Kapitel 86

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Talea's Sicht

Es war irgendwie merkwürdig, nicht neben Samu aufzuwachen, aber daran musste ich mich wohl gewöhnen.

Für den Tag, der gerade begonnen hatte, hatten wir uns nichts vorgenommen.
Ich war nach wie vor der festen Überzeugung, dass Osmo es etwas ruhiger angehen lassen musste, deshalb machten wir es uns nach einem ausgiebigen Frühstück wieder auf dem Sofa bequem.
Bereits am Abend zuvor hatten wir gemeinsam eine Liste mit allen Filmen erstellt, die wir uns in den kommenden Tagen noch gemeinsam anschauen wollten, solange wir keine größeren Ausflüge machen konnten. Glücklicherweise war unser Geschmack in dieser Hinsicht sehr ähnlich.
Wir beide liebten Action-Filme und genau die sahen wir uns an diesem Tag auch an.

"Okay. Es reicht jetzt.", seufzte ich und streckte mich, als der Abspann des dritten Films begann, den wir in den vergangenen Stunden angeschaut hatten.
Ich hätte nie gedacht, dass den ganzen Tag herumliegen und nichts tun so anstrengend sein konnte.
Osmo schlenderte in die Küche und kam ein paar Minuten später mit dem Handy in der Hand, auf das er konzentriert seinen Blick gerichtet hatte, zurück.
"Riku will nachher vorbeikommen.", sagte er und legte die Stirn in Falten. "Das ist doch toll. Dann siehst du endlich mal jemand anderes und nicht immer nur mich.", erwiderte ich scherzhaft.
Die knapp 24 Stunden, die wir inzwischen gemeinsam verbracht hatten waren natürlich keine besonders lange Zeit, doch ein bisschen Abwechslung war sicher gut für ihn. Obendrein bot Rikus Besuch natürlich auch eine gute Gelegenheit, um mich mit Samu zu treffen.

Als Osmo seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Smartphone richtete, nutzte ich die Gelegenheit und verschwand kurz in meinem Zimmer um Samu anzurufen.
Schon als ich seinen Namen auf dem Display antippte, klopfte mein Herz schneller.
Erst recht aber, als er nach einigen Sekunden den Anruf entgegennahm und ich seine Stimme hörte.
"Talea.", seufzte er und klang fast schon erleichtert.
"Hey. Ich bin's."
Natürlich, wer denn sonst.
Selbst der Klang seiner Stimme sorgte dafür, dass mein Gehirn aussetzte.

"Wegen heute Abend...", ich unterbrach meinen Satz kurz, "...Osmo bekommt Besuch von Riku. Wir könnten uns vielleicht treffen. Also, wenn du das willst."
"Natürlich will ich das."
"Wann kannst du denn von zu Hause verschwinden?", hakte er nach.
"Gegen 18 Uhr, denke ich. Ich sag einfach, dass ich noch ein paar Dinge erledigen muss."
"Was erledigt man denn um diese Uhrzeit noch?", fragte Samu belustigt.
Ach fuck.
Wie blöd diese Ausrede klang wurde mir erst jetzt bewusst, wo Samu sich darüber lustig machte.
"Mir fällt nichts besseres ein. Warum muss das alles auch so wahnsinnig kompliziert sein?", seufzte ich und stützte den Kopf in die Hände.

"Ich hab eine Idee. Gib mir fünf Minuten. Ich rufe dich gleich wieder an.", sagte Samu entschlossen und legte auf, bevor ich etwas erwidern oder nachfragen konnte, was er vorhatte.

Ich ließ mich rückwärts auf das weiche Bett fallen und starrte an die Decke. Samu ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.
Obwohl ich mir selbst geschworen hatte, ihn nicht mehr zu nah an mich heranzulassen, aus Gründen des Selbstschutzes natürlich, waren wir jetzt vertrauter miteinander als jemals zuvor.
Er war immer in meinem Kopf.
Sowohl tagsüber, wenn ich so wie heute mit Osmo herumblödelte, als auch Nachts wenn ich schlief.

Plötzlich kam Osmo hektisch ins Gästezimmer gelaufen und riss mich aus meinen Tagträumen.
"Samu ist am Telefon. Er fragt, ob du heute Abend vorbeikommen willst. Seine Schwester und die Kinder sind auch da.", sagte er lächelnd und hielt das Handy von sich weg.
Schwester? Kinder?
Ich konnte nicht ganz folgen, aber das war anscheinend Teil seines Plans.
"Ja, sehr gerne.", antwortete ich etwas überrumpelt und lächelte.
"Sie kommt vorbei.", sagte Osmo dann an Samu gerichtet und schlenderte zum Fenster herüber, während ich angespannt jede seiner Bewegungen und jede noch so kleine Regung auf seinem Gesicht verfolgte.
Würde er Verdacht schöpfen? Hoffentlich nicht.

Einige Minuten später beendete er das Telefonat und setzte sich zu mir aufs Bett.
"Du hast mir gar nicht erzählt, dass du Samus Familie getroffen hast."
Verdammt.
Ruhig bleiben.
"Du warst ja auch nicht zu Hause.", sagte ich und schüttelte belustigt den Kopf, so als wäre das alles vollkommen logisch.
"Wir haben letzten Freitag gemeinsam gegrillt. Wir waren gerade auf dem Rückweg vom Krankenhaus als sie bei Samu angerufen und gefragt hat, ob er nicht vorbeikommen will. Und dann hat er mich kurzerhand einfach mitgenommen. Samus Familie ist wirklich nett.", erklärte ich seelenruhig.

Oh man.
Ich konnte den Schwachsinn den ich da redete selbst nicht glauben, doch mein Bruder schien das nicht genauer zu hinterfragen.
Er freute sich sogar darüber, dass ich neue Menschen kennengelernt hatte.

"Das ist doch fantastisch. So kommst du ein bisschen unter Leute und musst nicht immer alleine bleiben, wenn ich mal weg bin."
Der Gedanke war zwar gar nicht so sinnlos, doch abgesehen von Samu gab es bisher noch keine neuen Bekanntschaften oder sogar Freundschaften.
Trotzdem nickte ich zustimmend und konnte nicht anders, als übers ganze Gesicht zu strahlen.
Ich war wirklich gespannt, was Samu mit mir vorhatte.

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt