Kapitel 43

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Samu's Sicht

Wir blieben vor der letzten Tür am Ende des Gangs stehen und die Krankenschwester wandte sich mir zu. "Herr Ikkonen wurde nach der OP in ein künstliches Koma versetzt. Das klingt für Sie vielleicht erstmal schrecklich, doch es handelt sich dabei nur um eine Vorsichtsmaßnahme. So kann der Körper sich besser von den Verletzungen erholen. Der zuständige Arzt wird Ihnen sicher noch genaueres dazu erklären. Sie können bei ihm bleiben.", sagte sie und legte ihre zierliche Hand auf den Türdrücker.
Sie sah mich noch einmal prüfend an, so als wollte sie sich vergewissern, dass ich bereit dafür war.
Angespannt aber entschlossen nickte ich ihr zu.

Sie öffnete langsam die Tür und betrat vor mir das Zimmer.
"Fuck.", flüsterte ich und kämpfte mit den Tränen, während ich mich dem Bett, in dem Osmo lag, mit unsicheren Schritten näherte.
Die kaltweiße Beleuchtung, die aus einer schmalen Leiste hinter dem Bett drang, tauchte das Zimmer in fahles Licht und machte die Situation noch bedrückender.
Unzählige Geräte, die vermutlich da waren, um Osmos Zustand zu überwachen, umgaben das Bett.
Er lag einfach so da.
Regungslos.

"Herr Haber?"
Die Pflegerin, die mich hierher gebracht hatte, räusperte sich kurz, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu richten.
Ich drehte mich zu ihr um und wartete wortlos auf das, was sie mir sagen wollte.
"Können Sie uns etwas zu möglichen Angehörigen von Herrn Ikkonen sagen? Jemanden, den wir eventuell kontaktieren sollten?"
Sie zückte einen Stift und schien sich etwas notieren zu wollen.
In Gedanken ging ich einige Personen durch, die Osmo sehr nahe standen, doch keiner davon war mit ihm verwand. Seine Familie lebte in Deutschland.
Außer...Talea.
Plötzlich fiel es mir wieder ein.
Sie war seit einigen Wochen hier in Helsinki.

"Er hat eine Schwester.", murmelte ich gedankenverloren.
"Sehr gut. Können Sie mir den Namen sagen? Oder wissen Sie vielleicht sogar, wie wir sie erreichen können?", fragte sie und sah mich abwartend an.
"Ich mache das. Ich meine, wenn das okay ist.", sagte ich und ließ meinen Blick dann wieder zu Osmo schweifen. Ich hielt es für eine bessere Idee, sie selbst anzurufen und ihr zu erzählen, was passiert war.
Besser, als wenn sie plötzlich irgendwelche wildfremden Krankenhausmitarbeiter aus dem Bett klingelten.
Ich wusste zwar, dass sie nicht besonders gut auf mich zu sprechen war, doch hier ging es um Osmo.
Nicht um das, was zwischen uns passiert war.
Es ging um ihren Bruder und meinen besten Freund.
Wir beide waren erwachsen genug und hoffentlich auch in der Lage, dementsprechend damit umzugehen.
"Okay. Vielen Dank. Aber bitte denken Sie dran, dass auch Sie Ruhe brauchen. Legen Sie sich hin und schlafen Sie ein bisschen.", sagte sie und tätschelte meinen Rücken, bevor sie dann das Zimmer verließ.
Vorsichtig ließ ich mich auf das freie Bett sinken, das etwa drei Meter von Osmos entfernt stand.
Ich griff nach meinem Handy und öffnete die Kontaktliste.
Während ich nach ihrem Namen suchte, schossen unzählige Gedanken durch meinen Kopf.
Vielleicht würde sie gar nicht rangehen. Vielleicht würde sie auflegen, sobald sie meine Stimme hörte.
Vielleicht würde sie mir Vorwürfe machen und mir die Schuld an all dem geben.
Doch ich hatte keine andere Wahl.
Ich musste sie anrufen.

Forever Yours / Samu & TaleaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt