaube, es ist alles gesagt, Samu."
Es kostete mich meine gesamte Selbstbeherrschung, diesen Satz auszusprechen ohne dabei in Tränen auszubrechen.
Eigentlich war da noch so viel, dass ich ihm sagen wollte, doch ich musste vernünftig bleiben und durfte mich nicht wieder von meinem bescheuerten Herz davon überzeugen lassen, dass ich ihn trotz allem liebte.
"Hör mir wenigstens zu.", flehte er. Heilige Scheiße.
Es tat verdammt weh, ihn so zu sehen. Mit diesem gequälten Blick und hängenden Schultern.
"Diese Frau liebt dich noch immer, Samu. Ich hab genau gesehen, wie ihr euch angeschaut habt und wie sie dich berührt hat. Da ist noch immer etwas zwischen euch, an das diese kleine und unbedeutende Sache zwischen uns einfach nicht ran kommt. Das musst du endlich akzeptieren und nicht weiterhin krampfhaft versuchen irgendwas in uns zu sehen, was nicht da ist."
Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus und trieben mir selbst die Tränen in die Augen.
Es tat weh, ihn zurückzuweisen, doch es war besser für uns beide.

Samu fuhr sich aufgebracht mit der rechten Hand durch die Haare und schüttelte den Kopf. Seine Gesichtszüge verhärteten sich und er kam noch zwei Schritte näher. So nah, dass ich den herben Duft seines After Shaves riechen konnte, der mich an die ein oder andere lange Nacht erinnerte, in der wir uns sehr nah gewesen waren.

"Verdammt.", stieß er plötzlich hervor und schloss angestrengt die Augen, so als würde er sonst die Beherrschung verlieren.
"Verdammt. Ich liebe dich. Versteh das doch endlich. Denkst du wirklich, dass das alles nur gespielt war? Denkst du wirklich, dass du mir seit Monaten nicht mehr aus dem Kopf gehst, weil ich mir da irgendwas einbilde? Ich bin nicht blind. Wir beide wissen ganz genau, dass da etwas zwischen uns ist. Es bricht mir das Herz, dass du das anzweifelst."
Samu war so laut geworden, dass jetzt auch Osmo wieder dazu kam. Vermutlich machte er sich Sorgen.
Er blieb an der Tür stehen, aber wir schenkten ihm keinerlei Beachtung. Es war ohnehin zu spät, um noch irgendwas geheim zu halten.
"Was war denn das mit Vivi?", flüsterte ich mit erstickter Stimme und sah ihn abwartend an.
In mir brodelte es, während ich versuchte zumindest äußerlich ruhig und gefasst zu wirken.
"Das hatte absolut nichts zu bedeuten. Sie war nur vorbeigekommen, um ihre letzten Sachen aus meiner Wohnung zu holen. Als sie dann Sachen von dir in meinem Wohnzimmer gesehen hat, hat sie angefangen Fragen zu stellen. Sie ist zuerst ganz locker damit umgegangen und hat mir sogar alles Gute gewünscht, aber als du dann vor der Tür standest, wollte sie es anscheinend so aussehen lassen, als wäre da etwas zwischen uns gelaufen. Sie spielt ein falsches Spiel."
"Aber du...", begann ich meinen Satz, doch Samu ließ mich gar nicht ausreden.
"Ich war einfach komplett überfordert mit der Situation. Bitte verzeih mir. Du weißt, dass ich dich liebe."
Ich schluckte schwer.
Er hatte es gesagt. In meinem Kopf vermischte sich das alles allerdings zu einem alles übertönenden Rauschen.

"Du...", begann ich, brach dann allerdings wieder ab, da mich ein Schluchzer erschütterte und meine Stimme versagte.
"Ja, verdammt. Ich liebe dich, Talea. Ich liebe dich. Verstehst du?", rief er aufgebracht, während ich wie versteinert dastand und mich nicht mehr rühren konnte.
Tränen liefen ungehindert über meine Wangen und ließen meine Sicht verschwimmen. 

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt