Kapitel 38

132 7 0
                                    

Samu's Sicht

Diese Ansage hatte gesessen.
Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass mir eine Frau schon mal so klar und deutlich gesagt und gezeigt hatte, was sie von mir hielt.
Natürlich konnte ich verstehen, dass sie sauer auf mich war.
Wobei 'sauer' vielleicht ein kleines bisschen untertrieben war.
Unser Verhältnis zueinander war vielleicht etwas zu intim und zu tiefgehend gewesen, um damit umgehen zu können, dass es da noch eine andere Frau gab.
Eine Frau, die ich eigentlich schon längst hatte hinter mir lassen wollen.

Auch Vivi hatte mich in den vergangenen Jahren mehrfach betrogen, doch ich hatte immer wieder geglaubt, dass es ein Ausrutscher war. Einmal, zweimal...
Irgendwann hatte sich meine Enttäuschung darüber in Gleichgültigkeit verwandelt.
Ich hatte selbst angefangen wieder mit anderen Frauen zu schlafen, um mich abzulenken.
Es half mir dabei, mein Ego aufzupolieren, denn das hatte ziemlich unter Vivis Affären gelitten.
Meine Gefühle für sie hatten im Laufe der Zeit immer mehr nachgelassen.
Wir waren eigentlich nur noch zusammen, weil ich es nicht übers Herz gebracht hatte, mich von ihr zu trennen, nachdem ihr jüngerer Bruder verstorben war.
Da ich ohnehin ständig unterwegs war und wir aneinander vorbei lebten, hatte ich dieses Vorhaben erstmal aufgeschoben.
Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass unsere Beziehung an ihrem Ende angelangt war.
Jetzt lag es an mir, endlich den Schlussstrich zu ziehen, der längst überfällig war.

Talea's Sicht

"Talea? Alles okay?"
Osmo wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum und blickte besorgt zu mir herüber.
Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er mit mir sprach.
"Ja, alles gut. Ich war in Gedanken. Sorry.", antwortete ich und setzte ein gekünsteltes Lächeln auf.
"Bist du müde?", fragte er und rutschte näher an mich heran.
"Ja. Der Tag war ziemlich anstrengend.", murmelte ich und nickte.
"Dann lass uns nach Hause gehen."

Fast zeitgleich erhoben wir uns von der Bank und verabschiedeten uns dann von Riku, Sami, Raul und ein paar anderen Gästen.
Von Samu fehlte allerdings jede Spur.
Vermutlich war er schon gegangen. Meine Schuldgefühle wurden immer stärker.
Ich wollte keinen Keil zwischen ihn und seine Freunde treiben, nur weil wir ein Problem miteinander hatten. Okay, vielleicht war ich diejenige, die ein Problem mit ihm hatte.

Diese Gedanken beschäftigten mich, während wir nach Hause gingen und erst recht, als ich dann ungefähr eine halbe Stunde später in meinem Bett im Gästezimmer lag und an die dunkle Zimmerdecke starrte.
Trotz allem fiel ich irgendwann in einen unruhigen Schlaf.

Dass ich in der Nacht zuvor nicht wirklich zur Ruhe gekommen war, spürte ich vor allem am nächsten Tag. Ich war total mies gelaunt und zu nichts zu gebrauchen.
Ich schob es auf den Schlafmangel und auf die ungewohnte Umgebung, an die ich mich erstmal gewöhnen musste. Glücklicherweise hatte Osmo Verständnis dafür.
Wir verbrachten den Tag auf der Couch, schauten Filme, sahen uns alte Fotoalben an und bestellten Pizza.
So hatte er sich meinen Start hier in Finnland sicher nicht vorgestellt.
Schon vor Wochen hatte er angefangen mir ausführlich von seinen Plänen zu erzählen, die er für unsere gemeinsame Zeit geschmiedet hatte. Er wollte mir unzählige Orte zeigen und Ausflüge mit mir machen.
Und jetzt lag ich hier auf seinem Sofa und hatte einen totalen Durchhänger. "Tut mir leid, dass ich so mies drauf bin.", murmelte ich entschuldigend und vergrub mein Gesicht im Kissen, auf dem ich meinen schmerzenden Kopf gebettet hatte.
"Ist doch kein Problem. Jeder hat mal einen schlechten Tag.", sagte er und streichelte aufmunternd über meinen Rücken.

Doch es ging wieder bergauf.
Bereits am nächsten Tag bekam ich dann meine ganz persönliche Führung durch die wunderschöne Innenstadt von Helsinki.
Osmo zeigte mir besondere Orte, wie den Dom und den Hafen, verriet mir, wo sich die besten Restaurants und Clubs befanden und auch, wo man am besten Shoppen gehen konnte.
Sechs Stunden und gefühlt 100 Kilometer später erreichten wir endlich wieder seine Wohnung.
Nur mit Mühe schaffte ich es, mich noch bis zur Couch im Wohnzimmer zu schleppen, auf die ich mich kraftlos und vollkommen erschöpft fallen ließ. Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding.
Sowas war ich definitiv nicht gewohnt und wenn er sein Programm weiter so mit mir durchzog, würde es nur noch ein paar Tage dauern, bis ich vollkommen am Ende war.

Auch in den kommenden Tagen waren wir viel unterwegs.
Teil zwei und drei meiner ganz persönlichen Stadtführung standen an. Außerdem fuhren wir nach Turku, in einen nahegelegenen Nationalpark und nach Suomenlinna.
So zogen die ersten zwei Wochen wie im Flug an mir vorbei.
Das Land gefiel mir von Tag zu Tag besser und ich begann mich hier wohlzufühlen.
Osmos Wohnung war auch für mich mittlerweile fast schon sowas wie ein zweites Zuhause geworden.
Hin und wieder trafen wir uns auch mit Riku und den anderen Jungs.
Nur Samu war bisher kein einziges Mal dabei gewesen. Riku sagte, dass er zur Zeit viele Termine hatte, doch ich zweifelte daran, dass das stimmte. Vermutlich war ich der Grund dafür, dass er die Treffen mit seinen Freunden absagte.
Immerhin hatte ich ihm ins Gesicht gesagt, nein, eher ins Gesicht geschrien, dass er sich von mir fernhalten sollte.
Verdammt.
Ich fühlte mich schuldig.
Ich wollte nicht zwischen ihm und seinen Freunden stehen. Schon gar nicht zwischen ihm und Osmo.

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt