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Der Alltag hatte sich sehr verändert. An jeder Ecke lauerten Todesser, die sie aus dem Nichts zur Seite zogen und sie nach ihrem Grund befragten, warum man denn auf den Fluren herumlungerte. Wer keinen triftigen Grund hatte, bekam Nachsitzen. Was genau beim Nachsitzen passierte ... darüber sprach niemand.

Und es gab auch keinen von Ellys Freunden, der sich freiwillig opfern wollte, um diesen Geheimnis auf den Grund zu gehen, sie selbst war auch nicht dazu bereit. Man wusste nur, dass die Schüler am Ende immer sehr fertig und verstört zurückkamen, manche redeten für Tage nicht.

Elly persönlich vermutete, dass man sie folterte. Sie traute es den Carrows zu, den Cruciatus-Fluch an den Schülern anzuwenden und die Erlaubnis vom Schulleiter und vom Minister hatten sie bestimmt innerhalb weniger Minuten erhalten.

Es widerte Elly an.

Sie hatten die erste Pflichtstunde Muggelkunde. Elly lief zusammen mit Neville durch die Korridore, um rechtzeitig in den Unterricht zu kommen, auch wenn sie nicht wirklich wollten. Die Flure waren gefüllt von Schülern, die eilig und leise hin und her gingen, ohne groß Aufmerksamkeit zu erregen, dennoch pickte sich der Todesser, den sie schon im Zug gesehen hatten, einen nach dem anderen raus. Er packte sie aus dem Nichts an der Schulter, flüsterte ihnen was ins Ohr und zog sie dann zur Seite, um den Verkehr nicht aufzuhalten.

Remus, deren Mutter eine Muggel war, hatte ihm vom Zweiten Weltkrieg erzählt, wo die Muggel aus Deutschland viele Menschen aus ihren Häusern und Städten geholt und umgebracht hatten, einfach nur, weil sie eine andere Religion ausübten, die der damaligen Regierung nicht gefiel.

Remus hatte Elly ebenfalls davon erzählt. Sie konnte nicht glauben, dass Menschen zu so etwas Unmenschliches möglich waren, aber wie sagte man? Nichts ist unmöglich.

Der zweite Zaubererkrieg erinnerte Elly stark an den Zweiten Weltkrieg der Muggel. Vielleicht lag es daran, dass es ebenfalls der Zweite Krieg war, aber die Todesser glichen den Nazis, die Muggel, die gegen andere Religionen waren, identisch. Nur waren die Todesser nicht an dem Glauben der Zauberer und Hexen interessiert, sondern am Blutstatus. Und auch hier, in der magischen Welt, gab es einen Vollidioten, der das alles angefangen hatte und sich so einen Haufen von Mitläufern anschaffte.

Aber natürlich gab es auch damals Leute, die dagegen waren. Elly erinnerte sich besonders an eine Gruppe, die sich Die Weiße Rose nannte. Man könnte diese Gruppe mit dem Orden des Phönix vergleichen, denn auch dort starben die Anführer, bevor sie ihr endgültiges Ziel erreichen konnten.

„Na?", eine Hand griff nach Ellys Schulter. „Freust dich schon auf den Unterricht?"

Elly gab keine Antwort. Sie presste ihre Lippen aufeinander, bemüht, keinen Ton von sich zu geben. Sie würde nicht mit diesem ... diesem Monster reden – obwohl eigentlich sein Herr die Bezeichnung eines Monsters eher verdiente, als er.

„Nicht sehr gesprächig, mh?", redete der Typ weiter. Er sah sich um; Neville stand immer noch still neben ihr, er hatte sich nicht gerührt und schien auch nicht die Absicht zu haben, es zu tun.

Der Todesser beugte sich runter zu Elly und flüsterte in ihr Ohr: „Wenn du willst, dass deinem Freund hier kein Nachsitzen büßt, weil er zu spät zum Unterricht kommt, würde ich lieber antworten, damit ich euch weitergehen lassen kann"

Elly schluckte und linste zu Neville. Er hatte sich noch immer nicht bewegt, auch wenn sich seine Hand in seiner Umhangtasche, wo sein Zauberstab war, verkrampft hatte. Er schien sich innerlich darauf vorzubereiten, Elly und sich selbst zu verteidigen, sollte der Todesser etwas Unmoralisches vorhaben. „Wir freuen uns schon sehr auf den Unterricht. Sir", fügte sie noch durch zusammengepresste Lippen hinzu.

Elly Riddle - das Mädchen, das lachteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt