Kapitel 58

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Talea's Sicht

"Hast du Hunger?", fragte Samu wie aus dem Nichts und riss mich damit aus meinen Gedanken.
Ich hatte riesigen Hunger.
"Ja, ich könnte auf jeden Fall etwas zu Essen vertragen.", antwortete ich.
Das war vermutlich die Untertreibung des Jahrhunderts.
Mein Magen knurrte schon seit Stunden. Meine letzte richtige Mahlzeit war so lange her, dass ich mich gar nicht mehr daran erinnern konnte.

"Lass uns erstmal wieder runter gehen. Worauf hast du Lust? Pizza?", fragte er, während er vor mir die Treppe herunterging.
"Pizza klingt gut.", gab ich zurück.
Auch mein Magen knurrte zustimmend.

Samu lehnte sich lässig gegen den Küchentresen und tippte auf seinem Handy herum. Dann hielt er es mir wortlos hin, damit ich mir die verschiedenen Sorten anschauen konnte.
"Salami klingt gut.", sagte ich und nickte entschlossen.
Die Auswahl war viel zu groß, deshalb entschied ich mich einfach für den Klassiker.
So hungrig wie ich inzwischen war, hätte ich vermutlich alles gegessen.

Nachdem er unsere Bestellung aufgegeben hatte, machten wir es uns auf dem Sofa bequem.
Das Feuer im Kamin flackerte und verströmte wohlige Wärme. Genau das richtige an einem kühlen und verregneten Abend.

Samu und ich plauderten über die belanglosesten Dinge.
Über unsere Familien, das Wetter in Finnland, besondere Orte hier in Helsinki und unsere liebsten Freizeitbeschäftigugen.
Ganz ungezwungen und locker. So als würden wir uns schon ewig kennen. Genau genommen war das auch der Fall.
Allerdings war unsere gemeinsame Vorgeschichte eher ein Grund zur Nervosität. Zumindest für mich.
Wir hatten Dinge miteinander geteilt, die weit über dieses lockere Geplänkel, das gerade zwischen uns stattfand, hinausgingen.
Aber das war vorbei und genau das rief ich mir immer wieder in Erinnerung.

Als das Klingeln des Pizzaboten unser Gespräch unterbrach, zog sich mein Magen voller Vorfreude zusammen. Samu ging zur Tür und kam wenig später mit zwei Pizzakartons und einem breiten Grinsen im Gesicht zurück.
"Endlich etwas richtiges zu essen.", murmelte er und reichte mir meine Pizza.
Ich nahm sie selig lächelnd entgegen und sofort stieg mir der herrliche Duft von Salami und Käse in die Nase.
Hmmm.
Der erste Bissen war fantastisch.
Ich genoss jedes Stück meiner Pizza in vollen Zügen.
Eine halbe Stunde später war ich dann pappsatt und nahezu bewegungsunfähig.

Nachdem Samu die leeren Kartons in die Küche gebracht hatte, schlug er vor, einen Film anzuschauen.
Während er Netflix durchstöberte, schnappte ich mir die kuschelige Decke und breitete sie über meinen ausgestreckten Beinen aus.
Nach einigen Minuten entschieden wir uns schließlich für den Film "Hangover".
Unterhaltsam und lustig erschien mir am besten geeignet, um mich von meinen Gedanken, die nicht nur um Osmo sondern neuerdings auch ständig um Samu kreisten, abzulenken.

Samu setzte sich neben mich, streckte seine Beine ebenfalls aus und schnappte sich ein Stück der riesigen Decke unter der vermutlich auch vier oder fünf Personen Platz gefunden hätten.
Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, sich so nah zu mir zu setzen, dass sein Knie meines berührte.
Allein das sorgte augenblicklich für ein nervöses Kribbeln in meinem Bauch. Ich wollte nicht, dass er noch immer diese Wirkung auf mich hatte, doch ich konnte nichts dagegen tun.
Ich konnte es nicht einfach ausschalten und schon gar nicht all diese verdammten Erinnerungen aus meinem Gedächtnis löschen.

Samu's Sicht

Talea streckte sich und gähnte leise, als der Film endete.
Ich schnappte mir die Fernbedienung, beendete Netflix und schaltete irgendeine Unterhaltungsshow ein, die im Fernsehen lief.
Ich wollte nicht, dass sie schon nach Hause ging. Ich wollte, dass sie hier bei mir blieb.
"Willst du Osmo morgen besuchen?", fragte ich, um das angespannte Schweigen zu durchbrechen.
Talea sah mich an und nickte stumm. Sie wirkte müde, doch ein schüchternes Lächeln umspielte ihre Lippen.
"Ich kann dich begleiten, wenn du willst.", bot ich an.
Wieder zuckten ihre Lippen und das Lächeln wurde eine Spur breiter.
"Das musst du nicht tun. Ich komme auch alleine klar."
Das will ich aber. Ich will bei dir sein.

"Ich bin gerne für dich da, Talea. Und für Osmo.", entgegnete ich.
"Okay.", murmelte sie leise und nickte zustimmend, bevor wir beide unsere Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher richteten.
Zumindest tat ich so.
Ich hätte sie lieber die ganze Zeit angesehen, aber vermutlich würde sie mich dann für einen Irren halten.

"Danke, dass du für mich da warst, Samu. Ohne dich wäre ich durchgedreht.", sagte sie nach einer Weile und blickte mit verunsicherter Miene zu mir herüber.
Auf ihrer Stirn hatten sich kleine Sorgenfältchen gebildet.
"Das ist doch selbstverständlich. Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst."
Der Ausdruck auf ihrem Gesicht hellte sich ein wenig auf, nachdem ich diese Worte ausgesprochen hatte, die durchweg ernst gemeint waren.
Ich wollte für sie da sein.
Egal wann. Egal in welcher Situation.

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt