Kapitel 85

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Talea's Sicht

Den Nachmittag verbrachte ich hauptsächlich damit, mich um meinen Bruder zu kümmern.
Die Ärztin hatte gesagt, dass er sich schonen sollte, deshalb versuchte ich unentwegt ihn davon abzuhalten, aufzuspringen und durch die Wohnung zu wirbeln.
"Du musst mich nicht bedienen. Ich kann das alleine. Mir geht es gut.", maulte er und verdrehte die Augen. Doch diese Ausrede ließ ich nicht gelten.
Auch ich konnte dickköpfig sein.
Ich holte ihm seinen Laptop, versorgte ihn mit Keksen und Getränken und kümmerte mich zwischendurch um die Wäsche.

Am frühen Abend machte ich mich dann auf den Weg zum Supermarkt. Der Kühlschrank war leer und alles was ich an dem Tag eingekauft hatte, an dem wir eigentlich Lasagne machen wollten, war inzwischen verdorben.

Als ich zurückkam war Osmo vom Sofa im Wohnzimmer verschwunden.
Das hätte ich mir ja denken können.
Er ist unbelehrbar.
"Du solltest dich doch ausruhen.", rief ich, während ich meine Jacke auszog. "Ich hab mich tagelang nur ausgeruht und mich nicht einen Meter bewegt. Langsam reicht es.", schallte Osmos Stimme aus der Küche zu mir herüber. Ach Osmo.

"Ich dachte, wir können heute Lasagne essen.", schlug ich vor, als ich mit den zwei vollen Einkaufstüten in die Küche trat.
Er nickt stumm und lächelte unschuldig.

Während ich die Lebensmittel im Kühlschrank verstaute, begann er die Zutaten für die Sauce zusammen zu sammeln.
Es wäre mir zwar lieber gewesen, wenn er sich wieder hingelegt hätte, doch es war aussichtslos noch weiter darüber zu diskutieren.
Er ist eben ein Sturkopf.

Schon eine halbe Stunde später duftete es in der Küche herrlich nach geschmolzenem Käse.
Mein Magen knurrte verlangend.
"Es dauert noch ein paar Minuten.", sagte Osmo und warf einen prüfenden Blick durch die Glasscheibe des Backofens.
Wir schwiegen eine Weile.

"Ich bin wirklich froh, dass du hier bist. Tut mir leid, dass alles so beschissen gelaufen ist. Ich verspreche dir, dass es ab jetzt besser wird."
Ach Osmo.
Er machte sich selbst für das Desaster verantwortlich, obwohl er derjenige war, der am wenigsten dafür konnte. Typisch.
"Hör auf dich zu entschuldigen. Du kannst doch gar nichts dafür.", sagte ich und schüttelte entschlossen den Kopf.

"Ich bin froh, dass das alles überstanden ist und, dass es dir gut geht.", fügte ich noch hinzu und ließ mich dann von ihm in eine feste Umarmung ziehen. 
"Aber ich hab dich fast zwei Wochen lang alleine gelassen. Samu hat sich doch hoffentlich gut um dich gekümmert, oder?"
Oh ja. Und wie.
Ich räusperte mich kurz und nickte schwach, während mein Kopf an seiner Brust lag.
"Ja, das hat er.", murmelte ich und schloss die Augen.

Wenn er wüsste, wie gut Samu sich wirklich um mich gekümmert hat, würde er vermutlich nicht mehr so beruhigt und zufrieden sein.

Samu's Sicht

Schon kurz nachdem ich meine Wohnung betreten hatte, spürte ich, dass etwas fehlte.
Talea.
Ich vermisste sie schon jetzt.
Wie zur Hölle sollte ich das durchstehen, wenn ich genau wusste, dass sie nur ein paar Straßen entfernt war?
Verdammt.
Warum musste das alles so wahnsinnig kompliziert sein?

Nachdem ich Sport gemacht hatte, um auf andere Gedanken zu kommen, stieg ich unter die Dusche. Das kalte Wasser, das auf meinen erhitzten Körper prasselte, half mir wieder runter zu kommen.
Ich durfte mich nicht wie ein liebeskranker Volltrottel benehmen und auch nichts überstürzen, wenn ich sie wirklich für mich gewinnen wollte.

Gegen 23 Uhr fiel ich erschöpft ins Bett. Alleine.
Die andere Seite blieb leer. Ein fast schon ungewohntes Gefühl.
Gerade als ich mein Handy zur Seite gelegt hatte, vibrierte es auf dem Nachtschrank.
Talea.
Mein Herz machte einen kleinen Freudensprung, als ich ihren Namen auf dem Display sah.

"Bist du noch wach?"

"Ja, bin ich. Wie war dein Abend?"

"Ganz nett. Wir haben gekocht und einen Film geschaut. Und bei dir?"

"Einsam. Du fehlst hier."

"Du fehlst mir auch, Samu."

"Dann komm zu mir."

"Ich kann nicht. Das weißt du doch..."

"Ich weiß."

"Bitte sei mir deswegen nicht böse. Ich will ihm einfach nicht vor den Kopf stoßen."

"Das verstehe ich."

"Danke."

"Wann sehen wir uns wieder?"

"Am liebsten so schnell wie möglich, aber du weißt ja..."

"Du könntest dich einfach raus schleichen."

"Ich bin keine 16 mehr."

"Dann schleiche ich mich zu dir."

"Auf gar keinen Fall!!!"

"Ich finde die Idee aufregend."

"Du wirst auch nicht von deinem übervorsichtigen Bruder bewacht. Wobei du wahrscheinlich mehr von seinem Unmut abbekommen würdest als ich..."

"Manches muss man eben in Kauf nehmen."

"Nein, Samu. Wir können das auch vernünftig lösen."

"Sehr gerne."

"Morgen Abend?"

"Meinst du das ernst?"

"Ja. Ich lasse mir eine Ausrede einfallen."

"Ich freue mich drauf."

"Ich mich auch."

"Schlaf gute, Talea. Ich vermisse dich."

"Ich vermisse dich auch, Samu. Gute Nacht."

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt